Wie die meisten ostdeutschen Städte ist Halle in Sachsen-Anhalt ein so genannter Ein-Zeitungs-Kreis. Dem lokalen Tageszeitungs-Monopolisten Mitteldeutsche Zeitung gehören noch zwei Anzeigenblätter, zwei Stadtmagazine, und er ist mehrheitlich am lokalen Fernsehkanal beteiligt. In diese publizistische Tristesse brachte Radio Corax im Jahr 2000 Farbe. Corax ist ein nicht-kommerzielles, lokales Bürgerradio. Es ist in Halle und Umgebung terrestrisch empfangbar sowie im Internet per Livestream.
Das Programm ist eine bunte Mischung aus Musikstilen, thematisch vielfältigen Sendungen mitunter in anderen Sprachen. Es gibt ein russischsprachiges Format, eine Sendung von Flüchtlingen, Transgenderradio, Väterradio und DDR-Rockmusik. Eine eigene Sendung zu bekommen, ist nicht sonderlich schwer, meint Mark Westhusen, langjähriger Geschäftsführer von Radio Corax: „Voraussetzung ist die Mitgliedschaft im Verein. Wir bieten Einstiegsworkshops an, man macht eine Probesendung, die wird auf der Redaktionskonferenz vorgestellt und diskutiert. Dann kann es losgehen.“ Radio Corax sendet 24 Stunden am Tag. Das Budget stammt größtenteils von der Medienanstalt Sachsen-Anhalt, die gibt circa 150.000 Euro pro Jahr. Dazu kommen noch um die 30.000 Euro, die Corax selbst erwirtschaftet, durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und über einen Förderverein. „Insgesamt ist das nicht viel, das meiste geht für die Miete und für Gehälter drauf“, sagt Westhusen. Eine Ausfinanzierung sehe anders aus, viele arbeiten an der Grenze der Belastbarkeit.
Damit es in Halle überhaupt ein Bürgerradio geben konnte, musste zuerst politische Überzeugungsarbeit geleistet werden. 1993 hatte sich der „Radioverein Corax e.v.“ gegründet. 1996 wurde nach erfolgreicher Lobbyarbeit von unten das Rundfunkgesetz geändert, seitdem sind nicht-kommerzielle Lokalradios in Sachsen-Anhalt zulässig und förderbar. 1998 veröffentlichte der Landesrundfunkausschuss eine Satzung zu nicht-kommerziellen Lokalradios. Es waren drei Frequenzen vorgesehen. Obwohl Corax der einzige Bewerber war, erhielt er vorerst keine Lizenz. Dass sich alles so lange hinzog, war wohl eine Mischung aus politischem Widerstand und der Trägheit der Verwaltung. Westhusen erinnert sich: „Es mussten auf jedem Fall viele Unterstützungsunterschriften gesammelt werden, um zu belegen, dass Corax breit aufgestellt ist. Man hatte offenbar Angst vor einem linksradikalen Autonomen/Antifa/Was-weiß-ich-für-Gespenster-Sender.“ Anfang 2000 gab es die Lizenz endlich, und im Juli desselben Jahres ging Corax auf Sendung. Seitdem bereichert das kleine Bürger-Radio die hallesche Medienlandschaft. „Bei Corax findet auch das statt, was anderswo unter den Tisch fällt, nicht massenkompatibel ist oder was sich beim Privatradio schlicht nicht als Umgebung für Werbeformate eigenen würde.“
Im Raum Halle empfangbar auf UKW 95,9
Lifestream auf http://radiocorax.de