Was bedeutet digitale Transformation für Medienunternehmen in Umbruchzeiten? Wie sieht die „New Work“ nach der Pandemie aus? Welche kreativen Wege gibt es aus der Krise? Und unter dem Stichwort Plattform-Ökonomie für Verlage: Was können Zeitschriften- und Zeitungshäuser vom Spotify-Prinzip lernen? Um solche Fragen kreisten die Münchner Medientage auf ihrer digitalen Konferenz am Mittwoch.
„Der digitale Wandel ist ein permanenter Prozess“, sagte Susanne Aigner, Geschäftsführerin von Discovery Deutschland. Dieser Prozess habe sich aber im Gefolge der Pandemie nochmal um einiges beschleunigt. Zum Portfolio des Unternehmens gehören die Sender DMAX, TLC, Eurosport 1 und Home& Garden, seit Mitte 2020 auch der Free TV-Sender Tele 5. Discovery sei als Pay-TV-Unternehmen gegründet worden und habe bald auch werbefinanzierte Sender akquiriert und aufgebaut. Seit der Durchsetzung von non-linearen Plattformen gehe es aber vorrangig um die Frage: „Wo und wie erreichen wir die Konsumenten mit unserem Content?“
Für Jessica Peppel-Schulz, Geschäftsführerin der Verlagsgruppe Condé Nast, ist die digitale Transformation der Branche vor allem ein Wandel der „human culture“. Ihr Unternehmen (Vogue, GQ, Glamour) sei weniger stark vom Rückgang des Printgeschäfts getroffen als andere Wettbewerber. Dennoch sei man dabei, neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln: etwa den Aufbau der „Vogue Collection“ für E-Commerce oder die „Glamour Shopping Week“. Angestrebt werde mittelfristig eine Aufteilung des Geschäfts in je ein Drittel Print, Digitales und „Creative Consulting“.
Der Begriff „new work“ ist nicht neu, wurde aber während der digitalen Transformation zu einem heiß diskutierten Thema. Auch hier sorgt Corona für eine massive Beschleunigung, referierte der deutsch-türkische Blogger und Unternehmer Ibrahim Evsan in seinem Vortrag „Anders arbeiten – was wir während der Pandemie für die Zukunft gelernt haben“. Einige seiner Befunde: der klassische 9-17-Uhr-Job werde schon bald in den meisten Branchen der Vergangenheit angehören. Die Bindung an feste Arbeitsorte, standardisierte Zeiten und Organisationsstrukturen löse sich weiter auf. Die Arbeit der Zukunft werde flexibel und projektbasiert sein, mit wachenden Anteilen freiberuflicher Tätigkeiten und Homeoffice.
Diese Transformation könne nicht ohne Mitsprache der Mitarbeiter*innen gelingen. „New Work ist kein Programm, sondern eine Frage der Haltung, der Kultur und Führung“, so Evsan. Eine moderne Führung agiere auf Augenhöhe und basiere auf gegenseitiger Wertschätzung. Sie werde „mehr von Coaching als von Ansage geprägt“. Sie funktioniere eher als eine Art „Beziehungsmanagement“. Das Ego-Trip-artige „I have a dream“ werde abgelöst durch „We have a dream”. Denn, so Evsans Resümee: „Erst die Summe aus Talenten, Wissen und Können aller macht ein Projekt erfolgreich!“
Über „kreative Wege aus der Krise“ sprach ausgerechnet Michael Tallai, Geschäftsführer der Funke-Gruppe Thüringen. Zuletzt hatte die Gruppe eher Phantasie bei der Vernichtung von Arbeitsplätzen bewiesen, als sie kürzlich die Schließung ihres Druckzentrums in Erfurt Ende 2021 ankündigte. Betroffen sind 270 Mitarbeiter*innen. Nach Ausbruch der Pandemie verlegte Funke sich darauf, seine Logistik auch für diverse medienfremde Zustelldienste zu nutzen: etwa durch Kooperationen mit der größten Thüringer Bäckerei und einem Sterne-Restaurant. Brötchen zur Frühstückslektüre klingt erst mal nicht schlecht. Ob aber solche Dienstleistungen oder auch die Organisation von „Auto-Konzerten“ jemals zum Kerngeschäft eines Verlags zählen können, darf wohl eher bezweifelt werden.
Bietet die Plattform-Ökonomie eine interessante Monetarisierungschance für Verlage? Christian-Mathias Wellbrock, Professor für Medien- und Technologiemanagement an der Uni Köln sieht die Zukunft des digitalen Journalismus unter anderem in anbieterübergreifenden Plattformen. Der Vorteil solcher Modelle liege in einer Angleichung der Zahlungsbereitschaft potentieller Kunden. Auch ließen sich in der digitalen Welt neue Inhalte hinzufügen, ohne Zusatzkosten (etwa für Druck oder Vertrieb) zu kreieren. Sowohl aus Konsumenten- als auch aus Anbietersicht sei es „sehr wünschenswert, unterschiedliche Inhalte an einem Ort zu konzentrieren“, sagte Wellbrock.
Readly ist ein solcher One-Stop-Shop. Es handelt sich um eine Flatrate für Zeitschriften und Zeitungen, die funktional mit den Streaming-Diensten Netflix oder Spotify vergleichbar ist. Eine monatliche Gebühr gibt dem Nutzer online Zugriff auf über 4.800 Tausende Magazine, in denen man so viel und so lang lesen darf, wie man möchte. Für Jan-Sebastian Blender von Readly Deutschland besteht der Vorteil für beteiligte Verlage vor allem in zusätzlichen Vertriebsumsätzen sowie wertvollen Kundendaten. Dennoch hat sich das Prinzip „Readly“ noch nicht auf breiter Front durchgesetzt. Grund? „Die Verlage fürchten Kannibalisierung“, sagt Blender.
Katarzyna Mol-Wolf, Verlegerin des Frauenmagazins „emotion“ und geschäftsführende Gesellschafterin des Hamburger Verlags Inspiring Network, kann das bestätigen. Verleger interessiere vor allem, was sie für den Abruf ihrer eigenen Titel erhielten. Mol-Wolf ist seit 2014 auch Geschäftsführerin der Pocketstory GmbH, einer Online-Plattform, über die Printtexte aus deutschen Zeitschriften, Zeitungen und Büchern für Computer und mobile Endgeräte verkauft werden. Ihre Zeitschriften monetarisiert sie lieber über ihren eigenen Kiosk. Sie findet „Readly“ allenfalls „spannend als Mittel, neue Marken bekannt zu machen“. Eine verlagsübergreifende Lösung hält sie für unwahrscheinlich.
Medienwissenschaftler Wellbrock, gemeinsam mit Christopher Buschow Verfasser der Studie „Money for Nothing and Content for Free? Plattformen und Zahlungsbereitschaft im digitalen Journalismus“ glaubt, für verlagsfremde Kleinakteure sei es schwer, relevante digitale Reichweiten aufzubauen. Seine Prognose: „Wenn es nicht über eine Verlagskooperation läuft, werden es eines Tages die US-Konzerne machen.“