Frankreich: Riskante Berichterstattung

Gewalt gegen Journalist*innen ist bei Demonstrationen keine Ausnahme mehr. Foto: 123rf

Seit Tagen protestieren in Frankreich vor allem Jugendliche gegen Polizeigewalt. Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt die Angriffe auf Journalist*innen, die über diese Proteste und Ausschreitungen im Zusammenhang mit dem tödlichen Polizeischuss auf einen 17-jährigen Jugendlichen namens Nahel in der Pariser Vorstadt Nanterre berichten. In der vergangenen Woche wurden mindestens sieben Journalist*innen, die zur Berichterstattung über Unruhen und Vorfälle in der Region Île-de-France und im Osten des Landes geschickt wurden, angegriffen.

„Die Angriffe auf Journalisten, die über die städtische Gewalt berichten, sind völlig inakzeptabel. Alles muss getan werden, damit sie das Recht auf Nachrichten und Informationen mit größtmöglicher Sicherheit gewährleisten können“, sagte Pavol Szalai, Leiter des EU-Balkan-Desks von Reporter ohne Grenzen.

Der freiberufliche Fotograf Corentin Fohlen wurde während der Zusammenstöße in Nanterre, die nach einer Protestmarsch ausbrachen und die Nacht über anhielten, körperlich angegriffen. Eine Person schlug Fohlen mit einem Pflasterstein auf den helmgeschützten Kopf, während er Fotos für die Tageszeitung Libération machte. Nachdem er zu Boden gefallen war, versuchten mehrere Personen, seinen Helm zu nehmen, und jemand stahl die Kamera, die er zur Selbstverteidigung verwenden wollte.

Auch in Nanterre, dem Vorort, in dem Nahel lebte, wurde ein Reporter der Zeitung Figaro grob angegriffen und sein Handy wurde ihm abgenommen. Ein weiterer Figaro-Reporter, der versuchte, live von den Gewalttätigkeiten in Porte de Saint-Ouen im Norden von Paris zu berichten, wurde von einem Mann mit einer waffenähnlichen Gegenstand bedroht.

Eine Gruppe von zehn Personen, die in Nanterre Anlagen beschädigten, griff einen Journalisten der Nachrichtenagentur Bloomberg an und verletzte einen Reporter eines anderen Medienunternehmens, der ins Krankenhaus gebracht werden musste.

Mindestens zwei Reporter wurden während riesiger spontaner Proteste in der ostfranzösischen Stadt Besançon angegriffen. Einer von ihnen, ein freiberuflicher Journalist, der für Radio BIP/Média 25 arbeitet und unter dem Pseudonym Toufik-de-Planoise bekannt ist, erlitt einen Schlag mit einem Brecheisen am Kopf, der sieben Stiche erforderte. Emma Audrey, eine Journalistin, die für denselben Gemeinderadiosender berichtete, erlitt einen Schlag, der ihren Helm zertrümmerte. Sie wäre weiterer Gewalt ausgesetzt gewesen, wenn nicht andere Personen eingegriffen hätten.

Frankreich belegt im World Press Freedom Index 2023 von RSF den 24. Platz von 180 Ländern. Bei Demonstrationen werden Medienschaffende oft zum Ziel von Beleidigungen, Drohungen sowie von Gewalt seitens Demonstrant*innen und Polizei – so 2018 und 2019 verstärkt geschah das bereits bei den „Gelbwesten“-Protesten und 2020 bei den Protesten gegen ein neues Sicherheitsgesetz.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

Trump: Angriff auf kritische Medien

Donald Trump hat schon im Wahlkampf angekündigt, US-Medien, von denen er sich kritisiert und angegriffen sieht, auszuschalten, sollte er gewählt werden. Von welchen Möglichkeiten er dabei unter anderem Gebrauch machen kann, hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einem Beitrag aufgeführt. Es zeigt sich: Trumps Drohungen sind alles andere als unrealistisch. Und sein Vorbild für diese sitzt in Europa.
mehr »

US-Wahlkampf: Absurd, aber sehr real

Der US-Wahlkampf kommt in die heiße Phase. Journalistin und Historikerin Annika Brockschmidt beobachtet seit mehr als einem Jahrzehnt das politische System der USA. In ihren neuen Buch beschreibt sie, wie historische Entwicklungen und Machtkämpfe die republikanische Partei geprägt und radikalisiert haben. Mit M spricht Brockschmidt über die Kommunikationsstrategien der extremen Rechten in den USA und die Wahlberichterstattung.
mehr »