Als im südafrikanischen Königreich Eswatini immer mehr Menschen für demokratische Reformen auf die Straße gingen, reagierten Polizei und Militär mit brutaler Gewalt. Mehr als 70 Menschen wurden nach Angaben der Opposition bei den Protesten Ende Juni und Anfang Juli getötet. Damit die Welt von den Massakern möglichst wenig mitbekam, drangsalierten die Schergen von König Mswati III. Reporter*innen und ließen das Internet abschalten.
Derweil verbreitete das Regime Fake-News. Das absurdeste Beispiel lieferte Prinzessin Sikhanyiso Dlamini in einem Interview mit der BBC. Gefragt, ob sie eingestehe, dass Menschen getötet wurden, erklärte die älteste Tochter des Königs, die zugleich als Informationsministerin eingesetzt ist: „Ausländische Söldner“, angeblich angeheuert von der Opposition, seien „ins Königreich eingedrungen“, um „abscheulichste Attacken“ zu verüben. „Die haben Straßensperren errichtet, Polizei- und Armeeuniformen getragen, die Bevölkerung infiltriert und Videos verschickt, die sie zeigen, wie sie selbst unschuldige Bürger attackieren“, malte die Prinzessin ihre Verschwörungstheorie aus. Um es kurz zu machen: Das ist ausgemachter Unsinn und erklärt auch keineswegs, warum Journalisten von Einsatzkräften auf Polizeiwachen gefoltert wurden.
Diese Erfahrung mussten die Reporter Magnificent Mndebele und Cebelihle Mbuyisa machen. Die beiden waren im Auftrag der südafrikanischen Nachrichtenplattform New Frame in Eswatini unterwegs, um nach den Protesten mit Verletzten und Augenzeugen tödlicher Übergriffe zu sprechen. Mehrmals wurden sie während ihrer Recherchen von Polizei und Militär bedrängt, bedroht und gezwungen, Aufnahmen zu löschen. Nachdem Mndebele und Mbuyisa die Beerdigung eines Mannes besucht hatten, der nach Angaben eines Augenzeugen hinterrücks von der Polizei erschossen worden war, wurden sie am Morgen des 4. Juli erneut an einer Straßensperre angehalten. Mit vorgehaltener Waffe wurden sie von Soldaten abgeführt und auf eine Polizeiwache gebracht, wo Beamte sie stundenlang verhörten, schlugen und traten. Schließlich wurden den beiden gar Plastiktüten über den Kopf gezogen. Die Praktik ist weltweit als Folter geächtet. Erst als ein Anwalt im Auftrag von New Frame intervenierte, wurden die Reporter am Nachmittag freigelassen.
„Kein Einzelfall“ seien die Repressalien, unterstrich New-Frame-Mitherausgeberin Monica Laganparsad. In der Tat wurden etliche weitere Journalisten bedroht oder angegriffen. Südafrikas öffentlich-rechtliche SABC zog deshalb ebenso wie der Privatsender Newzroom Afrika seine Mitarbeiter aus Eswatini ab. Das Media Institute of Southern Africa berichtete von mindestens zwei weiteren Übergriffen auf Journalisten, bei denen Sicherheitskräfte Hartgummigeschosse und Tränengas einsetzten. Zudem zwangen die Behörden den Netzbetreiber MTN während der Proteste den Internetempfang abzuschalten. „Die Sicherheitskräfte Eswatinis sind seit Jahrzehnten für ihr brutales Vorgehen gegen Journalisten, Gewerkschafter, Studenten und andere Pro-Demokratie-Aktivisten bekannt. Die Versuche, Journalisten und Aktivisten zum Schweigen zu bringen, zielen unter anderem darauf ab, das Ausmaß des Leids der Menschen in Eswatini gegenüber dem Ausland zu verheimlichen“, erklärte Laganparsad weiter.
Das zwischen Südafrika und Mosambik gelegene Eswatini, das bis 2018 noch Swasiland hieß, ist eine absolute Monarchie. König Mswati III. bestimmt die Regierung und das Gros der Parlamentsabgeordneten. Politische Parteien hatte schon sein Vater, König Sobhuza II., 1973 verboten, Mswati selbst erklärte dann 2013 auch den Gewerkschaftsbund TUCOSWA für illegal. Während der König mit seinen 15 Ehefrauen in zahlreichen Palästen residiert, mit dem Privatjet um die Welt fliegt und seinen Prunk zur Schau stellt, leben mehr als 60 Prozent seiner Untertanen von umgerechnet weniger als einem US-Dollar am Tag.
Die massive Unterdrückung der Bevölkerung und das Luxusleben der Königsfamilie führten bereits in der Vergangenheit immer wieder zu Protesten. Nachdem im Mai ein Student von Polizisten getötet worden war, richteten zahlreiche Anhänger der Demokratiebewegung zunächst Petitionen an den König – eine der wenigen formalen Beschwerdemöglichkeiten, die sie überhaupt haben. Kernpunkt ihrer Reformforderungen war, den Premierminister künftig vom Volk wählen zu lassen. Die Regierung untersagte daraufhin das Einreichen von Petitionen und schob die Eindämmung der Corona-Pandemie als Begründung vor. In der Folge kam es zu Protesten, bei denen auch Unternehmen angegriffen wurden, an denen der König beteiligt ist. Als der Monarch schließlich am 16. Juli erstmals wieder vor die Öffentlichkeit trat, verurteilte er entsprechend vor allem die Sachbeschädigungen als „satanische“ Akte von „Marihuana-Rauchern“. Über die Todesschüsse sprach er nicht, Fragen ließ Mswati III. nicht zu.
In einem offenen Brief forderten insgesamt 21 Pressefreiheits- und Menschenrechtsorganisationen den König nun auf, das selbst in der Verfassung Eswatinis verbriefte Recht auf Meinungsfreiheit zu gewährleisten, den Schutz von Journalisten zu garantieren und sicherzustellen, dass der Internetzugang nicht blockiert wird. Reagiert hat der Monarch bisher nicht. Aber er hat Fakten geschaffen: Auch den neuen Premier Cleopas Dlamini ernannte Mswati III. am 16. Juli eigenmächtig und ohne die Zivilgesellschaft einzubeziehen.