Reporter ohne Grenzen (RSF) hat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen die rechtliche Grundlage für den Einsatz sogenannter Staatstrojaner durch den Bundesnachrichtendienst (BND) eingelegt. Die Beschwerde richtet sich zudem gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, das am 25. Januar eine Klage von RSF in derselben Sache als unzulässig abgewiesen und bemängelt hatte, dass die Organisation ihre Betroffenheit nicht hinreichend nachgewiesen habe.
„In seiner jetzigen Form ist das deutsche Verfassungsschutzgesetz eine echte Gefahr für investigativ arbeitende Medienschaffende und ihre Quellen, und das weltweit. Jeder Journalist und jede Journalistin, die in extremistischen Kreisen recherchiert, könnte durch den BND per Staatstrojaner überwacht werden und hat aktuell praktisch keine Möglichkeit, sich auf dem Rechtsweg dagegen zu wehren. Das muss sich ändern“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr in einer Pressmitteilung vom 13. April. „Da das Bundesverwaltungsgericht nicht in der Sache über unser Anliegen entscheiden wollte, setzen wir jetzt auf ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts.“
Investigative Journalistinnen und Journalisten, die außerhalb Deutschlands in Kontakt mit Zielpersonen des BND stehen, sind ständig potenziell gefährdet, als unverdächtige Nebenbetroffene ins Visier des Auslandsgeheimdienstes zu geraten, heißt es weiter. Werde ihre Kommunikation überwacht, verletze dies einerseits ihr Grundrecht auf journalistischen Quellenschutz und könne andererseits für die Quellen wie auch für die Journalistinnen und Journalisten eine echte Gefahr darstellen. Mittels der als „Staatstrojaner“ bekannten Spähsoftware könne der BND in Smartphones und Computer einer Zielperson eindringen und dort selbst verschlüsselte Nachrichten abrufen.
Auch RSF-Kontakte gefährdet
Auch RSF kommuniziere regelmäßig mit ausländischen Journalistinnen, Journalisten und Regierungsstellen. Die Organisation sieht deshalb ein reales Risiko, dass auch die Mobiltelefone und Computer ihrer Mitarbeitenden vom BND mittels „Staatstrojaner“ ausspioniert werden könnten. Damit könne RSF auch seine Kommunikationspartnerinnen und -partner in die Gefahr bringen, überwacht zu werden. Viele Aktivitäten von RSF wären nicht möglich, wenn Kontaktpersonen im Ausland Grund zur Annahme hätten, dass der Kontakt zu RSF sie ins Visier eines Geheimdienstes rückt. Ein Beispiel ist die Strafanzeige gegen den saudischen Kronprinzen Mohammed Bin-Salman, die die Organisation nur mit Hilfe von Kontaktpersonen vorbereiten konnte.
RSF will mit der Verfassungsbeschwerde erreichen, dass die gesetzliche Grundlage, die dem BND den Einsatz von „Staatstrojanern“ erlaubt (konkret das Artikel-10-Gesetz, G10), für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt wird. Seit der Neuerung des G10 sowie des BND-Gesetzes Mitte 2021 sei es allen deutschen Geheimdiensten erlaubt, den „Staatstrojaner“ einzusetzen. Das G10 verstößt aus Sicht von RSF gegen das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) und das sogenannte IT-Grundrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) sowie gegen die Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG), die Betroffenen zusichert, sich gegen die Verletzung eigener Grundrechte vor Gericht zur Wehr setzen zu können. Das G10 lässt Klagen gegen eine Überwachung erst zu, wenn die überwachende Behörde die betroffene Person darüber informiert hat, dass sie ausspioniert wird. Zudem verlangt RSF, dass Karlsruhe das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufhebt und die Sache nach Leipzig zurückverweist.