Erstmals wurde in diesem Bundestagswahlkampf das Format der „Kanzler-Trielle“ im Fernsehen zur Meinungsbildung über die Bewerber*innen eingesetzt. Im Rahmen eines Web-Talks der Friedrich-Naumann-Stiftung diskutierten drei Kommunikations- und Politikwissenschaftler*innen, welchen Einfluss diese Trielle auf Wahlkampf und die Wahlentscheidung der Bürger*innen haben, auch im Unterschied zu den bisher gewohnten TV-Duellen zwischen Amtsinhaber*innen und Herausforderern.
Was weiß die politikwissenschaftliche Forschung über die Wirkungsweise von solchen medialen Großereignissen? Neben den präsentierten Informationen über die Kandidat*innen kann das Format verschiedene Funktionen erfüllen: die Mobilisierung der jeweiligen Anhängerschaft, die finale Überzeugungsarbeit „auf den letzten Metern“, die Verstärkung der Medienberichterstattung zu den eigenen Gunsten.
Kristina Weissenbach, Politikwissenschaftlerin an der University of Washington in Seattle (USA), zugleich Co-Sprecherin der Standing Group on Political Parties des European Consortium for Political Research, forscht seit langem zu Stellenwert und Wirkung von TV-Debatten in Bundestags- und Europawahlkämpfen. Ihr Hauptinteresse gilt unter anderem der Frage, inwieweit solche Duelle/Trielle potenziell demokratie- und partizipationsfördernde Wirkungen haben. Die Ergebnisse von – nicht repräsentativen – Vorher-Nachher-Befragungen unter Studierenden bei den beiden bisherigen Triellen bei RTL und ARD/ZDF ergaben interessante Einblicke.
Erstmals in der Geschichte dieses noch recht jungen TV-Formats existiert (wegen des Rückzugs von Angela Merkel) kein Amtsinhaberbonus. Die Mehrheit der Befragten attestiert einen solchen Bonus am ehesten Olaf Scholz, der mit Begriffen wie Kontinuität und Bodenständigkeit assoziiert wird. Armin Laschet und auch Annalena Baerbock rufen dagegen assoziativ eher den Begriff Wandel hervor. Was die Beurteilung der Kandidat*innen angeht, so wurden nach beiden Triellen Scholz und Baerbock als „tatkräftiger“ und „sympathischer“ bewertet. Das Attribut „überzeugend“ wurde im Ranking eher Scholz, weniger Baerbock, am wenigsten Laschet zugestanden – interessanterweise jedoch ohne relevanten Einfluss auf die Wahlpräferenzen.
Unter thematischen Aspekten gaben die Befragten an, nur geringe Erkenntnisgewinne in Bezug auf die Position der Kandidaten erhalten zu haben. Die Moderatorenteams, so die Kritik, sollten sich besser in Bezug auf die Themen absprechen und gegebenenfalls komplementär Problemkomplexe – z.B. Europa, Pflege, etc. – erörtern. Speziell beim zweiten Triell wurde die Sendung als „enttäuschend“, „durcheinander“ und „zu unruhig“ qualifiziert – ein Umstand, der vor allem der Moderation angelastet wurde. Auch hier schnitt in der Bewertung Kandidat Scholz am besten ab: ihm wurde das Attribut „gelassen“ zugeschrieben, während Laschet als „aufdringlich“ und „detailversessen“ bewertet wurde, Baerbock hingegen als „vermittelnd“ und „ausgleichend“. Was allerdings auch mit dem Setting – ihrer Position zwischen den männlichen Wettbewerbern – zusammenhängen könnte.
Können TV-Duelle Wahlen entscheidend beeinflussen? Zumindest in der Geschichte der Präsidentschaftswahlen in den USA gibt es dafür Beispiele, findet Klaus Kamps, Politikwissenschaftler an der Heinrich-Heine-Uni Düsseldorf: etwa den knappen Sieg von John F. Kennedy über Richard Nixon 1960. Auf deutsche Verhältnisse sei dies jedoch kaum übertragbar, da hier Parteien und nicht Kandidaten direkt gewählt würden. Kamps These: Nicht die TV-Debatten beeinflussten potenzielle Wähler*innen, „die größte Wirkung erzielt das Reden über die Trielle selbst.“ Für die Meinungsbildung der Zuschauer*innen, so ergänzte Weissenbach, sei darüber hinaus relevanter, was ihnen in den sozialen Medien von der eigenen Peergroup zugespielt werde.
Nur wenn ein Kandidat einen gravierenden Fehler mache, könne das Auswirkungen auf die Wahlentscheidungen einzelner haben. Auch das „überraschende Auftreten“ einer Kandidatin, das Abweichen vom Gewohnten, falle in diese Kategorie. Die Attacken von Laschet auf Scholz im zweiten Triell hätten diesen aus der Reserve gelockt und beim Publikum die Reaktion „Er ist ja doch ein Mensch“ (und nicht der bekannte „Scholzomat“) hervorgerufen. Ansonsten sehe jeder Zuschauer, jede Zuschauerin ein „anderes Triell, je nach Parteienpräferenz“.
Kamps hält das Format an vielen Stellen für verbesserungsfähig. Ähnlich wie Weissenbach plädierte er dafür, anstelle eines politischen Rundumschlags bei künftigen Triellen eher „themenzentriert“ vorzugehen. Vertiefung statt hektischem Abfragen allzu vieler Politikfelder. Er outete sich als „Fan von Townhall-Meetings“, also Kandidatencheck durch Bürgerforen. Etwas, was parallel von den Sendern (z.B. in der „ARD-Wahlarena“) auch in diesem Wahlkampf vereinzelt versucht wird.
Moderator Patrick Horst, Politologe an der Uni Bonn, wünscht sich bei den Triellen ein dezenteres Auftreten der Sender selbst. Schließlich gehe es nicht in erster Linie um die Reputation der Moderator*innen. Ein einziger Moderator reiche völlig aus; so ließen sich „Hahnenkämpfe“ wie beim zweiten Triell zwischen Köhr und Illner vermeiden.
Kamps monierte die „Horserace“-Berichterstattung der Sender. Alles werde auf Kampf zugespitzt, alles müsse gemessen werden. Viele inhaltliche Aspekte würden dagegen „hinter dem ganzen Rauch“ runterfallen. Seine skeptische Frage: „Ist das wirklich etwas, was die Demokratie braucht?“