Kein Platz für Hassreden in den Medien

Ob Flüchtlinge in Deutschland, ob Roma in Italien, die Hassreden in sozialen Medien werden immer mehr. Die italienische Tageszeitung „La Stampa“ hat deshalb am 9. August in ihren Leserkommentaren alle rassistischen Äußerungen gelöscht. Der Tagesthemen-Kommentar von Anja Reschke (NDR) gegen Hassprediger am 5. August hat große Resonanz erzeugt. Um die entschlossene journalistische Gegenwehr gegen solche Hassreden zu unterstützen, ist die Europäische Journalistenföderation (EJF) jetzt der Initiative „Carta di Roma“ beigetreten.

Die EJF, zu der auch die dju in ver.di gehört, unterstützt damit eine Bewegung, die offiziell im Dezember 2011 in Italien entstanden ist, aber schon auf einem Kodex des „Consiglio Nazionale dell’Ordine dei Giornalisti“ (CNOG), also des Rats der italienischen Journalisten, sowie der „Federazione Nazionale della Stampa Italiana“ (FNSI) vom Juni 2008 beruht. Die Mitglieder dieser Organisationen haben sich darin zu einer korrekten Berichterstattung über Einwanderung und Flüchtlinge verpflichtet.

Die EJF will mit diesem Beitritt ihre Mitglieder in ganz Europa dazu aufrufen, sich der Gefahr der Diskriminierung in der Berichterstattung bei Migrationsfragen bewusst zu sein. „Journalisten sollten sich trauen, Hassreden öffentlich zu bekämpfen. Sie haben die ethische Verpflichtung, rassistische und diskriminierende Botschaften und Kommentare, die zu Hass, Gewalt oder Verfolgung anderer Menschen aufrufen, deutlich entgegenzutreten“, sagt Ricardo Gutiérrez, Generalsekretär der EJF.

Neben dem Kommentar von Anja Reschke, die sagte, dass „Hassprediger verstehen müssen, dass die Gesellschaft ihr Verhalten nicht toleriert“, und der Redaktion der Tageszeitung „La Stampa“, die ihren Lesern die Löschung mit deutlicher Begründung mitteilte, zitiert die EJF auch den belgischen Journalisten Julien Vlassenbroek. Der Fernsehreporter hatte dazu aufgerufen, der ausufernden Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten, die sich auf Facebook nach seinem Bericht über Flüchtlinge in Belgien breitgemacht hatte. Vlassenbroek schrieb dazu: „Es ist entmutigend, solch eine riesige Zahl von Kommentaren voller Hass und Unwissen zu sehen.“

Für Gutiérrez von der EJF sind diese drei Beispiele offener Stellungnahme von großer Bedeutung: „Journalisten dürfen nicht passiv bleiben, wenn sie mit Hassreden und Ignoranz konfrontiert werden, sonst machen sie sich zu Mitverantwortlichen. Sie haben die Verantwortung, rassistischen Botschaften und Vorurteilen mit Fakten zu kontern. Medien haben das Recht, Maßnahmen gegen Hasskommentare auf ihren Seiten zu ergreifen.“ Auch wenn die Meinungsfreiheit von der Europäischen Konvention der Menschenrechte auch bei aggressiven und schockierenden Kommentaren gegeben sei, handele es sich hier nicht wirklich um ein Problem der Meinungsfreiheit. „In diesem Fall geht es um die berufliche Ethik der Journalisten und der Medien.“

sus

www.cartadiroma.org

http://europeanjournalists.org/blog/2015/08/13/media-should-speak-out-against-hate-speech/

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Filmtipp: Mädchen können kein Fußball spielen

Der sehenswerte Dokumentarfilm von Grimme-Preisträger Torsten Körner („Schwarze Adler“) ist eine Hommage an die Pionierinnen des deutschen Frauenfußballs. Körner hat bereits ein ausgezeichnetes Buch über das Thema geschrieben („Wir waren Heldinnen“). Der Film erzählt die Geschichte mit Hilfe von Zeitzeuginnen und vielen zeitgenössischen TV- und Wochenschau-Ausschnitten von den Anfängen in den 50ern bis zur siegreichen Heim-EM 1989.
mehr »

ARD schützt ihre Inhalte vor KI

Die ARD hat ihren Umgang mit Anbietern von KI geändert. Seit Ende Mai dürfen Unternehmen wie etwa Open AI, Perplexity oder Google (Gemini) Inhalte aus den Online-Angeboten der ARD nicht mehr nutzen, um damit ihre KI-Systeme zu trainieren. Das bestätigte der Senderverbund auf Nachfrage. Die ARD hat nun in ihre Webseiten einen sogenannten maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt technisch eingebaut. Damit wird KI-Crawlern signalisiert, dass sie die Inhalte dieser Angebote nicht verwenden dürfen.
mehr »

Internet: Journalismus unter Druck

Angesichts der Vielzahl von Beiträgen zum 30-jährigen Jubiläum des Internets arbeitet der Journalist Jann-Luca Künßberg in einem Gastbeitrag für Netzpolitik.org heraus, wie umfangreich die Online-Welt Journalismus selbst verändert hat. Enorm schnell, so Künßberg, habe der Geschäftsgedanke die Vision eines digitalen Versammlungsorts beiseitegeschoben.
mehr »