Vorratsdatenspeicherung unverhältnismäßig
WIESBADEN. Als erstes deutsches Gericht hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden die flächendeckende Aufzeichnung der Telefon-, Handy-, E-Mail- und Internetnutzung der gesamten Bevölkerung, der so genannten Vorratsdatenspeicherung, als unverhältnismäßig bezeichnet. (Beschluss vom 27.02.2009, Aktenzeichen 6 K 1045/08.WI) Der Europäische Gerichtshof wird aufgrund der vorliegenden Klage aufgefordert, die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und Internetdaten auf Vereinbarkeit mit den Grundrechten zu prüfen.
Im konkreten Fall ging es eigentlich um die Klage eines hessischen Landwirtschaftsbetriebes gegen die Veröffentlichung persönlicher Daten der dahinter stehenden Gesellschafter auf einem Portal, das die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung betreibt. Neben diesen Daten speichert der Portalbetreiber nach eigenen Angaben eine zeitlang die IP-Adressen der Nutzer.
In der vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Mitte März veröffentlichten Wiesbadener Entscheidung heißt es wörtlich: „Das Gericht sieht in der Datenspeicherung auf Vorrat einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Datenschutz. Sie ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig. Der Einzelne gibt keine Veranlassung für den Eingriff, kann aber bei seinem legalen Verhalten wegen der Risiken des Missbrauchs und des Gefühls der Überwachung eingeschüchtert werden.“ Der zu wahrende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei durch die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht gewahrt, weshalb sie ungültig sei.
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, der eine Verfassungsbeschwerde von über 34.000 Bürgerinnen und Bürgern gegen die Totalprotokollierung des Kommunikations- und Bewegungsverhaltens der gesamten Bevölkerung initiiert hat, begrüßt die Gerichtsentscheidung sehr. Er fordert SPD und Union nun auf, das neueste Vorhaben der Regierung zu stoppen, Internetanbieter künftig auch zur flächendeckenden Aufzeichnung des Surfverhaltens im Internet zu ermächtigen. Zum Stopp des Vorhabens, das vom Bundestag bereits in erster Lesung beraten wurde, hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung eine Kampagnenseite im Internet eingerichtet.
Anfang März hatte auch der Bundesrat gewarnt, die im Gesetzentwurf vorgesehenen „anlasslosen oder flächendeckend durchgeführten Speicherungen sämtlicher Nutzungsdaten“ seien mit dem Grundgesetz „nicht vereinbar“.