Gute Arbeit für Solo-Selbstständige

Bild: Hermann Haubrich

Sind Solo-Selbstständige selbstbestimmt, existenzsichernd und unter guten Bedingungen erwerbstätig? Diese Frage lässt sich hierzulande nicht differenziert beantworten, denn die Datenlage ist dünn. Das will das Haus der Selbstständigen (HDS) ändern und hat eine branchenübergreifende online-Erhebung unter Solo-Selbstständigen gestartet. Darin geht es um ihre persönlichen Einschätzungen von Ressourcen und Belastungen in ihrem Arbeitsalltag.

„Diese Umfrage soll mithelfen, die große Datenlücke zu Solo-Selbstständigkeit in Deutschland zu verkleinern“, sagt Dr. Anne Röwer, Leiterin des Wissenschaftsteams im HDS. Zwar sei allgemein bekannt, dass die Arbeitsbedingungen für Solo-Selbstständige in den verschiedenen Branchen höchst divers sind, „aber wie diese beschaffen sind, ob und was daran belastet, was zu Zufriedenheit und Wohlbefinden beiträgt, was eint und was trennt, dazu gibt es wenig branchen- und berufsübergreifende Daten.“

Umfrage zu guter Arbeit

Die wissenschaftlichen HDS-Mitarbeiterinnen Pia Probst und Rina Depperschmidt haben den Fragebogen mitentwickelt. Die Idee für die Erhebung lehnt sich an den renommierten „DGB-Index Gute Arbeit“ an, der regelmäßig die Arbeitsbedingungen von abhängig Beschäftigten unter die Lupe nimmt. Auch wenn ein solcher „Index“ für Solo-Selbstständige nicht erhoben werden kann: „Es geht durchaus um einen Anspruch an Gute Arbeit und wie dieser für Solo-Selbstständige formuliert werden könnte“, betont Pia Probst. „Denn gute Arbeitsbedingungen und existenzsichernde Einkommen, Gestaltungsmöglichkeiten von Arbeit und Einflussfaktoren für gesundheitserhaltende Arbeit sind für Solo-Selbstständige ebenso essenziell. Dazu möchten wir Datenlücken füllen und damit Initiativen und Verbände in ihrer politischen Arbeit unterstützen.“ Um dieses Ziel zu erreichen, sei es notwendig, dass viele Solo-Selbstständige an der Befragung teilnehmen.

Balance von Belastungen und Ressourcen wichtig

Rina Depperschmidt erklärt den Grundgedanken der Umfrage: „Wir gehen davon aus, dass Merkmale bzw. Bedingungen der Arbeit unterschiedlich beschaffen sein können. In der Summe lassen sich diese Merkmale als „Belastungen“ (z.B. permanente Erreichbarkeit, körperliche Anstrengung, Zukunftsängste) und „Ressourcen“ (z.B. Wertschätzung, gute Honorierung, Gestaltungsspielräume) einordnen. Entscheidend ist unterm Strich das Verhältnis zwischen Belastungen und Ressourcen. Von Guter Arbeit sprechen wir dann, wenn die Ressourcenseite überwiegt. Werden Betroffene auf Dauer übermäßig belastet, drohen gesundheitliche Folgen. Das Empfinden von Belastungen und Ressourcen kann aber individuell höchst unterschiedlich sein.“ Die Befragung soll Informationen darüber liefern, was Solo-Selbstständige in ihrer Arbeit stärkt und wo besondere Belastungen liegen. Es geht also um Arbeitsqualität und deren Auswirkungen.

Persönliche Einschätzungen sind gefragt

Der Fragebogen umfasst rund 80 Fragen. Zuerst werden die für Umfragen gängigen Fragen gestellt – die nach Alter, Geschlecht, Wohnregion, Beruf, haupt- oder nebenberuflicher Selbstständigkeit usw.  Danach folgt ein Themenblock zu Belastungen (z.B. ungeplant verlängerter Arbeit), einer zu Ressourcen (z.B. Wertschätzung von Auftraggeber*innen) und ein weiterer zu Einkommen und Sicherheit (z.B. Verhältnis von Einkünften zu den Lebenshaltungskosten). Darin werden nicht nur die entsprechenden Fakten abgefragt, sondern auch die persönliche Einschätzung der betreffenden Person. Es geht also nicht um objektive Werte, sondern konkretes individuelles Erleben. Einige Fragen werden sicher auch Denkanstöße geben, denn oftmals wird die eigene Arbeit im Alltag nicht ständig reflektiert oder hinterfragt. Das ist durchaus beabsichtigt.

Beantwortung kann unterbrochen werden

Die Fragen gewissenhaft zu beantworten, dauert zwischen 25 und 35 Minuten. In den verschiedenen Themengebieten geht es nicht nur um Angabe von Fakten, sondern auch der persönlichen Einschätzung von Ressourcen, Belastungen oder Einkommen: „Weil wir wissen, dass Zeit für viele Solo-Selbstständige eine knappe Ressource ist, haben wir die Möglichkeit eingebaut, die Beantwortung der Fragen zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen. So hoffen wir, dass keine*r überfordert wird und recht viele Solo-S. an der Erhebung teilnehmen. Denn je mehr Datensätze haben, desto aussagekräftiger werden die Ergebnisse sein.“, erläutert Pia Probst.

Netzwerke helfen bei der Verbreitung der Umfrage

Schon seit Bestehen des HDS wird am Aufbau eines Netzwerks aus Verbänden, Initiativen und Interessenvertretungen von Solo-Selbstständigen gearbeitet. „Dieses Netzwerk wird uns nun helfen, die Umfrage möglichst weit zu streuen und viele Menschen zu bewegen, daran teilzunehmen“, sagt Anna Spenn, die für die Netzwerkarbeit im HDS zuständig ist.

Die Ergebnisse der Erhebung werden in den ersten Monaten des kommenden Jahres ins Netzwerk zurückgespielt und können von den Interessenvertretungen von Solo-Selbstständigen nach eigenem Ermessen genutzt werden. Hier sieht sich das HDS als Dienstleister für Initiativen, Verbände und Gruppierungen: „Wir möchten diese in ihrer Arbeit unterstützen – und ihnen mit dieser Erhebung auf den verschiedensten Feldern Argumentationsmaterial in Form von validen Daten liefern. Ob diese dann für die Arbeit im politischen Raum, im direkten Umgang mit Auftraggeber*innen oder zur Formulierung von Forderungen der Solo-Selbstständigen im öffentlichen Diskurs genutzt werden, obliegt den Organisationen selbst“, erklärt Anna Spenn. „Darüber hinaus werden die Ergebnisse Anlässe bieten, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich weiter zu vernetzen.”

Ergebnisse können politische Gestaltungsräume öffnen

Die Umfrageergebnisse können helfen, z.B. um Forderungen im politischen Raum mit Fakten zu untersetzen und Gestaltungsspielräume zu öffnen. Denn der Gesetzgeber gestaltet die Rahmenbedingungen, unter denen Solo-Selbstständige arbeiten. So ist es z.B. relevant, welche Beiträge sie zur Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zahlen müssen oder welche Rentenansprüche sie mit ihrer solo-selbstständigen Arbeit erwerben. Bei öffentlichen Dienststellen oder Institutionen werden Honorare oftmals vorgegeben (und sind meist zu niedrig angesetzt, weil die Budgets nicht ausreichend kalkuliert sind). Es gibt viele Felder, auf denen Solo-Selbstständige die Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen nicht in der Hand haben – entgegen allen Klischees, die man mit „selbst und ständig“ überschreiben könnte.

Wenn Solo-Selbstständige perspektivisch vergleichbare Arbeitsbedingungen wie abhängig Beschäftigte vorfinden sollen, gäbe es hier viele Handlungsfelder für Interessenvertretungen, Wirtschaft wie Politik.

Hier gehts  zur Umfrage

Zur Umfrage gibt es auch eine Podcast-Folge auf der Website des HDS, in der die Hintergründe und Ziele verständlich erklärt werden.

 

 

 

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