Als andernorts die Lichtspielhäuser wieder öffneten, standen die mehr als 40 Beschäftigten des Berliner Kinos Colosseum protestierend auf der Straße: Sie weigern sich, ihr Haus, eines der ältesten deutschen Kinos mit fast 100jähriger Tradition, als Corona-Opfer zu sehen. Ende Mai hatte ihnen ein vorläufiger Insolvenzverwalter von Zahlungsunfähigkeit geschrieben, sie erhalten kein Geld mehr, wurden freigestellt.
Das 1997 als Multiplex wiedereröffnete teilweise denkmalgeschützte Haus sei wegen sinkender Besucherzahlen nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben, zeichnete Sohn Sammy für die Erbengemeinschaft des verstorbenen Filmmoguls Atze Brauner die Lage aussichtlos. „Nichts davon wurde mit Zahlen unterfüttert“, Corona-Soforthilfen habe die Betreibergesellschaft nicht in Anspruch genommen, kritisierte Betriebsratsvorsitzender Martin Rathke: „Wir sind bereit, das Kino zu übernehmen – ob als Genossenschaft oder als kommunales Kino.“ Man wolle die Kiezöffentlichkeit mitnehmen und erwarte Unterstützung von der Politik. Stellte sich doch heraus, dass das Stadtentwicklungsamt des Bezirks Pankow bereits im Herbst 2019 einem Hamburger Immobilienkonsortium einen Bauvorbescheid für das Areal genehmigte.
Inzwischen hat die Erbengemeinschaft der Kino Betriebsgesellschaft – es handelt sich um nahezu identische Akteure – wegen ausstehender Pachtzahlungen gekündigt. „Damit verlieren wir unsere Betriebsstätte“, so Rathke, „doch wir planen weitere Aktionen“. Jeden Donnerstag wird protestiert, mit Info- und Siebdruckaktionen, Videobotschaften, Kiezspaziergängen. Zwei große Demos, zuletzt am 13. August mit an die 500 Teilnehmer*innen, machten bereits Druck. Die Bezirksverordnetenversammlung hat nun Anfang September einen Beschluss „für die Erhaltung des denkmalgeschützten und traditionsreichen Kinos Colosseum an der Schönhauser Allee 123 als Kulturstandort“ gefasst. Neue Büroareale oder langen Leerstand brauche hier niemand, sind die Beschäftigten mehr denn je überzeugt. Und den Arbeitgeber-Vorschlag zu Interessenausgleich und Sozialplan, der ihnen so gut wie gar nichts brächte, soll der Betriebsrat so nicht unterschreiben, hieß es auf einer Betriebsversammlung am 4. September.