Kampf ums Colosseum geht weiter

Demonstration "Rettet das Colosseum" durch Berlin Pankow am 13. August 2020
Foto: Manfred Krause

Als andernorts die Lichtspielhäuser wieder öffneten, standen die mehr als 40 Beschäftigten des Berliner Kinos Colosseum protestierend auf der Straße: Sie weigern sich, ihr Haus, eines der ältesten deutschen Kinos mit fast 100jähriger Tradition, als Corona-Opfer zu sehen. Ende Mai hatte ihnen ein vorläufiger Insolvenzverwalter von Zahlungsunfähigkeit geschrieben, sie erhalten kein Geld mehr, wurden freigestellt.

Das 1997 als Multiplex wiedereröffnete teilweise denkmalgeschützte Haus sei wegen sinkender Besucherzahlen nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben, zeichnete Sohn Sammy für die Erbengemeinschaft des verstorbenen Filmmoguls Atze Brauner die Lage aussichtlos. „Nichts davon wurde mit Zahlen unterfüttert“, Corona-Soforthilfen habe die Betreibergesellschaft nicht in Anspruch genommen, kritisierte Betriebsratsvorsitzender Martin Rathke: „Wir sind bereit, das Kino zu übernehmen – ob als Genossenschaft oder als kommunales Kino.“ Man wolle die Kiezöffentlichkeit mitnehmen und erwarte Unterstützung von der Politik. Stellte sich doch heraus, dass das Stadtentwicklungsamt des Bezirks Pankow bereits im Herbst 2019 einem Hamburger Immobilienkonsortium einen Bauvorbescheid für das Areal genehmigte.

Inzwischen hat die Erbengemeinschaft der Kino Betriebsgesellschaft – es handelt sich um nahezu identische Akteure – wegen ausstehender Pachtzahlungen gekündigt. „Damit verlieren wir unsere Betriebsstätte“, so Rathke, „doch wir planen weitere Aktionen“. Jeden Donnerstag wird protestiert, mit Info- und Siebdruckaktionen, Videobotschaften, Kiezspaziergängen. Zwei große Demos, zuletzt am 13. August mit an die 500 Teilnehmer*innen, machten bereits Druck. Die Bezirksverordnetenversammlung hat nun Anfang September einen Beschluss „für die Erhaltung des denkmalgeschützten und traditionsreichen Kinos Colosseum an der Schönhauser Allee 123 als Kulturstandort“ gefasst. Neue Büroareale oder langen Leerstand brauche hier niemand, sind die Beschäftigten mehr denn je überzeugt. Und den Arbeitgeber-Vorschlag zu Interessenausgleich und Sozialplan, der ihnen so gut wie gar nichts brächte, soll der Betriebsrat so nicht unterschreiben, hieß es auf einer Betriebsversammlung am 4. September.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

KI-Lösungen: Heise macht es selbst

Das Medienhaus „Heise Medien“ hat kürzlich das auf generative Künstliche Intelligenz (KI) spezialisierte Medienhaus „Deep Content“ (digitale Magazine „Mixed“ und „The Decoder“) aus Leipzig gekauft. Damit will Heise die Zukunft generativer KI mitgestalten. „Deep Content“ entwickelte mit „DC I/O“ ein professionelles KI-gestütztes Workflow-Framework für Content-Teams und Redaktionen. Bereits seit Juni dieses Jahres kooperiert Heise mit „Deep Content“ bei der Produktion des Podcasts „KI-Update“. Hinter der Übernahme steckt die Idee, den neuen Markt weiter zu erschließen und hohe Gewinne einzufahren.
mehr »

Audiodeskription: Die KI liest vor

Die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet inzwischen auch synthetische oder mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Stimmen, um für Fernsehformate Audiodeskriptionen zu erstellen. Das ergibt sich aus Nachfragen von M bei den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und beim ZDF. Neben professionellen Sprecher*innen setzen der MDR, WDR, NDR, Radio Bremen und das ZDF auch auf synthetische oder KI-Stimmen für die akustische Bildbeschreibung.
mehr »

Lokaljournalismus: Die Wüste droht

Noch sei es nicht so weit, aber von einer "Steppe" könne man durchaus schon sprechen, sagt Christian Wellbrock von der Hamburg Media School. Wellbrock ist Leiter von "Wüstenradar", einer Studie, die zum ersten Mal die bundesweite Verbreitung und zahlenmäßige Entwicklung von Lokalzeitungen in den letzten 30 Jahren unter die Lupe genommen hat. Sie erhebt, wie stark der Rückgang lokaler Medien inzwischen tatsächlich ist und warnt: In etlichen Regionen droht tatsächlich die Verbreitung von "Nachrichtenwüsten".
mehr »