„Die Querköppe“ seit zehn Jahren in ver.di

Im Schatten vieler periodisch erscheinenden Gewerkschafts-Medien gedieh in Berlin im Stillen ein bis heute erfolgreiches Online-Zeitungsprojekt. Ehrenamtlich von Medienschaffenden im (Un-)Ruhestand konzipiert, wird es engagiert gepflegt. „Die Querköppe“ gibt’s nun schon seit zehn Jahren – und längst ist das 12seitige Online-Magazin aus Berlin-Brandenburg auch bundesweit bekannt, obwohl oder weil es nur im Internet verfügbar ist.

Peter Asmussen war Vorstandsmitglied der Senior*innengruppe im ehemaligen ver.di-Fachbereich 8 (Medien, Kunst und Industrie) des Landesbezirkes Berlin-Brandenburg. Den früheren Schriftsetzer und engagierten Gewerkschafter wurmte es, dass das Mitgliederinteresse konstant auf niedrigem Niveau verharrte. „Wir müssen mehr informieren über unsere Arbeit, uns bekannter machen“, appellierte er in den Vorstandssitzungen und schlug ein Zeitungsprojekt vor. „Da wurde ich erst einmal ein bisschen komisch angeguckt“, erinnert er sich. Denn an Printpublikationen aus dem Hause ver.di mangelt(e) es tatsächlich nicht – auch für (ehemalige) Medienschaffende.

Die von Peter Asmussen gebastelte Nullnummer mit der Zielgruppe 55plus überzeugte die Skeptiker*innen im Vorstand schließlich. „Wir waren uns einig – die Zeitung sollte unkonventionelle, kritische, freche und auch gegen den Strich gebürstete Artikel, Glossen und Meinungsäußerungen enthalten“, schildert er und fügt hinzu: „Deshalb musste es einfach ‚Die Querköppe‘ heißen, der Namen drängte sich damals auf.“

„Heute bin ich nicht mehr sehr glücklich mit diesem Namen“, räumt der Zeitungsinitiator ein. Zu leicht werden „die Querköppe“ mit den sogenannten Querdenkern assoziiert – sehr zu Unrecht, wie nicht nur die treuen Leserinnen und Leser des eher dem linken Spektrum zuzuordnenden Onlinemagazins wissen. Doch inzwischen ist der Bekanntheitsgrad einfach zu groß, um im immerhin zehnten Erscheinungsjahr den Titel zu ändern.

Der bisher zuständige Fachbereichsleiter Andreas Köhn, heute Gewerkschaftssekretär für die Kunstfachgruppen in Berlin-Brandenburg, hat weiterhin den Hut für „Die Querköppe“ auf. Er würdigt das große ehrenamtliche Engagement der aktuell vierköpfigen Redaktionstruppe: „Es ist gut und wichtig und in der ver.di-Publikationslandschaft einmalig“, und zeigt sich überzeugt: „Jede Gewerkschaftspublikation ist wichtig, auch wenn oder weil sie nur einen Teil der Mitglieder erreicht. Da haben ‚Die Querköppe‘ in den zehn Jahren viel geleistet.“

Wer ein bisschen im Archiv der Onlinezeitung blättert, stellt schnell fest, dass die Redaktion ihrem Anspruch, unkonventionell, kritisch und frech zu sein, am Anfang näher war als in den späteren Jahren. In der zweiten und fünften Ausgabe schoss sie voll gegen den DGB-Chef. Doch es gab keinerlei Reaktion. Auch spätere Beiträge, die eigentlich zum Widerspruch reizen mussten, blieben ohne Resonanz. Dennoch: Die Redaktion machte weiter auf Missstände aufmerksam, legte den Finger in die Wunden. Zum Beispiel bei der Schließung der ver.di-Jugendbildungsstätte Berlin-Konradshöhe. „Das war ja ein Skandal. Eine Bildungsstätte nach der anderen verschwand. Dabei weiß doch jeder, wie wichtig gewerkschaftliche Bildung ist“, ärgert sich Peter Asmussen noch heute.

Dass das Kämpferische verloren gegangen ist, bedauert „Urgestein“ Asmussen: „Früher haben wir in der Redaktionskonferenz mehr über Themen gesprochen und gestritten.“ Inzwischen wird oft nur noch eingesammelt, was vorhanden ist oder was in absehbarer Zeit noch erstellt werden kann. „Das größte Manko ist, dass wir zu wenig über unsere eigenen tollen Veranstaltungen berichten“, seufzt Asmussen. Er erinnert beispielsweise an eine stark besuchte Antisemitismusdiskussion, zu der als Referent der Kölner Claus Ludwig eingeladen war. Zwar waren im Vorfeld dessen Buch „Antisemitismus?! – Gegen antideutsche Mythen und die Umdeutung des Begriffes“ vorgestellt und ein ausführliches Interview mit ihm veröffentlicht worden, doch eine Nachbetrachtung fehlte.

Eine Stärke der „Querköppe“-Berichterstattung ist offenbar (und nachvollziehbar) das Thema Rente. Das ist hauptsächlich Annemarie Görne und Wolfhard Besser zu verdanken, die wie Angelika Kurowski von Anfang an zum Redaktionsteam gehörten. Die Rentenproblematik hält auch Andreas Köhn für „ein ganz wichtiges gewerkschaftliches Thema, das eng mit der aktuellen Tarifpolitik verknüpft ist. Ohne Tariferhöhung gibt es auch keine Rentenerhöhung“, bekräftigt er.

Pandemiebedingt gibt’s leider keine Feier anlässlich des 10. Geburtstages. „Wir machen erst einmal so weiter wie bisher“, lässt Peter Asmussen wissen. Und er koordiniert und gestaltet  die Ausgaben weiter. Mit ihm steht oder fällt dieses durchaus erfolgreiche Projekt. Auch wenn es ein gewerkschaftlich-publizistisches Mauerblümchen im Schatten der namhaften ver.di-Publikationen bleibt.

 

 

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