Türkei: Strafe wegen Satire nicht rechtens

Foto: Pixabay

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Türkei wegen Verletzung der Meinungsfreiheit verurteilt. Die Bestrafung eines Mannes wegen zweier satirisch-kritischer Facebook-Posts über Präsident Recep Tayyip Erdogan verstieß gegen die Meinungsfreiheit, urteilte der Gerichtshof am 19. Oktober in Straßburg. Die Türkei wird aufgefordert, das zugrundeliegende Gesetz zu ändern und dem Kläger 7.500 Euro Schadenersatz zu zahlen.

Ein 2014 von dem Mann auf Facebook geteilter Post zeigte laut dem Gerichtshof für Menschenrechte den damaligen US-Präsidenten Barack Obama, wie er einen in Frauenkleidern steckenden Erdogan küsst. Erdogan wurden auf Kurdisch Worte in den Mund gelegt, die sich auf den Syrien-Krieg beziehen: „Wirst Du das Eigentum an Syrien in meinem Namen eintragen lassen, mein lieber Ehemann?“ 2016 folgte ein Post, auf dem Erdogan und ein weiterer türkischer Politiker zu sehen waren, wozu unter anderem geschrieben stand: „Mögen die Luxus-Leben, die Ihr dank gestohlener Träume führt, in den Tiefen der Erde begraben sein.“

Der Mann wurde aufgrund eines Artikels des türkischen Strafgesetzbuches, das für den Präsidenten höheren Schutz als für andere Menschen vorsieht, zu knapp einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Zwei Monate musste er in Untersuchungshaft verbringen. Sein juristisches Vorgehen in der Türkei blieb erfolglos.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte nun (AZ: 42048/19), dass der Staat zwar ein legitimes Interesse am Schutz seines Oberhauptes haben könne. Das rechtfertige aber nicht, dem Präsidenten durch härtere Sanktionen einen privilegierten Status zu gewähren, wo es um die Ausübung der Meinungsfreiheit gehe. Darüber hinaus hänge die Angemessenheit von Eingriffen in die Meinungsfreiheit oft davon ab, ob die Behörden auch andere als strafrechtliche, zum Beispiel zivilrechtliche Mittel, einsetzen könnten.

 

 

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Verzögerung in Fretterode-Verfahren

Sieben Jahren verschleppt: Der brutale Angriff von zwei Rechtsradikalen auf Journalisten im Jahr 2018 kommt auch in der Berufung einfach nicht vor Gericht. Sven Adam, Anwalt der bei dem Überfall erheblich unter anderem mit Schraubenschlüssel, Messer und Baseballschläger verletzten Journalisten, kritisiert das erneute Justizversagen und erhebt wieder eine Verzögerungsrüge gegen das Gericht im thüringischen Mühlhausen.
mehr »

Honduras: Gefahr für Medienschaffende

Nicht nur unter Berichterstatter*innen waren die Erwartungen an die erste Frau im honduranischen Präsidentenpalast enorm hoch. Doch Xiomara Castro, die sich im Wahlkampf und nach ihrer Vereidigung im Januar 2021, verbal für Menschenrechte und die Pressefreiheit stark gemacht hatte, ist vieles schuldig geblieben, erklärt Journalistin und Medienanalytikerin Dina Meza.
mehr »

Rechtes Rauschen im Blätterwald

Ob Neuerscheinungen, Zusammenlegungen, Relaunches oder altgediente rechte Verlage: Was die Periodika der Neuen Rechten, ihrer Parteien, Organisationen oder auch einflussreicher kleinerer Kreise anbetrifft, lässt sich gerade angesichts des rechtspopulistischen Aufschwungs der letzten etwa 20 Jahre viel Bewegung ausmachen.
mehr »