Schon entdeckt? bermudafunk

Info

Engagierte Medien abseits des Mainstreams gibt es zunehmend mehr. Sie sind hochinteressant, aber oft wenig bekannt. Deshalb stellt M in jeder gedruckten Ausgabe und auf M Online einige davon vor.

Im Bermudadreieck verschwinden Schiffe auf mysteriöse Weise im Atlantik. Aus dem Dreieck zwischen Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sendet der Bermudafunk. Und was passiert dort Mysteriöses? „Die Leute verschwinden im Äther der Radiowellen“, antwortet André Neu, Gründungsmitglied und Hauptamtlicher beim Bermudafunk. Seit 20 Jahren bietet das freie Bürgerradio eine Plattform für alle, die etwas zu senden haben.

Rund 100 Sendungen von etwa 120 Mitgliedern sind regelmäßig „on air“, rund um die Uhr, auch online. Mit den starken Regionalsendern wie SWR und HR kann das kleine Bürgerradio nicht konkurrieren. Der Jahresetat liegt bei etwa 120.000 Euro. Der Bermudafunk mit Sitz in Mannheim finanziert sich aus Mitteln der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, die wiederum unter anderem aus dem Rundfunkbeitrag finanziert wird. Das reicht für Technik, Nebenkosten und 1,5 Stellen, die sich vier Leute teilen. Für Werbemittel, um die Zielgruppe der unter 30-Jährigen zu erschließen, bleibt nicht viel. Die meisten Macher*innen und Hörer*innen des Bermudafunks sind 30 bis 50 Jahre alt, schätzt Neu. „Sie sind mit dem Radio älter geworden.“

Eine Konkurrenz zu den großen Radios will Bermudafunk nicht sein, sondern ein Gegenmodell. Das „Programmstatut“ des Radios von 1998 stellt da hohe Ansprüche: „Gefördert wird die Verbreitung der Themen und gesellschaftlichen Fragen, die von bestehenden Medien ignoriert oder unterdrückt werden.“ Neu gibt zu: Die Sprache, in der das Statut verfasst wurde, sei nicht mehr zeitgemäß. Und auch die Ansprüche sind nach der Anfangseuphorie heruntergeschraubt. Den Großteil des Programms machen Musiksendungen aus. Die Formate sind dafür spannend und anders. Die „Radiotrinker“ philosophieren über alkoholische Getränke. Im „Nachtfunken“ geleiten zwei Moderatorinnen mit schläfrigen Stimmen durch die Nacht. Eine beliebte Sendung ist „Doppelpass“, von und für Fans des SV Waldhof Mannheim. „Sonar“ bietet Nachrichten aus der Region.

Technikprobleme, Dialekt, Lachanfälle – es ist manchmal chaotisch, immer charmant. „In einem kommerziellen Sendebetrieb wäre das eine mittlere Katastrophe, im Freien Radio dagegen ist das alles nicht so schlimm“, heißt es auf der Webseite. Alle können sein und senden, wie sie wollen, mit eigenem Kopf, Stärken und Schwächen. Gefällt Hörer*innen das Programm nicht? Kein Problem, dann sollen sie mitmachen. Das Bürgerradio will die Grenze zwischen Produzent*in und Rezipient*in aufheben. Alle können senden, aber nicht alles, betont André Neu. Kein Rassismus, kein Sexismus, keine Parteienwerbung, steht im Statut.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Neue Anlaufstelle: Erste Hilfe bei SLAPPs

Was tun, wenn man geslappt wird? Ab dem 16. Mai gibt es eine Anlaufstelle für SLAPP -Betroffene. SLAPPs sind unbegründete Einschüchterungsklagen oder missbräuchliche Gerichtsverfahren. Gegen die hat die EU eine Anti-SLAPP-Richtlinie verabschiedet. Binnen zwei Jahren müssen die Mitgliedsstaaten nun die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Hinter der von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Anlaufstelle steht ein breites Bündnis; Ansprechpartner ist Philipp Wissing.
mehr »

KI-Film über düstere deutsche Zukunft

Das dreiminütiges Science-Fiction-Video „Oma, was war nochmal dieses Deutschland?“ hat ein enormes Medienecho ausgelöst. Darin zeigt der Produzent und Podcaster Andreas Loff eine Dystopie aus dem Jahr 2060: eine fiktive rechtsextreme Partei mit dem Namen „Die Blauen“ hat in Deutschland die Macht übernommen und das Land nach massenhaften Abschiebungen vollkommen ruiniert. Eine alte Frau, gesprochen von Anna Thalbach, erzählt ihrer Enkelin an einer fernen Küste, wie es einst mit ihrer deutschen Heimat abwärts ging. Wir sprachen mit dem Macher Andreas Loff über den Film und den Einsatz der KI.
mehr »

Über Rechtsextreme reden – aber wie?

Medien können eine schützende Rolle dabei spielen, rechtsextremen Tendenzen entgegenzuwirken und die Demokratie zu stärken. Handlungsempfehlungen dafür haben Pia Lamberty und Maheba Goedeke Tort im CeMAS-Policy-Brief „Über Rechtsextreme reden? Empfehlungen für die mediale Berichterstattung“ zusammengestellt. Das geschieht vor dem Hintergrund, dass sich auf der einen Seite rechtsextreme Parteien radikalisieren. Gleichzeitig finde eine gesellschaftliche Normalisierung rechtsextremer Positionen und Erzählungen statt. 
mehr »

Feminismus trifft Klassenkampf im Film

Das Internationale Frauenfilmfest (IFFF) wirft einen sehr außergewöhnlichen Blick auf die Arbeitswelt von Frauen im Film. Damit kommt es beim Publikum gut an und liegt voll im Trend. Denn es geht um Frauensolidarität, Antirassismus, Antisexismus und Klassenkampf. Bei der 41. Ausgabe des Festivals vom 16. bis 21. April in Köln gab es volle Kinosäle. Der Schwerpunkt der von Frauen produzierten Filme aus aller Welt lag in diesem Jahr auf dem Horrorgenre.
mehr »