Leserbriefe sind immer willkommen. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.
M-Redaktion, karin.wenk@verdi.de.
Wichtige Debatten sind weiterhin im Blatt
„ Kein Gegenhalten mehr“ in M 1–2/08
Na prima. Da wird auf zwei Seiten Dreck über die Kolleginnen und Kollegen der Frankfurter Rundschau ausgekübelt. Ich frage mich, wann die angebliche Medienwissenschaftlerin Brigitta Huhnke zum letzten Mal die FR gelesen hat? Ihre Antworten strotzen vom absoluten Nichtwissen der Realität, in der die FR produziert wird. Natürlich ist Kritik erwünscht, leider sind aber auch Huhnkes Einschätzungen zu der inhaltlichen Gestaltung bar jeder empirischen Fundierung. Die wichtigen gesellschaftlichen Debatten finden weiterhin im Blatt statt. Es mag überraschen, aber es sind noch viele der Redakteure im Haus, die die FR seit den 80er Jahren geprägt haben. Warum aber sollten Leute wie Karl Grobe oder Stephan Hebel plötzlich Neoliberale geworden sein? Unser Wirtschaftsteil ist es ganz bestimmt nicht. Dass wir heute auch Leute aus dem anderen Lager zu Wort kommen lassen, dient einer neuen Diskussionskultur, die ich persönlich sehr an der FR schätze.
Es wird der Wegfall der alten FR-Seite „Aus Schule und Hochschule“ beklagt. Tatsache aber ist, dass der Platzanteil von Bildung im neuen „Wissen & Bildung“ gegenüber früher verdoppelt, übrigens auch personell gestärkt worden ist. Dass dort die Folgen der Umgestaltung unserer Schul- und Hochschullandschaft nicht kritisch diskutiert würden, ist nun völlig absurd. Bei den FR-Lesern jedenfalls kommt „Wissen & Bildung“ so gut an, dass die Seiten weit nach vorn im Heft direkt nach Politik und Meinung gerückt worden sind.
Das Tabloid-Format wurde von einer großen Mehrheit in der Redaktion ausgesprochen positiv mitgetragen und mitentwickelt. Natürlich war uns allen etwas bang, ob die Leser eine solch einschneidende Veränderung mittragen würden. Sie haben – der seit vielen Jahren anhaltende Auflagenschwund konnte gestoppt werden. Dass rund 60 Prozent unserer Neukunden, soweit mir bekannt ist, aus der Altersgruppe von 18 bis 24 stammen, ist ein weiteres erfreuliches Zeichen.
Jeder Redaktion passieren mal schlechte Artikel. Der als typisches Beispiel für den negativen Wandel der FR angeführte „Coffee to go“ ist nun gerade nicht typisch, sondern an den Haaren herbeigezogen. Der ist auch in der FR-Redaktionskonferenz massiv kritisiert worden. Ganz im Gegenteil recherchieren die FR-Kolleginnen und Kollegen weiter hart, das zeigt nicht nur der Fall Unicef.
Kein Sündenfall war es ganz bestimmt, die FR an die SPD-Medienholding zu verkaufen. Es war die Rettung für unser traditionsreiches Blatt, sonst gäbe es schon längst keine FR mehr. Mit der Mehrheitsübernahme durch DuMont Schauberg wurde das Erscheinen der FR weiter abgesichert. Der Verlag investiert erheblich. Alfred Neven DuMont forderte die Redaktion bei einem der ersten Treffen klar auf, noch kritischer zu sein und den Politikern auf die Finger zu schauen. In seiner unnachahmlichen Kölner Art hat er das sogar noch etwas schärfer formuliert.
Redakteur „Wissen & Bildung“, bei der Frankfurter Rundschau seit 1983 beschäftigt
Stiftungskonzept erzeugte Probleme
Eine zentrale Aussage von Brigitta Huhnke heißt: „Das Modell FR hat über Jahrzehnte hinweg gut funktioniert: Im Eigentum einer Stiftung, dem Gemeinwohl verpflichtet“. Genau diese Feststellungen sind falsch. Diese Konstruktion erzeugte Probleme bei der Unternehmens- und Redaktionsführung und am Ende hätte die FR Insolvenz anmelden müssen, worauf einige Medienkonzerne und wohl auch Fonds nur warteten. An diesem Punkt wurde die SPD-Medienholding von leitenden Angestellten der FR zum Engagement aufgefordert. Wir haben uns zu diesem hohen finanziellen Risiko entschlossen, um den Kern der FR zu retten und das linksliberale Profil zu erhalten. Unser Einstieg bei der FR fand deshalb auch die Zustimmung der verkaufenden Karl-Gerold-Stiftung, des Betriebsrates und der Belegschaft, obwohl allen bei der FR klar war, dass ohne tief greifende Veränderungen das Produkt FR am Markt an Auflage verlieren würde. Es konnte also nicht nur darum gehen, bei der Technik oder im Verlag zu sparen, auch die Redaktion würde sich ändern müssen.
Die Einwände von Brigitta Huhnke gegen diese Veränderungen kommen ein wenig gestelzt daher. Neben Bedenkenswertem benennt sie politische Tendenzen in der FR, die sie ablehnt, zu denen ich nur feststellen kann, dass sie sich außerhalb des Einflusses der Herausgeber entwickelt haben, weder die SPD-Medienholding allein noch Dumont-Schauberg mit uns gemeinsam haben einen FR-Kurs zur Bachelor-Master-Diskussion festgelegt noch haben wir die Inhalte der Medienseite bestimmt, um nur einige Beispiele zu nennen.
Zur Entwicklung der FR im letzten Jahrzehnt ließe sich noch eine Menge sagen, was bei nüchterner Bewertung zu einem anderen Urteil als dem Vorgetragenen kommt: Die FR musste sich verändern, sonst wäre sie vom Markt verschwunden.
Vorsitzende des Treuhandaufsichtsrates der SPD
Leserschaft enttäuscht
Unter dem Eindruck des analytisch fundierten Interviews mit der Medienwissenschaftlerin Brigitte Huhnke zur „Entwicklung“ der Frankfurter Rundschau, aus dem die Trauer um einen nennenswerten Verlust spricht, fällt mir dieses Sprichwort ein: „In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod“. Das Blatt mit dem grünen Balken aus Frankfurt am Main hat sich mit dem Sturz in den Mainstream um seine Reputation gebracht und riskiert sein Überleben im Blätterwald, indem es seine traditionelle Leserschaft enttäuscht. Neue Leserinnen und Leser wird es wohl kaum gewinnen können, da es bereits genügend Gazetten gibt, die sich der Beliebigkeit und dem Infotainment verschrieben haben.
Rudolf Schwinn, Bonn-Castell
Rückgratlos und ohne Haltung
Genau so ist es, nicht nur in der degenerierten FR, sondern überall da, wo man bis vor ein paar Jahren davon ausgehen konnte, dass es eine linke/ wahlweise links-liberale Zeitung oder Redaktion innerhalb einer Zeitung, ARD-Anstalt, Wochenzeitung oder Zeitschrift gewesen ist.
Perdu, vorbei, hoffnungslos altmodisch, denn „das Grundsätzliche, das, was Journalismus in einer Demokratie bedeuten sollte, das ist verloren gegangen.“ Als betroffene, hauptberufliche, d.h. davon lebende Journalistin, Autorin, Moderatorin, zwischendurch auch Redakteurin für Hörfunk und Printmedien weiß ich nach über dreißig Jahren Berufserfahrung, dass es auch eine Generationenfrage ist. Diese zutiefst reaktionären, rückgratlosen, opportunistischen, jeder (politischen) Haltung entbehrenden, eben „indifferenten“ und nichtssagenden, aber vor Worthülsen und neoliberalem Geschwätz strotzenden Nachwuchstalente sind es, die unter dem Deckmantel des linken/linksliberalen Images ihre Karrieren hinbiegen. Denn das ist ihr einziges Anliegen – ein originär journalistisches wie Aufklärung über gesellschaftliche Zusammenhänge, Kritik oder auch nur Bewusstseinsbildung ist ihnen so fremd wie suspekt. Ohnehin begreifen sie nicht, dass diese journalistische Haltung bis in die Fernsehkritik und Kirchenfunkredaktionen reichen sollte. Außerdem fehlen diesen sich ständig selbst überschätzenden Nachwuchstalenten zwei Grunddispositionen, ohne die „guter“ (s.o.) Journalismus nicht auskommt: Anstand und Demut. Nicht nur gegenüber ihrer Arbeit, auch gegenüber erfahrenen Kollegen. Auf „Erfahrung“ nämlich reagieren die Nachwuchstalente wie auf Kritik: schnoddrig bis zum Rausmobben („warum bieten Sie mir denn“ – nach sechs, siebzehn, zwanzig Jahren ständiger Mitarbeit – „noch Themen an? Suchen Sie sich doch was anderes!“).
Nicht leicht gefallen
Danke für das Interview zur Frankfurter Rundschau, dass ich mit großem Interesse gelesen habe. Hier wird so vieles – fast alles – gesagt, was ich schon so lange denke. Schon eine ganze Zeit vor dem Interview habe ich nach 50-jähriger Bezugsdauer mein Abo der FR gekündigt. Das ist mir wirklich nicht leicht gefallen, doch – so wie sie sich entwickelt hat – konnte ich mit der Zeitung kaum noch etwas anfangen.
langjährige Frauensekretärin IG Druck und Papier / IG Medien