laif-Genossenschaft startet durch

Ende Gelände, Besetzung der RWE Strukturen im rheinischen Braunkohlerevier. Foto: David Klammer

Viele Fotojournalist*innen stehen enorm unter Druck: Die Honorare sinken, die Kosten steigen, KI ersetzt Bildgestaltung, immer mehr Fake News grassieren. Gleichzeitig gibt es kaum noch Orte für klassische Fotoreportagen. Bei der Bildagentur laif schlossen sich Fotograf*innen zu einer Genossenschaft zusammen, um der Dynamik gemeinsam etwas entgegenzusetzen. Mittlerweile gibt es auch die laif Foundation als gemeinnützige GmbH. Geschäftsführer Ulf Schmidt-Funke hält das Projekt für einmalig und nachahmenswert.

Woher kamen Impuls und Motivation, etwas Kommerzielles wie eine Foto-Agentur in ein gemeinnütziges Vorhaben zu überführen? Was waren dabei die großen Herausforderungen?

Der Impuls war, dass die Mutterfirma von laif, die ddp Media GmbH, 2022 verkauft wurde an eine noch größere Bildagenturgruppe, an die Action Press AG, die an der Börse gelistet ist. Etliche laif-Fotograf*innen haben sich daraufhin überlegt: Das wird uns jetzt eine Nummer zu groß. Wir wollen unsere Bilder eigentlich nicht einer an der Börse gelisteten Firma geben. Weil wir nicht wissen, was damit passiert oder weil uns das nicht gefällt – sowohl was die Preise anbelangt als auch was die ideologische Ausrichtung, die Verwendung der Bilder betrifft.

Erklärt sich das aus der Geschichte von laif?

Auch. Laif gibt es jetzt 42 Jahre. Die Agentur hat ihre Anfänge unter anderem in der Anti-Atomkraft-Bewegung. Inzwischen vertritt laif rund 400 Fotografen und viele Agenturen aus dem Ausland und zum Beispiel auch die New York Times oder Madame Figaro. Gemeinsam ist vielen von ihnen ein starkes Engagement und eine klare Haltung. Das ist immer noch sehr gut, aber es war auch einmal wirtschaftlich sehr erfolgreich. Im Zuge des Niedergangs der gesamten Presse und rückläufiger Honorare begab sich die Agentur dann unter das Dach der ddp-Agenturgruppe.

Was ist dann 2022 passiert?

Weil die AG und laif nicht zusammenpassten, kam von Seiten einiger Fotograf*innen die Idee auf, eine Genossenschaft zu gründen. Das ist wirklich bemerkenswert, denn Fotograf*innen sind eigentlich Einzelkämpfer*innen. Hier fanden sich rund 300 in nur sechs bis acht Wochen zusammen, und jede*r zahlte mindestens 1000 Euro ein, für den Zweck einer selbstverwalteten Agentur. Es gab zunächst kein konkretes Ziel, außer: Wir wollen uns unsere Arbeit zurückholen.

Wie ging es dann weiter?

Wir mussten schnell überlegen: Wie bringen wir die Agentur in die Zukunft? In den letzten 20, 25 Jahren hat sich mit dem Internet das Geschäft radikal verändert. Es wurde von einem People-Business, in dem professionelle Beziehungen eine sehr wichtige Rolle spielen und Bildagenturen als Vermittler fungierten, indem sie dafür gesorgt haben, dass für die Verlage die richtigen Bilder produziert werden, zu einem Feld, in dem das Bild und wer es macht, nachrangig wurde. Wir wussten, wir machen keine große Rendite, sondern es geht um die Agentur und die Werte, die die Agentur vertritt: hochwertiger Fotojournalismus und der Einsatz für Demokratieförderung. Ein Vehikel dafür war dann die Gründung einer gemeinnützigen Institution: die laif Foundation. Mit dieser können wir gemeinnützige Projekte initiieren. Wir können fotojournalistischen Inhalten international Raum bieten, Fotoreportagen, die einfach nicht mehr gezeigt werden, weil es keine Magazine mehr gibt, die so etwas machen. Wir können Jugendlichen Medienkompetenz vermitteln.

Es gibt sicher nicht wenige Menschen, die diese Anliegen teilen, aber wie erreichen Sie die?

Wir wollen, dass die Idee von gemeinnützigem Fotojournalismus auch bei mehr Menschen ausserhalb der Fotograf*innen-Community verfängt. Die Mitgliederkampagne funktioniert schon ganz gut, wir haben bislang 40 Prozent des angestrebten Ziels geschafft. Wir haben aber gelernt, dass man es den Leuten nicht schwer machen darf. Es steht allerdings nun mal im Genossenschaftsrecht, dass ein Beitrittsformular ausgedruckt und handunterschrieben zurückgesandt werden muss. Deshalb ist die Foundation gut, an die kann man auch spenden. Dazu kommen aber viele akute Probleme. Die Bundesregierung streicht Mittel für soziale Institutionen. Das heißt, es gibt sehr viele Dinge, für die man sich engagieren kann. Gleichzeitig wird das Geld knapper, die Leute haben auch mehr Angst. Das macht so eine Finanzierung nicht einfacher. Wir kämpfen da gerade ein bisschen gegen Windmühlen, einfach weil es viel zu tun gibt und die inhaltlichen Projekte trotzdem angeschoben werden sollen.

Wie setzen sich die bisherigen Mitglieder zusammen?

Es ist ein breites Feld. Es gibt Menschen, die zahlen 20.000 Euro Mitgliedsbeitrag. Und es gibt Studierende, die können die 1000 Euro nur in Raten zahlen. Es ist faszinierend, wie viele und wie unterschiedliche Menschen sich aus unterschiedlichen Beweggründen engagieren und Teil einer Gemeinschaft sein wollen. Auch vermögende Menschen suchen solche Möglichkeiten, wollen das aber oft mit jemandem machen, dem sie vertrauen. Da ist eine persönliche Ebene wichtig, Newsletter, die echte Geschichten erzählen, sind da eine Möglichkeit oder Ausstellungen und Anlaufstellen. Deshalb gehen wir in Berlin mit in das Publix-Haus. Ich stelle mir vor, dass das Arbeiten für uns dort super wird, weil es einen sehr großen Austausch zwischen den verschiedenen Organisationen gibt und es nicht darum geht, sich gegenseitig vom Wasserloch wegzuschieben, um mal das Bild zu benutzen. Die Entwicklung von laif wurde wirklich von einer intrinsischen Motivation getragen, die Welt ein bisschen besser zu machen, die Welt der Fotografie, den Fotojournalismus. Noch immer finden sich zu viele stereotype Bilder, zu viele Sehgewohnheiten werden unreflektiert bedient. Aber natürlich bietet Fotografie viel mehr Möglichkeiten. Und Fotograf*innen, die das bedenken, während sie arbeiten und Realität abbilden, ohne komplett zu verstören, das ist klassisches fotojournalistisches Handwerk, was unter die Räder kommt. Das wollen wir verhindern.

 

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