Justitia: Im Zweifel eher zugeknöpft

Prozessbeginn am 23. April 2020 im Oberlandesgericht Koblenz: Den zwei Angeklagten wird die Beteiligung an syrischer Staatsfolter vorgeworfen. Die Bundesanwaltschaft spricht vom weltweit ersten Strafverfahren gegen Mitglieder des Assad-Regimes wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Die aufgrund der Corona-Pandemie gesperrten Plätze zwischen Journalisten und Besuchern sind mit Zetteln gekennzeichnet. Foto: picture alliance/dpa/AFP Pool/Thomas Lohnes

Deutsche Gerichte entscheiden mitunter maßgeblich, wieviel die Öffentlichkeit von augenscheinlich bedeutsamen Verfahren erfährt

Gerichtsverhandlungen sind öffentlich. Dass Medien über die Arbeit der Justiz, über Prozesse, Hintergründe und Urteile berichten, gehört zu ihren Aufgaben und ist wichtig für die Akzeptanz des Rechtsstaats. Wenn es, speziell bei Großverfahren, in der Zusammenarbeit von Justiz und Presse hakt, wird das leicht selbst zum Thema. „Neue Maßstäbe an die Leidensfähigkeit“ von Gerichtsreportern beklagten kürzlich Kolleg*innen der „Süddeutschen Zeitung“. Strukturelle Probleme dahinter werden seltener debattiert.

„Wie die Münchner Justiz mit Journalisten umgeht“ kritisierten drei Journalist*innen in der SZ. Sie beklagten Zustände, die kaum glauben ließen, „dass das alles nicht gegen sie gerichtet ist“. Schon beim Dieselskandal-Prozess gegen Ex-Audi-Chef Rupert Stadler im Herbst 2020 habe man sich auf Campinghockern die Nacht um die Ohren schlagen müssen, um rechtzeitig einen der raren Presseplätze zu besetzen. Als Jerome Boateng Anfang September 2021 eine Millionen-Strafe einstecken musste, gab es erst nach Umzug in einen größeren Saal coronabegründet ganze sechs Presseplätze. dpa habe deshalb bereits 24 Stunden zuvor jemanden vor den Eingang gestellt. In dem kleinen Sitzungssaal, wo über zweieinhalb Jahre gegen die Islamistin Jennifer W. verhandelt und zuletzt geurteilt wurde, so die Kritik, habe sich die Justiz plötzlich genau die zwei Plätze reserviert, wo ein Tisch vorhanden gewesen wäre – und sie dann unbesetzt gelassen.

Neu sind solche Klagen nicht. Vor zehn Jahren flog das NSU-Mord-Trio auf. 2013 führten dann Kontroversen um die Journalisten-Akkreditierung sogar zu verzögertem Beginn des NSU-Prozesses in München. Dem ursprünglichen „Windhundrennen“ bei der Vergabe von Presseplätzen folgte nach Einspruch des Bundesgerichtshofes eine mittels Losverfahren nach Kontingentbildung. Auch dagegen klagten leer ausgegangene Redaktionen. Journalistinnen der „Süddeutschen“ waren es dann, die von jedem der Prozesstage ein detailliertes Protokoll fertigten. „Es gibt niemand, der diesen Prozess aufnimmt“, erklärte SZ-Gerichtsreporterin Annette Ramelsberger. Man habe sich zur Dokumentation verpflichtet gefühlt, „weil es ein historischer Prozess ist“.

Konfliktträchtiges Interessendreieck

„Es be­steht kein An­spruch der Jour­na­lis­ten dar­auf, zu ei­nem Pro­zess auf je­den Fall Zu­tritt zu er­hal­ten. Ge­ra­de bei auf­se­hen­er­re­gen­den Ver­fah­ren sind die Ge­richts­sä­le fast im­mer zu klein. Dann müs­sen Pres­se­ver­tre­ter die Be­schrän­kung ih­rer Ar­beits­mög­lich­keit auch ein­mal hin­neh­men“, erinnert die Initiative Tageszeitung in ihrem Onlinelexikon Presserecht. Doch existieren gerade in Bayern Presserichtlinien für die Zusammenarbeit von Justiz und Medien, die eine „zielorientierte und sachgerechte Zusammenarbeit“ betonen. Zumindest mit Blick auf 2022 bevorstehende Verfahren von bundesweitem Interesse – Wirecard, Dieter Wedel und die CSU-Masken-Deal-Profiteure – tut man im Münchner Strafjustizzentrum gut daran, rechtzeitig über bessere Arbeitsbedingungen für die Presse nachzudenken.

Freilich: Wenn alles gut läuft, wie etwa beim Prozess um den Anschlag auf die Synagoge in Halle, redet kaum jemand darüber. Obwohl hier extra nach Magdeburg umgezogen wurde und Journalist*innen aus dem größten verfügbaren Saal sogar bloggen und twittern durften. Doch ist das Interessen- und „Grundrechtsdreiecks“ zwischen Journalist*innen, Justiz und Beschuldigten in Strafprozessen immer konfliktträchtig. Die Medien begründen ihre Auskunftsansprüche mit Artikel 5 Grundgesetz, einem scharfen Schwert, und können sich auf Landespressegesetze berufen. Und auf journalistischer Seite ist in den letzten Jahren der Druck immens gestiegen: Schnelligkeit ist Trumpf, Online hat Print längst überholt. Handy- und Laptopverbote in Gerichtssälen sind anachronistisch, doch – wie der Lübcke-Prozess in Frankfurt/Main zeigte – noch immer nicht ausgeschlossen. Zugleich werden regelrechte „Gerichtsreporter*innen“ in Redaktionen rar. Nicht selten schickt man zu Prozessen Volontär*innen oder gar Praktikant*innen, denen Fachkenntnisse und Erfahrung im Metier fehlen. Das betrifft nicht nur Lokalmedien, denen vor Jahren auch mal „unterschichtenorientierte“ Berichterstattung über Straftaten vorgeworfen wurde.

Auf Justizseite bedeutet das: die Anforderungen an Medienarbeit in den Gerichten, an Pressestellen und Prozessbeteiligte wachsen. Zeit- und Konkurrenzdruck machen Pressevertreter zu anspruchsvoll-fordernder „Kundschaft“, die nicht immer anerkennt, was Unschuldsvermutung und Zeugenschutz gebieten und dass Auskunftsansprüchen Grenzen gesetzt sind. Juristische Arbeit wird auch selbst immer komplexer. Verschiedene Prozessbeteiligte – Staatsanwaltschaften, Verteidigung oder Nebenkläger – agieren auf unterschiedlichen Interessenlagen. Doch im Gerichtssaal hat noch immer die/der Vorsitzende das Sagen. Und Richter scheuen vor allem Verfahrensfehler. Mitunter entsteht der Eindruck, dass sie am liebsten Ruhe vor der Medienmeute und dem Rummel haben, der sie zusätzlich belastet. „In dubio pro silentio“ hat ein erfahrener TV-Kollege das Dilemma benannt.


Politischer Wille fehlt

„Es ist seit Langem bekannt, dass die Gerichtssäle für Prozesse von großem öffentlichen Interesse oft zu klein sind und Journalist*innen nicht selten weitere Steine in den Weg gelegt werden, die eine freie Berichterstattung einschränken. Die dju in ver.di hat dies zu zahlreichen Gelegenheiten, etwa dem Beginn des NSU-Prozesses, an die Verantwortlichen adressiert. Da sich bisher wenig geändert hat, müssen wir konstatieren, dass offenbar der politische Wille dazu fehlt. Ähnliches beobachten wir beim Verhältnis zwischen Medienschaffenden und Polizei. Auch bei staatlichen Institutionen scheint mancherorts ein mangelndes Bewusstsein über die grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit und ihre Rolle in der Demokratie vorzuherrschen. Der Presserat, zu dessen Trägern auch die dju in ver.di gehört, und die Innenministerkonferenz stimmen derzeit neue Verhaltensgrundsätze für Medien und Polizei ab. Es wäre dringend nötig, dass auch die Justizministerkonferenz gemeinsame Verfahrensstandards für die Medienarbeit der Gerichte auf den Weg bringt.“
Monique Hofmann, Bundesgeschäftsführerin der dju in ver.di

Aus der Geschichte gelernt?

Die Folge von Verweigerung: Kaum Berichterstattung und vor allem keine Dokumentation. Das ist auch, was engagierte Beobachter und Reporter*innen aktuell im Oberlandesgericht in Koblenz umtreibt. Hier wird seit April 2020 über zwei ehemalige syrische Geheimdienstmitarbeiter verhandelt. Der eine, Eyad A., wurde im Februar wegen Beihilfe zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Dabei hat das Gericht die Folterpraktiken des Assad-Regimes als „systematischen Angriff auf die Zivilbevölkerung“, also als Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Völkerrecht gewertet. Für Anwar R., den mutmaßlichen Folterknecht der berüchtigten Al-Khatib-Abteilung in Damaskus, läuft der Prozess voraussichtlich noch Monate weiter. Ihm werden als Vernehmungschef zumindest 58 Morde und Folter in 4000 Fällen vorgeworfen. Wichtiges Beweismittel sind rund 26.000 Fotos von Folteropfern, die sogenannten Caesar-Files.

Das Verfahren ist international bisher einmalig und in der Bundesrepublik auf Basis des „Weltrechtsprinzips“ möglich, wonach schwere Menschenrechtsverletzungen auch fernab der Tatorte verfolgt werden können. „Historisch“ nannte Bundesjustizministerin Lambrecht den Prozess. Er sende die Botschaft aus, dass sich Kriegsverbrecher „nirgendwo sicher fühlen“ dürfen. Die Marburger Strafrechtsprofessorin Stefanie Bock sieht darin „ein bisschen die Antwort auf die Nürnberger Prozesse“. Das Verfahren zeige, dass Deutschland aus seiner Geschichte gelernt habe. Tatsächlich werden an inzwischen 96 Verhandlungstagen unter Anhörung vieler Sachverständiger und Zeugen Hintergründe und Zusammenhange „sehr gründlich aufgearbeitet und tiefe Einblicke in das System ermöglicht“, sagt SWR-Redakteurin Tina Fuchs, die auch aus Koblenz berichtet. Dass die Öffentlichkeit so wenig davon erfährt, nennt sie „verheerend“ und eine „vertane Chance“. So bleibe die mühevolle, detaillierte Suche nach der Wahrheit im kleinen Kreis des Gerichtssaals. Auch für eine künftige Friedensbildung in Syrien sei das „bitter“.

Samar Al Bradan protokolliert im Oberlandesgericht für das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) den Prozess um die Beteiligung an syrischer Staatsfolter. (07.07.2021)
Foto: picture alliance/dpa/Thomas Frey

Fuchs steht mit ihrer Kritik nicht allein. Gute Voraussetzungen für Berichterstattung seien „überhaupt nicht gegeben“. Das beginne bei der Entscheidung für den Verhandlungsort. Warum nicht Berlin, wo Anwar R. festgenommen worden war? Welches Medium berichte ständig aus Koblenz? Auch gab es für den erwartbar langwierigen Prozess im Corona-März 2020 nur acht Tage zur Akkreditierung, viele Medien bekamen das nicht oder zu spät mit, arabischsprachige zumal. Nachakkreditierungen? Fehlanzeige. Gerichtssprache ist Deutsch verkündete man dann, als gefordert wurde, die für Angeklagte und Nebenkläger gelieferte Übersetzung auch syrischen Journalisten zugänglich zu machen. Erst das Bundesverfassungsgericht erwirkte mit Hinweis auf das große Informationsbedürfnis – hierzulande leben über 800.000 Syrerinnen und Syrer – einen Sinneswandel, der aber nur „akkreditierten Journalisten“, zwei an der Zahl, zugutekommt. Nicht-Akkreditierte müssen weiter versuchen, dem Geschehen auf Deutsch zu folgen. „Und wenige Meter von ihnen entfernt findet die Übersetzung statt, aber sie bekommen diese Geräte nicht“, kritisierte etwa auch taz-Korrespondentin Sabine am Orde.

Es ist Vertretern von NGO zu danken, dass über jeden Prozesstag Protokolle gefertigt und Zusammenfassungen veröffentlicht werden. Deutschen Medien gingen Aussagen wichtiger Sachverständiger und Zeugen schon durch die Lappen, auch weil die Pressestelle – mit Hinweis auf den Zeugenschutz – vorab nicht informierte. Für Tina Fuchs ein zweifelhaftes Argument, zumal Zeugen dann im Gerichtssaal sogar ihre Adresse laut angeben sollten. Doch vorab annähernd zu wissen, wer geladen sei, bestimme die redaktionelle Entscheidung, einen Verhandlungstag in Koblenz zu besetzen oder nicht.

Offener für Medien und Nachwelt

„Wozu gibt es Prozesse: Ja wohl nicht nur, um Täter zu überführen und zu bestrafen, sondern auch um Unrecht aufzuklären und den Opfern Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen“, sagt Fuchs. Dass man in Koblenz die historische Bedeutung des Prozesses wohl unterschätzt, belege schließlich die Tatsache, dass Tonaufnahmen mehrfach abgelehnt wurden. Während der Beweisaufnahme begründete das der Staatschutzsenat damit, Aufzeichnungen könnten das Aussageverhalten der Zeugen beeinflussen. Auch als es darum ging, wenigstens die Schlussplädoyers und die Urteilsverkündung zu dokumentieren, um sie der Nachwelt zugänglich zu machen, bezweifelte man die Relevanz des Verfahrens für Deutschland.

In Sachen Tonaufnahmen gibt es – im Unterschied zu vielen anderen Fragen im Verhältnis zwischen Justiz und Presse – eine gesetzliche Grundlage. Nach einer Änderung im Gerichtsverfassungsgesetz ist es seit 2018 möglich, Tonübertragungen von Verhandlungen etwa in einen separaten Pressearbeitsraum zuzulassen. Außerdem wurden Tonaufnahmen von Verhandlungen einschließlich Urteilsverkündungen „zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken“ zulässig, wenn eine herausragende zeitgeschichtliche Bedeutung für die Bundesrepublik gegeben ist. Die muss man eben nur sehen (wollen)…

Aus dem Koblenzer Verfahren ist dringend zu lernen. Mit Blick auf bevorstehende weitere Prozesse um syrische Verbrechen gegen die Menschlichkeit sollte man „zumindest eine transparentere, medienfreundlichere Basis schaffen“, so Tina Fuchs.

Nicht nur unter Journalist*innen, auch in Teilen der Justiz sieht man das so; einige machen grundsätzlichen Handlungsbedarf zur Qualifizierung von Öffentlichkeitsarbeit aus. Die Erkenntnis, dass kooperative Zusammenarbeit mit den Medien bei Strafverfahren von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung, aber bislang ungenügend geregelt ist, mündete bereits 2019 in den Gesetzentwurf eines Expertengremiums. Die Initiative zielt auf eine Ergänzung der Strafprozessordnung durch einen vier Paragraphen umfassenden Abschnitt „Medienarbeit“. Art, Zuständigkeit und Verfahren von Auskunftserteilung würden so bundesweit einheitlich bestimmt und aufgewertet. Nach anfänglichem Interesse bei SPD und FDP gäbe es aus dem politischen Berlin keine aktuellen Rückmeldungen in der Sache, so Prof. Robert Esser, Mitinitiator der Novelle. Auch diesjährige Frühjahrsberatungen der Justizministerkonferenz zu „Grundlagen der Medienarbeit der Justiz in Strafverfahren“ verliefen im Sande. Die Debatte werde jedoch fortgeführt.


Lieber zu viel aufnehmen als zu wenig

Gesetzliche Möglichkeiten zur Tondokumentation kaum genutzt

Bereits im Juli hatten 23 deutsche und internationale Juristen, Wissenschaftler und Organisationen beantragt, zumindest die Schlussphase des Prozesses zu Staatsfolter in Syrien aufzuzeichnen. Das Gericht in Koblenz hat das abgelehnt. M sprach mit Dr. John Philipp Thurn vom Vorstand des Forums Justizgeschichte. Der Verein gehört zu den Initiatoren des Antrags.

Wie bewerten Sie die Koblenzer Ablehnung einer Audiodokumentation?

Dr. John Philipp Thurn, Richter am Berliner Sozialgericht, seit 2016 Mitglied im Vorstand des Forums Justizgeschichte e.V. Foto: Paul Wagner

Aus unserer Sicht ist das auch rechtlich gesehen die falsche Entscheidung, weil der Prozess durchaus für die Bundesrepublik Deutschland von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung ist. Wann sonst sollte eine Tonaufzeichnung geboten sein, wenn nicht in diesem Verfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch, das sich zum ersten Mal mit Menschenrechtsverletzungen in einem diktatorischen System wie Syrien befasst? Die Ächtung solcher Straftaten ist ein Anliegen der ganzen Menschheit. Wie man damit beim ersten Verfahren hier in Deutschland umgegangen ist, wird in ein paar Jahrzehnten die historische Forschung ganz sicher interessieren.

Eine Möglichkeit, gegen die Ablehnung vorzugehen, gibt es aber nicht. Es ist dazu kein förmlicher Beschluss mit Begründung ergangen, es gab nur ein Schreiben an die Antragsteller. Hier zeigt sich, dass die Justiz vielleicht nicht die richtige Akteurin ist, Entscheidungen über solche Tonaufnahmen zu treffen.

Und wer sollte stattdessen entscheiden?

Wir haben da bisher keinen ausgearbeiteten Reformvorschlag, aber sinnvoll wäre womöglich eine neutrale Stelle, das könnten die zuständigen Landesarchive oder das Bundesarchiv sein.

In der Justiz gibt es zumindest eine starke Tendenz, im Zweifelsfall alles zu machen, wie man es gewohnt ist. Sich nicht abhängig zu machen von äußeren Einflüssen und Erwartungen ist ja in Sachen Unabhängigkeit etwas Gutes. Doch wenn das zu Abschottung führt und spätere Aufarbeitung verhindert, ist es problematisch.

Sie halten die Justiz gar für „strukturell wenig geeignet“, Sachwalterin zeitgeschichtlicher Interessen zu sein?

Ein Gericht schaut immer mit einer spezifischen Brille und prozessrechtlichen Logik auf solch ein Verfahren – wie kann es konform mit der Prozessordnung laufen, wie können Fehler vermieden werden. Eine zu stark beschnittene Öffentlichkeit wäre ein revisionsrechtliches Problem, eine vielleicht zu stark erweitere Öffentlichkeit könnte unter Umständen auch ein Problem darstellen. Abzuschätzen, welches Verfahren in die Zukunft projeziert zeitgeschichtlich Bedeutung erlangen dürfte, erfordert eine andere Sicht. Wenn es allein nach der bundesrepublikanischen Justiz gegangen wäre, hätten wir vermutlich keine Mitschnitte vom Frankfurter Ausschwitz-Prozess oder aus dem Stuttgart-Stammheim-Verfahren gegen die RAF, heute wertvolle historische Quellen.

Also wäre es sinnvoll, eher mehr als zu wenig aufzunehmen?

Auf jeden Fall. Die Aufnahmen müssten ja ohnehin dem zuständigen Archiv angeboten werden. Ob die Dokumentation für bedeutsam genug erachtet wird, entscheidet dann das Archiv.

Und generell, was folgt aus der Koblenzer Erfahrung für die Zukunft?

Trotz der gesetzgeberischen Möglichkeiten haben hierzulande Gerichte Tonaufnahmen zu externen Zwecken – für die zeitgeschichtliche Forschung und spätere journalistische Recherchen – nicht primär im Blick. Bei den internationalen Gerichten, etwa in Den Haag, ist das etwas anderes, da wird generell aufgezeichnet. Doch wir haben schon die Hoffnung, dass auch deutsche Gerichte ihrer historischen und wissenschaftlichen Verantwortung, die sie sekundär auch haben, noch besser gerecht werden. Inzwischen gibt es ja erste Beispiele, dass solche Aufzeichnungen angefertigt wurden. Ob das jetzige Ermessen für Gerichte, solche Aufnahmen zuzulassen oder nicht, gesetzlich weiter eingeschränkt werden sollte, wäre vielleicht zu bedenken. Auch eine Beschwerdemöglichkeit gegen ablehnende Entscheidungen.

 

 

 

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