Engagierter Gewerkschafter und Philosoph

Dieter Brumm Foto: privat

Dieter Brumm, geboren 1929 in Wentorf als Sohn einer bayerischen Beamtentochter und eines Hamburger Kaufmanns, ist am 21. August 2020 nach kurzer schwerer Krankheit verstorben. 

Dieter Brumm engagierte sich vielseitig – als Journalist und als gewerkschaftlicher Medien- und Kulturpolitiker. Ehrenamtlich war er in der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) aktiv. Ab 1983 wandte er sich bei der Rundfunk-Fernseh-Film-Union (RFFU) in München hauptamtlich der Medien- und Kulturpolitik zu und wurde 1989 beim Übergang in die IG Medien mit Sitz in Stuttgart erster Referent in diesem Aufgabenfeld. Als Mitglied im Sprechergremium des Deutschen Kulturrats (1989 Vorsitzender) und Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) bei der Gründung des deutsch-französischen TV Kulturkanals ARTE setzte er fortschrittliche Akzente. In dieser Zeit gehörte er der Tarifkommission bei ARTE an und war maßgeblich am ersten europäischen Tarifabschluss im Medienbereich beteiligt.

Dieter Brumm arbeitete als freier Journalist unter anderem bei der Süddeutschen Zeitung und bei verschiedenen ARD-Anstalten und war Redakteur beim Spiegel. So war er später Mitautor am jährlichen ‚Grundrechtereport‘ (Rowohlt) mit Themenschwerpunkt ‚Zensur‘ und Mitarbeiter bei Amnesty International (AI).

Brumm studierte Philosophie in Freiburg bei Martin Heidegger und übernahm nach dem Studium eine Assistentenstelle am Philosophischen Seminar der Freien Universität (FU) in Berlin. Dort lernte er auch Rudi Dutschke und dessen Ideen kennen und schätzen. Zum Abschluss seines Studiums verfasste er eine wissenschaftliche Abhandlung über Heideggers vermeintliche Nähe zum nationalsozialistischem Gedankengut, die Aufmerksamkeit beim Spiegel auslöste. Dieser kaufte die Arbeit auf, später holte Rudolf Augstein den Autor der Abhandlung in die geisteswissenschaftliche Redaktion (1968–1972).

Seine Zeit bei dem Nachrichtenmagazin endete jedoch abrupt, weil er sein gewerkschaftliches Engagement nicht sein lassen konnte und zum Missfallen von Augstein, zusammen mit anderen sowohl betriebliche als auch journalistische Mitbestimmung im Magazin einforderte. Dieter Brumm und einem weiteren Mitstreiter wurde gekündigt. Offensichtlich, um dem Unmut bei vielen Redakteur*innen auch über diesen Rauswurf zu begegnen, führte der Spiegel-Inhaber bald sein finanzielles Beteiligungs-modell der Belegschaft ein.

Nach dem Ausscheiden aus dem Hauptvorstand der IG Medien Mitte der 90er Jahre bewegten Brumm zusehends Themen wie die Zerstörung der Lebensgrundlagen, ein entfesselter Turbokapitalismus, die weltweiten sozialen Ungerechtigkeiten und Missstände. Auch sein familiäres und soziales Umfeld wurden ihm immer wichtiger. Und noch etwas trat zunehmend in das Leben des erfahrenen Medien- und Kulturpolitikers: die eigene Literatur. Er veröffentlichte den Gedichtband „Gesang zur Unzeit“, den zeitkritischen Roman „Rosenfinger“ sowie zusammen mit anderen Autoren den Kollage-Roman „Menschenversuch“. Besonders in seinen polit-philosophischen Poemen sind die neuen Einsichten zum Zustand der Welt brillant verdichtet. Einige seiner Gedichte wurden von dem bosnischen Liedermacher, Dr. Adnan Pintul, in Chansons vertont und als CD vertrieben. Auch im Schillerverein in Leipzig erwarb sich Dieter Brumm mit seinen Beiträgen einen geschätzten Namen.

Auf der Zielgeraden zur Weisheit hat Dieter Brumm mit über 90 Jahren seine erfahrene Spürnase für politische und gesellschaftliche Fehlentwicklungen und seine erlebten gewerkschaftlichen Erfahrungen ein Stück weit neu ausgerichtet. Die Fridays-for-future-Bewegung hat er menschlich und politisch bewundert und sich ihr zugewandt. Bitter empfand Dieter Brumm den politischen Umgang mit der Corona-Pandemie: Die getroffenen Unterstützungsmaßnahmen seien getreu der herrschenden Ideologie der Leistungs- und Konsumgesellschaft auf die sogenannten Leistungsträgerinnen und –träger ausgerichtet worden. Die wirklich Bedürftigen, die Ärmsten der Armen und die Ausgegrenzten, seien Dieter Brumm zufolge dabei leer ausgegangen. Der Philosoph hielt es mit der Erkenntnis, dass sich der Wert einer Gesellschaft nach dem Umgang mit ihren schwächsten Mitgliedern bemisst. Dieter Brumm zählte sich nicht zu den systemrelevanten und auch nicht zu den systemkonformen Menschen. Ihm waren die Inhalte wichtig, nicht die Systeme. Mit seinem Tod ist ein bewegter, integrer Mensch von uns gegangen, der in uns weiter wirkt.

Peter Völker  (Ehemaliger Gewerkschaftssekretär IG Medien/ver.di)

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Danica Bensmail: „Widerstände spornen an“

Danica Bensmail hat am ersten März das Amt der dju-Bundesgeschäftsführung übernommen. Ein Gespräch mit „der Neuen“ über kaltes Wasser, die Bedeutung von Paarhufern für Diversity in den Medien und Treppengeländer. Danica Bensmail ist erst wenige Wochen im Amt – eine kleine Ewigkeit und ein Wimpernschlag zugleich. „Die ersten 48 Stunden waren ein wenig wie der sprichwörtliche Wurf ins kalte Wasser“, sagt Danica und lacht. Aber alles halb so wild, so eine Abkühlung belebe schließlich die Sinne.
mehr »

Freund oder Feind der Demokratie?

Soziale Medien ermöglichen Aktivismus – und gleichzeitig sehen in einer NDR-Umfrage vom Februar knapp zwei Drittel darin eine Gefahr für die Demokratie. Zur diesjährigen Leipziger Buchmesse diskutierte eine Gesprächsrunde des Schriftsteller*innen-Verbandes in ver.di (VS) unter dem Motto „Demokratiefeind Social Media?“, ob und wie Social Media reguliert werden könnte.
mehr »

dju fordert Presseauskunftsrecht

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert, in den laufenden Koalitionsverhandlungen endlich das längst überfällige Bundespresseauskunftsgesetz zu beschließen. Danach sieht es gegenwärtig allerdings nicht aus. Bestehende konstruktive parlamentarische Vorlagen zu einem entsprechenden Gesetzentwurf habe die CDU/CSU in der Vergangenheit blockiert, moniert dju-Co-Vorsitzender Peter Freitag. Wie schon die letzte Große Koalition unter Angela Merkel setzte aber auch die soeben abgetretene Ampel-Regierung ein entsprechendes Vorhaben nicht um.
mehr »

Mehr Vielfalt statt Einfalt im TV

Die vielfach ausgezeichnete Britcom „We Are Lady Parts“ über eine islamische Mädchen-Punkband in London ist eines der vielen Beispiele von „Diversity“-Formaten, die in der Coronazeit einen regelrechten Boom erlebten. Die neue zweite Staffel der Comedy war vor kurzem für den renommierten Diversify TV Awards nominiert. Deutsche Anwärter waren diesmal nicht vertreten.
mehr »