Taliban bedrohen Medienschaffende

Die Arbeit afghanischer Journalist*innen wird immer gefährlicher. Foto: AFP

Das brutale Vorgehen der Taliban zeigt, dass Journalist*innen in Afghanistan in akuter Lebensgefahr sind. Pressefreiheit gibt es nicht mehr. Seit der Machtübernahme haben rund 100 private Lokalmedien insbesondere in den Provinzen fernab der Hauptstadt Kabul ihre Arbeit eingestellt, berichten Reporter ohne Grenzen (RSF). Die Zukunft der in den vergangenen Jahren entstandenen Medienlandschaft Afghanistans mit ihren Fernsehstationen, Radiosendern und Printmedien sowie deren Mitarbeiter*innen ist mehr als ungewiss.

Die privaten afghanischen Fernsehsender, die noch aus der Hauptstadt senden, sind mittlerweile täglich Drohungen ausgesetzt. Ein Produzent*, der für einen überregionalen Privatsender arbeitet, sagte RSF: „In der vergangenen Woche haben die Taliban fünf Reporterinnen und Reporter und Kameraleute unseres Senders geschlagen und sie als ‚takfiri‘ [in diesem Zusammenhang etwa ‚Ungläubige‘] bezeichnet. Sie kontrollieren alles, was wir senden. Vor Ort sammeln die Taliban systematisch die Telefonnummern unserer Reporterinnen und Reporter und sagen ihnen: ‚Wenn ihr diesen Beitrag vorbereitet, werdet ihr dies und jenes sagen‘. Machen sie das nicht, werden sie bedroht.“

In den vergangenen Tagen haben die Taliban die einflussreichsten afghanischen Rundfunkmedien angewiesen, Video- und Audioaufnahmen mit Taliban-Propaganda zu senden. Wenn sich Medien weigern, „sagen die Taliban, es handele sich nur um Werbung und sie seien bereit, für die Ausstrahlung zu bezahlen. Sie bestehen darauf und verweisen auf unsere nationale oder islamische Pflicht“, so ein Journalist.

Frauen werden suspendiert

Insbesondere Journalistinnen erfahren schon jetzt Arbeitsverbote. Die bekannte Nachrichtensprecherin Khadija Amin vom staatlichen Sender Radio Television Afghanistan (RTA) wurde von den Taliban durch einen Mann ersetzt und nach eigenen Aussagen bis auf weiteres suspendiert. Auch ihre Kollegin Shabnam Dawran wurde nach Hause geschickt, als sie zur Arbeit gehen wollte. Als Begründung habe man ihr gesagt: „Die Regeln haben sich geändert. Frauen dürfen jetzt nicht mehr bei RTA arbeiten“. Das Arbeitsverbot kam nur einen Tag nach der Pressekonferenz der Taliban, in der sie versicherten, Frauen dürfen über ihren Beruf frei entscheiden.

Der Sprecher der Taliban kündigte am 21. August auf Twitter an, dass nun ein Komitee zur „Beruhigung der Medien“ eingesetzt werden soll. Der Ausschuss, der sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Kulturkommission und von Journalistenverbänden sowie einem hochrangigen Kabuler Polizeibeamten zusammensetzt, soll laut offiziellen Angaben „die Probleme der Medien in Kabul angehen“. Was tatsächlich dahinter steckt, ist unklar.

In den Provinzen, die weit von der Hauptstadt entfernt sind, ist der Druck auf Medienschaffende noch größer. Alle lokalen Büros des privaten Fernsehsenders Tolonews TV wurden geschlossen. In Masar-i-Scharif, der viertgrößten Stadt, wurden Journalistinnen und Journalisten gezwungen, ihre Arbeit einzustellen, berichtete RSF.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Filmtipp: Die Mutigen 56

Hin und wieder ist es gar nicht verkehrt, sich bewusst zu machen, wie gut es uns in vielerlei Hinsicht geht. Jedenfalls gemessen an anderen Zeiten. Vieles von dem, was uns heute selbstverständlich erscheint, musste erst erkämpft werden, zum Beispiel die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall; davon erzählt das sehenswerte Dokudrama „Die Mutigen 56 – Deutschlands längster Streik“.
mehr »

Spanien: Als Terrorist beschuldigt

Der katalanische Investigativjournalist Jesús Rodríguez hat Spanien verlassen, um ins Exil in die Schweiz zu gehen. Ihm wird von Ermittlungsrichter Manuel García-Castellón die Unterstützung terroristischer Akte vorgeworfen. Die Schweiz sieht im Vorgehen der spanischen Justiz gegen den Katalanen einen „politischen Charakter“.
mehr »

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »