Schon entdeckt? Reportagen

Diesmal türkis: Das Cover der September-Ausgabe 2020

Info

Engagierte Medien abseits des Mainstreams gibt es zunehmend mehr. Sie sind hochinteressant, aber oft wenig bekannt. Deshalb stellt M in jeder gedruckten Ausgabe und auf M Online einige davon vor.

In dem Schweizer Magazin „Reportagen“ gibt es Reportagen zu lesen, und zwar nur Reportagen. Das funktioniert, besonders bei den Jüngeren. „Reportagen“ ist das einzige deutschsprachige Magazin, das sich ausschließlich auf diese Königsdisziplin des Journalismus fokussiert. Es fühlt sich an wie ein Buch – es sieht auch ein bisschen so aus – griffiges Hardcover im DIN-A-5-Format. Auf dem Cover ist kein großformatiges Foto, sondern Text, das Inhaltsverzeichnis. Auch im Inneren gibt es keine Fotos, sondern nur Zeichnungen und Illustrationen.

Form und Inhalt basieren auf mutigen Entscheidungen. Für den Gründer sind sie folgerichtig. Daniel Puntas Bernet hat selbst als Journalist gearbeitet, erst bei der NZZ am Sonntag, dann als Freier. Dort hat er beobachtet, dass das Genre der Reportage immer mehr verschwindet. Also gründete er eben ein Reportagemagazin. Doch wie sollte es aussehen? „Auch das war relativ einfach“, erzählt er. Ein Blick auf die etwa 3000 Titel am Kiosk in Deutschland zeige: 99 Prozent haben Fotos auf dem Cover. „Wenn man auffallen will, braucht man nicht mit einem weiteren tollen Foto zu kommen“, sagt er. Das brauche es auch nicht, um die Geschichten zu entfalten. „Die Erzählung formt die Bilder im Kopf des Lesers. Sie gestatten einen erzählerischen, subjektiven Zugang zur Welt, der es erlaubt, sie besser zu verstehen.“

Die Reportagen erzählen Geschichten aus der ganzen Welt, in der aktuellen Ausgabe etwa über den „Preis der Rebellion“ von jungen politischen Aktivisten aus Burma. In „Verloren in Optionen“ schildert Esther Göbel in einer intimen Nabelschau den Zeitgeist des postmodernen Menschen und seinen Kampf um Selbstentfaltung zwischen Fertigpizza und Netflixserien. In „Nichts als grüne Luft“ offenbart Christoph Keller die verzweifelten Versuche des Erdölkonzerns Shell, sich als zukünftiger Klimaschützer zu verkaufen.

Was gibt es Schöneres, als gute Geschichten zu lesen, die auch noch wahr sind? Das wollen pro Ausgabe, die sechsmal im Jahr erscheint, 11.500 Abonnenten. Mit Direktverkauf und Promotionen macht das eine Auflage von 19.500 Exemplaren. 55 Ausgaben sind bis jetzt erschienen, seit dem Start 2011 ist die Auflagenzahl stetig nach oben gegangen. Der Anstieg sei linear, sagt Daniel Puntas Bernet: „Wir wachsen langsam, klein und stabil.“ Das nostalgische Medienformat – bedrucktes Papier ohne Fotos – kommt bei Jüngeren besonders gut an. „Etwa die Hälfte unserer Leser ist unter 35.“ Deshalb sieht er der Zukunft des Journalismus sehr positiv entgegen, trotz Medienwandels. „Aber man muss immer einen Ticken besser sein, man muss Neues, Relevantes machen, schauen, dass sich die Leser nicht langweilen. Wenn wir beliebig werden, werden die Leute davonlaufen.“

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Filmtipp: Mädchen können kein Fußball spielen

Der sehenswerte Dokumentarfilm von Grimme-Preisträger Torsten Körner („Schwarze Adler“) ist eine Hommage an die Pionierinnen des deutschen Frauenfußballs. Körner hat bereits ein ausgezeichnetes Buch über das Thema geschrieben („Wir waren Heldinnen“). Der Film erzählt die Geschichte mit Hilfe von Zeitzeuginnen und vielen zeitgenössischen TV- und Wochenschau-Ausschnitten von den Anfängen in den 50ern bis zur siegreichen Heim-EM 1989.
mehr »

ARD schützt ihre Inhalte vor KI

Die ARD hat ihren Umgang mit Anbietern von KI geändert. Seit Ende Mai dürfen Unternehmen wie etwa Open AI, Perplexity oder Google (Gemini) Inhalte aus den Online-Angeboten der ARD nicht mehr nutzen, um damit ihre KI-Systeme zu trainieren. Das bestätigte der Senderverbund auf Nachfrage. Die ARD hat nun in ihre Webseiten einen sogenannten maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt technisch eingebaut. Damit wird KI-Crawlern signalisiert, dass sie die Inhalte dieser Angebote nicht verwenden dürfen.
mehr »

Internet: Journalismus unter Druck

Angesichts der Vielzahl von Beiträgen zum 30-jährigen Jubiläum des Internets arbeitet der Journalist Jann-Luca Künßberg in einem Gastbeitrag für Netzpolitik.org heraus, wie umfangreich die Online-Welt Journalismus selbst verändert hat. Enorm schnell, so Künßberg, habe der Geschäftsgedanke die Vision eines digitalen Versammlungsorts beiseitegeschoben.
mehr »