Frauenbewegt, klein, aber langlebig, unabhängig, radikaldemokratisch. Das sind Attribute, die die Zeitschrift „Wir Frauen“ auch im 40. Jahr ihres Bestehens charakterisieren und –summiert – wohl ein Unikat beschreiben. „Heraus zum Frieden!“ war die Losung auf dem ersten Titelblatt im März 1982. „Klimagerechtigkeit“ forderte „Das feministische Blatt“ in seiner diesjährigen Jubiläumsausgabe. „Zusammen frei sein“ beschreibt die Vision des aktuellen Herbstheftes.
„Wir Frauen“ war zunächst ein provokanter Titel und Ausdruck wachsenden Selbstbewusstseins. Die Zeitschrift selbst ein Kind des Aufschwungs der internationalen Frauenbewegung Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre, wesentlich vom „Internationalen Jahr der Frau 75“ und dessen Losung „Gleichberechtigung – Entwicklung – Frieden“ geprägt. Damals entstand in der Bundesrepublik auch die Demokratische Fraueninitiative (DFI) mit etwa 100 Regionalgruppen. Ihre Losung: „Gleichberechtigung in einer humanen Gesellschaft“. Feminismus wurde in dieser linken Bewegung nie als reine „Frauenfrage“ verstanden, sondern stets in den gesellschaftlichen Zusammenhang gestellt; nicht nur die jahrhundertealte Unterdrückung der Frau sei zu beseitigen, sondern „jede Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen“. Die DFI-Gründerinnen und Aktivistinnen gehörten verschiedenen oder gar keinen Parteien an, hatten unterschiedliche Weltanschauungen. Doch ihr autonomer Zusammenschluss wollte „Nicht länger deklarieren, sondern handeln“, wie es in einem Aufruf an Regierung und Medien hieß.
Zum Handeln gehörten Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit. Das überwältigende Echo auf den ersten „wir frauen-Taschenkalender“, der 1979 erschien, habe den letzten Anstoß für die Herausgabe einer eigenen Zeitschrift gegeben, erinnert sich Florence Hervè, immer noch aktive Mitgründerin. Aus dem hektographierten DFI-Rundbrief wurde das Printerzeugnis „Wir Frauen“ mit bis heute ehrenamtlicher Redaktion. Das zunächst sechsmal jährlich erscheinende Blatt verstand sich, so Hervè, als „Gegenöffentlichkeit“, als Informations- und Kommunikationsplattform einer linken Frauenbewegung.
Die Themen, die sich heute aus dem Archiv ablesen lassen, standen exemplarisch dafür: Frauen und Politik, Lohngleichheit, immer wieder Kampf gegen § 218, es stehen aber auch alternative Lebensweisen, Fluchterfahrungen, Rassismus, Rechtsextremismus und Sexismus im Fokus, ebenso wie Gesundheit und ihr Markt. Weibliche Kunst?, Europa, Globalisierung, Älterwerden werden verhandelt und wiederkehrend die bundesdeutsche Familienpolitik. Queer und Gender stehen im Blick, Arbeitskämpfe, Frauenstreiks, ganz aktuell die Sorgearbeit samt geforderter Care-Revolution. Renommierte Autorinnen von Dorothee Sölle und Gewerkschafterin Gisela Kessler über Peggy Parnass, Erika Runge, Ingrid Strobl bis Gisela Steineckert und Mithu M. Sanyal veröffentlichten in „Wir Frauen“.
Der eigenen Neugier folgen
Und im Gegensatz zu anderen Frauenzeitschriften aus diesen Gründerzeiten meisterten die Macherinnen bisher alle Krisen. 1990 etwa, als die Strukturen der Demokratischen Fraueninitiative zusammenbrachen, gründeten sie „Wir Frauen – Verein zur Förderung von Frauenpublizistik e.V.“, mit dem es gelang, das Blatt zu retten. Immer wieder fanden sich neue Redakteurinnen, die der Zeitschrift über kurzer oder länger ihren Stempel aufdrückten. Vielfalt sei als redaktionelles Merkmal konstant – Unterschiede in Herkunft, Muttersprache und Lebensweisen. Obwohl das Projekt stets prekär bleibe, „weil viel zu viel Arbeit auf wenigen Schultern ruht“, ist es „Wir Frauen“ gelungen, ein Netzwerk zu knüpfen, das nicht nur für die kontinuierliche Herausgabe der nun vier jährlichen Ausgaben unabdingbar ist, sondern auch um neue Leserinnen und jedes Abo ringt: „Feminismus ist käuflich! – für 16 € im Jahr!“. Auch ein „Newsletta“ hilft werben.
„Euch gibt es noch immer?“, sei eine Frage, so Florence Hervè, die die Redaktion häufig zu hören bekomme. Auch wenn das Ja mitunter mehr trotzig als sicher klingen dürfte, blickt die Redaktion überzeugt von der Notwendigkeit in die Zukunft, weiterhin Frauen und feministischen Bewegungen „jenseits des Main- und Malestreams Gehör“ zu verschaffen. „Mit jeder Ausgabe folgen wir unserer eigenen Neugier, dem Wunsch zu verstehen und ins Handeln zu kommen“, heißt es in einem jetzt veröffentlichten „Blick zurück nach vorne“. Das „Wir“ bleibe auch nach 40 Jahren weiter Projekt und Herausforderung und Ziel „nie endender Arbeit“. Übrigens: Den „wir frauen-Taschenkalender“ gibt es nun bereits zum 45. Mal. Die Ausgabe für 2023 ist beim PapyRossa-Verlag bestellbar.