Die Weltklimakonferenz in Belém bringt das Thema Klimaschutz zurück auf manche Titelseiten. Aber welche Rolle spielt das Klima im Alltag in deutschen Medien? Alexandra Endres (table.media) und Torsten Schäfer (FH Darmstadt) beobachten das Geschehen schon länger und nehmen die CPO30 zum Anlass, um für eine Sendung des Deutschlandfunks darüber zu diskutieren.
Als „vorsichtig positiv“ bezeichnet Alexandra Endres dabei zunächst die Stimmung vor Ort, was daran liegen mag, dass sich gerade die aktuelle brasilianische Regierung verstärkt für konkrete Klimaschutzmaßnahmen, hier besonders im Hinblick auf den brasilianischen Regenwald, einsetzt.
Redaktionen folgen Trends
Aber, so merkt Endres an, der Fokus der journalistischen Kolleg*innen unterscheide sich sehr stark, je nachdem, ob sie aus dem Globalen Süden oder dem Globalen Norden kommen. Während Journalist*innen beispielsweise aus Indien oder von Inselstaaten viel stärker auf Existenzfragen wie Küstenschutz, Energieversorgung oder Armut fokussieren, steht im Globalen Norden eher die Frage nach der Emissionsminderung im Vordergrund.
In der deutschen Klimaberichterstattung ist laut Torsten Schäfer ein struktureller Wandel zu beobachten: Seit Fridays for Future und extremen Wetterereignissen (z. B. der starken Dürre im Jahr 2018) ist das Thema präsenter. Dennoch werden derzeit die darauf spezialisierten Formate, aber auch Stellen und Weiterbildungen abgebaut, besonders in kleineren oder privaten Medien. Gründe sind demnach wirtschaftliche Zwänge und auch der politische Stimmungswechsel – viele Redaktionen folgten eben Trends aus Politik und Wirtschaft, in denen Klimapolitik derzeit an Bedeutung verliert.
Dabei, so Schäfers zentrales Argument, ist Klima ist kein Einzelthema, sondern vielmehr eine Dimension, die viele Bereiche prägt – Energie, Gesundheit, Ernährung, Mobilität, Arbeitsschutz, Landwirtschaft und vieles mehr. Gute Klimaberichterstattung zeigt diese Bezüge auf, ohne das Wort „Klima“ immer in die Überschrift setzen zu müssen, findet der Experte. Zugleich könne man zu Klimaschutz nicht die eine oder andere Meinung haben. Klimawandel und damit notwendiger Klimaschutz seien ein Fakt: Darüber könne man nicht verhandeln – genauso wenig wie mit der Physik.
Sascha Wandhöfer vom Deutschlandfunk berichtet, dass Hörer*innen entweder eine in ihren Augen herrschende „Klimahysterie“ kritisieren oder eine zu wenig warnende Berichterstattung. Weil Menschen nahezu allergisch auf das Wort „Klima“ reagierten, müsse stärker alltagsnah über konkrete Auswirkungen berichtet werden, erklärt Torsten Schäfer. Trotzdem dürfe der Klimakontext dabei nicht unsichtbar werden. Es brauche lösungsorientierten Journalismus: einen, der nicht schönfärbt, aber zeigt, wie Probleme gelöst werden können. Auch gemeinschaftliche Handlungsmöglichkeiten sind wichtig, da auch eine individuelle Überforderung oft zu Distanz führt.
Wirtschaft vs. Klimaschutz: Falscher Gegensatz
Viele Unternehmen wollen klare politische Rahmenbedingungen, um in klimafreundliche Technologien zu investieren, erklären die Expert*innen. Dabei spare Klimaschutz langfristig Geld: Die Kosten des Nichtstuns hingegen sind faktisch enorm (z. B. Hochwasserschäden, jährliche Umweltschäden im dreistelligen Milliardenbereich).
Die Debatte fokussiere jedoch häufig einseitig auf Jobs in alten, fossilen Branchen, während Chancen in erneuerbaren Industrien unterbelichtet bleiben.
Die Gesprächspartner fordern demgegenüber einen unabhängigen Journalismus, der faktenbasiert die Klimarealität abbildet. Klimaberichterstattung sollte relevante Zusammenhänge aufzeigen, ohne alarmistisch oder belehrend zu wirken. Gleichzeitig dürften Medien weder politische Stimmungswechsel noch Lobbyinteressen unkritisch übernehmen. Klima ist eine ethische Grundfrage und – ähnlich wie Demokratie –, keine Meinung, bei der man „dafür oder dagegen“ sein könne.
Weiteres in der M 3/24 mit dem Schwerpunkt Klimajournalismus


