Gespräch mit Tarifsekretär Matthias von Fintel über die Tarifverhandlungen der dju in ver.di
Im Zeichen von Corona stehen die dju in ver.di und der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) in diesem Jahr vor eher ungewöhnlichen Tarifverhandlungen. Es ist eine besonders herausfordernde Zeit für Redaktionen und Verlage – guter Journalismus war und ist gefragt. Unter den erschwerten Bedingungen des Shutdown wurde dem Rechnung getragen und sollte anerkannt werden.
Die Verleger wollen jedoch die Einkommen der Redakteur*innen kürzen und kaum Sicherheiten für die Arbeitsplätze abgeben. Sieht Wertschätzung nicht anders aus?
Der Blick in andere Branchen, in denen im Shutdown für die Gesellschaft wichtige Arbeit geleistet wurde und auch noch wird, zeigt: Arbeitgeber honorieren die Bereitschaft unter neuen Arbeitsbedingungen und Belastungen wie Homeschooling für die Kinder, auch noch anhaltend Leistung im Job zu erbringen. Die Aufforderung, doch als Verlage über eine Bonuszahlung nachzudenken, wurde mit entrüstetem Kopfschütteln quittiert. Denn das sei alles selbstverständlich gewesen. Das kann ich weder als Leser und User von Zeitungsprodukten nachvollziehen, noch als Interessenvertreter von Journalist*innen.
Wie real sind denn die Einbrüche etwa durch wegfallende Werbung?
Am schwersten wurden die rein werbefinanzierten Privatradios getroffen. Zeitungen haben neben den Abo-Einnahmen auch noch Online-Werbung gehabt, sie sind ja auf breiterer Basis aufgestellt. Aber klar, es gab ab März bis Mai, Anfang Juni schwere Einnahmeverluste. Auch die Rückkehr zur Normalität wird das nicht wettmachen können. Umso dramatischer waren die Fehlentscheidungen in den Verlagen, die massiv nachgefragten Online-Abos sowie Artikel und Info-Angebote auf den digitalen Verbreitungswegen gratis zu verscherbeln. Denn dahinter standen Teams, die unter Hochdruck neue Produkte und die Umstellung von Print auf Online gewuppt haben. Andere Branchen denken über die Chancen der Krise nach, das haben die Verlage verpasst. Es wäre der beste Zeitpunkt gewesen die neuen Leser*innen und Online-Kund*innen gleich an Bezahlangebote zu gewöhnen. Streaming-Dienste für Filme und Serien, haben stattdessen die Chancen genutzt, Abo-Zahlen gesteigert und unverminderte Pro-Kopf-Umsätze gemacht.
Welche Tarif-Vorschläge hat die dju in ver.di für das Coronajahr 2020?
Zunächst einmal stimmen wir mit dem Verlegerverband überein, dass wir uns auch ein Moratorium für Gehaltserhöhungen bis Ende des Jahres vorstellen können. Allerdings sollten Volos und vor allem Freie auch in diesem Sommer nicht leer ausgehen. Zuletzt gab es im Mai 2019 schon lange von der Inflation aufgezehrte Tariferhöhungen. Wir stimmen dem BDZV auch darin zu, eine Tariföffnung für betriebliche Beschäftigungssicherung vereinbaren zu können. Allerdings muss es eine faire Regelung werden und nicht schlechter als die, die in Verlagstarifen und für die Druckindustrie von ver.di bereits abgeschlossen wurde. Und wenn es solche Tarifkompromisse gibt, die für Verlage und Journalist*innen Sicherheit geben, sollten wir auch jetzt schon über die Perspektive und damit eine zugesicherte Tariferhöhung ab Beginn des Jahres 2021 sprechen. Wir halten 200 Euro Gehaltserhöhung nach fast zwei Jahren für angemessen. Wir sollten keine Zeit verlieren, um über wichtige Verbesserungen bei Arbeitszeitregelungen, Schichtarbeit und allem rund ums digitale Arbeiten in Redaktionen zu reden. Wir würden gerne bis November Erfolge erreichen.
Kann man sich an den aktuellen Tarifabschluss der Druckindustrie anlehnen?
Aktuell ging es in der Druckindustrie ja nicht um eine Lohnrunde, sondern um einen Abschluss, der einen bestehenden Tarifabschluss ändert. Kernpunkt ist, für eine drei Monate später als ursprünglich vereinbarte Tariferhöhung gibt es eine Beschäftigungssicherung. So etwas bieten die Verleger den Journalist*innen allerdings nicht an, so ähnlich sieht aber unsere Forderung aus. Die Antwort ist also Ja, nur eben der Tarifsituation für Redaktionen entsprechend.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Im Juni soll es erste Gespräche geben, über die wir dann wie gewohnt informieren werden. Ob es wirklich lebendige Verhandlungen werden über all die brennenden Themen Beschäftigungssicherung, Perspektiven für eine Gehalts- und Honorarerhöhungen und zukünftige Arbeitsbedingungen, das hängt auch von den Verlegerverbands-Vertreter*innen ab. Ich vermute, sie werden sich noch einen ordentlichen Ruck geben müssen. Aber Wegducken vor den kommenden Tarifthemen ist auch keine Lösung und im Medien-Wettbewerb werden Zeitungsverlage nur mit gutem Nachwuchs und ansprechenden Arbeitsbedingungen bestehen können. Wir behalten dies auf der Agenda und setzen uns dafür in diesen Zeiten am virtuellen Verhandlungstisch weiter ein.