Kann man sich den Fußball sparen?

Foto: Jan-Timo Schaube

Meinung

Die Sportberichterstattung gilt als eines der populärsten Programmgenres im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Neben „Tatort“ und „Tagesschau“ schaffen es bislang nur der Fußball und die Olympischen Spiele, mehr als 10 Millionen Zuschauer*innen vor dem heimischen Bildschirm zu versammeln. Nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage sind entsprechend die Preise für attraktive Sportrechte in der letzten Dekade geradezu explodiert. Eine zunehmend schwierigere Situation für ARD und ZDF, die in Zeiten knapperer Beitragseinnahmen schärfer kalkulieren müssen.

Jetzt hat sich Frauke Gerlach, Geschäftsführerin des Grimme-Instituts, mit einem Denkanstoß zu Wort gemeldet. Sie appelliert an ARD und ZDF, aus dem Bieterrennen für teure Fußballübertragungen auszusteigen. TV-Fußball zur Sicherung der Publikumsakzeptanz? Schön und gut, meint sie. Die verbindende Wirkung des Fußballs? Sowieso. Aber „langfristig“ werde sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk diese Perspektive nicht mehr leisten können. Denn er müsse immer wieder neu eine Begründung für seine Beitragsfinanzierung liefern. Für die Grimme-Chefin ist klar: Nötig sei dazu ein „unabhängiges, werteorientiertes und wissensbasiertes Programm“.

Das klingt ziemlich nach Spaßbremse und erweckt den Verdacht, Frau Gerlach könnte am Ende den Fußball nicht so lieben wie die Millionen Fans, die sich seit wenigen Wochen wieder an den Übertragungen der neuen Bundesliga-Saison erfreuen. Fußball im Fernsehen, so sehen es nicht nur ARD und ZDF, ist zweifellos Teil der medialen Grundversorgung. Auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts gehören Berichte über hochkarätige Sportereignisse wie Fußball-Welt- und Europameisterschaften zur Information im Sinne des klassischen Rundfunkauftrages. Vom Unterhaltungswert ganz zu schweigen.

Konkurrenz bei der Sportübertragung

Wer prophylaktisch vor der schwierigen nächsten Gebührenperiode schon jetzt den Verzicht auf ein so massenattraktives Programmsegment wie den Fußball fordert, spielt im Grunde das Spiel derer, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kaputtsparen wollen. Derer, die vorauseilend jede – im Zeichen der Inflation dringend gebotene – Beitragserhöhung als unzumutbar für die Bürger*innen disqualifizieren wollen.

Dabei haben sich die Öffentlich-Rechtlichen längst freiwillig Grenzen auferlegt. Sie wissen selbst, dass sie mit der Finanzkraft großer auf den Markt drängender internationaler Player wie Google, Amazon und Discovery beim Rechtepoker nicht mithalten können. Seit Jahr und Tag sind ihre Sportetats gedeckelt – bei der ARD liegt die Grenze bei gut 250 Millionen Euro im Jahr.

Für Fußball in die Kneipe

Mit Folgen für die Sportfans: Die ARD überlässt die EM- oder WM-Qualifikationsspiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der privaten Konkurrenz. Seit 2018 ist etwa die Champions League hierzulande nicht mehr im ZDF, sondern ausschließlich im Pay-TV oder als Streaming-Angebot zu sehen. Wer nicht ohne kann, muss seither in die Stammkneipe gehen oder aber sündhaft teure Abos abschließen.

Frauke Gerlach ficht das offenbar nicht an. Wie war das? Ein „werteorientiertes und wissensbasiertes Programm“ – ohne teure Fußball-WM und Bundesliga-Übertragungen? Das wäre allerdings ein Schlag ins Gesicht von Millionen Beitragszahler*innen, die selbstverständlich Live-Sport im öffentlich-rechtlichen TV sehen wollen. Und ein Bärendienst für die ohnehin – aus anderen Gründen – angeschlagene Akzeptanz von ARD und ZDF.

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