Online-Plattformen verkaufen einzelne Artikel aus Zeitungen und Zeitschriften
Das in den Niederlanden bereits erfolgreiche Web-Angebot Blendle startet im September in Deutschland. Das Hamburger Startup Pocketstory war etwas schneller und ist bereits seit Mai in der Beta-Version online. Beide bündeln die Angebote von Zeitungen und Zeitschriften und bieten Artikel daraus zum Kauf an. Ist das die Lösung für die Finanzierungsnot des Journalismus?
Das Konzept von Blendle ist simpel: Interessiert man sich für einen Artikel in einem Magazin oder einer Zeitung, muss man so nicht mehr das ganze Heft kaufen, sondern kann für einen geringeren Preis den einzelnen Artikel online erwerben. Es sind viele und namhafte Zeitungen und Zeitschriften, deren Artikel bei Blendle zum Verkauf stehen werden: Von der Zeit über den Spiegel und Cicero bis hin zur Bild am Sonntag und Brigitte, aber auch kleinere Lokalzeitungen. Wie hoch der Preis ist, bestimmt der Verlag, 30 Prozent des Verkaufspreises verbleiben bei Blendle. Durchschnittlich werden 20 bis 30 Cent für einen Artikel fällig. In den Niederlanden läuft Blendle bereits seit einem Jahr – mit beachtlicher Resonanz. 300.000 Nutzer sind registriert. Zahlreiche Medien beteiligen sich an der Plattform.
Qualitätsjournalismus als Lückenfüller.
Wenn Blendle in Deutschland startet, konkurriert die Plattform mit einem Anbieter, der bereits seit Mai in der Beta-Version ähnliche Dienste bereitstellt: Das Hamburger Startup Pocketstory bietet einzelne Artikel aus Zeitungen und Zeitschriften an. Das Angebot jedoch ist spärlich im Vergleich zu dem, was Blendle ankündigt. Die Artikel stammen vor allem aus Publikationen des Zeit- und Spiegel-Verlags, nicht alle Artikel sind aktuell. Ausgewählt werden sie „ausschließlich nach der Qualität der Inhalte”, erklärt Dieter Dengler, Geschäftsführer von Pocketstory. Man picke aus den Medien die Rosinen heraus. Angeboten werden nur längere Artikel ab 5.000 Zeichen „Wir wollen unseren Lesern Artikel mit klugen Gedanken, originellen und tiefgründigen Informationen und lange Gespräche und Interviews bieten.” Dafür sorge, so Dengler, selbst ehemaliger Chefredakteur von Spiegel Online, ein Redaktionsteam, das von erfahrenen Zeitungs- und Magazinmachern geleitet wird.
„Mitreißende Geschichten” verspricht Pocketstory auf seiner Webseite. „Perfekt für Bus, Bahn und unterwegs”, ideal also für die, die „wenig Zeit für ein ganzes Heft” haben. Folgerichtig wird zu jedem Artikel die geschätzte Lesezeit angegeben. Ein Spiegel-Artikel über die Flüchtlinge im Mittelmeer etwa könnte eine Pause von 25 Minuten füllen, ein Artikel über einen Tatort-Kommissar in der Berliner Zeitung die Zeit bis zur Ankunft der S-Bahn in sieben Minuten. Ein Artikel kostet hier allerdings auch mal 1,99 Euro – und damit nicht viel weniger als ein ganzes Heft.
Von Blendle unterscheide man sich außerdem, indem man bereits online sei und deutschen Datenschutzbestimmungen unterliege. Für Blendle hingegen führt Gründer Marten Blankestejin an, die Plattform habe sich bereits bewährt und das Angebot sei umfassender als das des Konkurrenten.
Zugang zu jungen Lesern.
Trotz der betonten Unterschiede: Mit ihren Angeboten füllen beide Plattformen eine Lücke, die durch die Änderung der Lesegewohnheiten und des Medienkonsums entstanden ist. Die Auflagen der Print-Produkte gehen zurück, immer weniger Menschen lesen Zeitungen oder haben sie gar im Abo. Journalistische Inhalte sind im Internet bislang meist kostenfrei abrufbar. Ideen für die Finanzierung von Journalismus in Zeiten des Internets gibt es kaum. Die Verlage sehen in Blendle und Pocketstory ein Marketinginstrument und versprechen sich von der Kooperation neue Vertriebswege. Sie hoffen, neue Leserinnen und Leser zu gewinnen, insbesondere unter den Jungen, die im Internet zuhause sind und um Print-Medien bislang einen Bogen gemacht haben. Die Nutzer von Blendle sind jung, die meisten zwischen 25 und 30 Jahren alt. Springer und New York Times scheint das Konzept zu überzeugen: Sie haben drei Millionen in Blendle investiert.
„Vielversprechendes Angebot”. Auch Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di hält Blendle für ein „vielversprechendes Angebot”. Es könne „offenbar tatsächlich dazu beitragen, dass verstärkt auf Qualitätsinhalte zugegriffen und dafür bezahlt wird”. Journalistische Inhalte seien so nur gegen Gebühr verfügbar, weshalb Blendle aus Sicht der dju ein „interessantes Vertriebsmodell” sei.
Andreas Bull, Geschäftsführer der taz, teilt diesen Optimismus nicht. Die taz sei zwar generell „Experimenten gegenüber aufgeschlossen”, auch gäbe es keine ideologischen Vorbehalte. Das Geschäftsmodell von Blendle halte man aber für „wenig aussichtsreich”. Für Bull stehe immer noch im Vordergrund, was durch das Zerpflücken der Zeitungen in einzelne Artikel verloren geht: „Das kompositorische Werk der Redaktion als Kollektiv”. Die taz beteiligt sich deshalb bislang nicht an der Plattform.