Mehr Schutz für Berichterstatter*innen, fordert Ecuadors Medienstiftung Fundamedios. Doch in der Regierung von Daniel Noboa, Sohn des Bananenmilliardärs Álvaro Noboa, stößt die Initiative auf Ablehnung. Dafür sei kein Geld da, lautet das Argument. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass Daniel Noboa eher auf TikTok, Instagram und andere soziale Netzwerke setzt und wenig von den traditionellen Medien hält. Erschwerend hinzu kommt, dass Kartelle, aber auch lokale Kaziken versuchen, Journalist*innen zu instrumentalisieren.
Erst am 4. März 2025 war der ecuadorianische Journalist und Direktor der lokalen Zeitung El Libertador de Quinindé, Patricio Aguilar Vásquez im Viertel Fundo Limón im Kanton Quinindé erschossen worden. Er hatte vorrangig über lokale und sicherheitspolitische Themen berichtet, zuletzt über Schießereien und Wassermangel in dem Viertel, in dem er auch ermordet wurde.
Die Gewalt gegen ecuadorianische Medienschaffende ist immens. Dazu kommt ein neues Phänomen, dass Journalist*innen unter Druck setzt. Dagmar Flores von Fundamedios schlägt den letzten Bericht der Stiftung auf und deutet auf ein Schaubild: „Im letzten Jahr haben wir eine Zunahme der Fälle registriert, wo Kartelle versucht haben, Berichterstatter*innen zum Sprachrohr des eigenen Kartells zu machen. Es wird versucht, Journalist*innen zu instrumentalisieren – wie in Mexiko“, sagt die Koordinatorin bei Fundamedios.
Schutzmaßnahmen werden nicht finanziert
Seit mehreren Jahren versucht die Medienstiftung, die Politik dazu zu bewegen, mehr für den Schutz von Medien und Journalist*innen zu tun. Vor zwei Jahren sah es für einen Moment recht gut dafür aus: „Im ersten Halbjahr 2023 wähnten wir uns schon am Ziel, denn der damalige Präsident Guillermo Lasso hatte grünes Licht für die Etablierung eines Schutzmechanismus’ gegeben“, erinnert sich Flores.
Zwar wurden damals die notwendigen gesetzlichen Vorgaben und Strukturen geschaffen, doch ein wesentlicher Schritt wurde damals nicht getan: „Es wurde kein Etat für die Finanzierung der Schutzmaßnahmen bereitgestellt“, erklärt César Ricaurte, Direktor von Fundamedios. Und dass trotz des Mordes an Fernando Villavicencio, Journalist und Präsidentschaftskandidat, im August 2023.
Ricaurte hat sich als Journalist mit rund dreißig Jahren Berufserfahrung in den letzten zwei Dekaden immer wieder mit den Präsidenten Ecuadors angelegt, weil sie zu wenig für die Pressefreiheit und gegen die dauerhafte Gängelung der Medien getan haben. So wie Ex-Präsident Rafael Correa, der mit der Supercom eine Medienkontrollinstitution schuf, die im Einzelfall den Medien des Landes vorschrieb, was sie zu vermelden hatten.
Von derartigen Verhältnissen sei Ecuador derzeit zwar weit entfernt, allerdings stufe die Regierung des 37-jährigen Präsidenten Daniel Noboa Berichterstatter*innen im Wesentlichen in zwei Kategorien ein: „Mit uns oder gegen uns“, so César Ricaurte. „Aber wir brauchen mehr Zwischentöne, mehr Medien, die der Regierung aufzeigen, dass mediale Vielfalt ein Gewinn ist“.
Auf fundierte Kritik von Seiten der Medien reagiere die Regierung Noboa empfindlich und arbeite umso stärker mit regierungsnahen Medien zusammen, sagt Ricaurte. „So entsteht eine Haltung des Oficialismo, wie wir sie aus Ländern wie Honduras oder Guatemala kennen“, meint Ricaurte. „Dort wurden und werden kritische Journalist*innen oft stigmatisiert. Das könnte auch Ecuador drohen“, warnt der Stiftungsdirektor und mahnt zu mehr Sachlichkeit und zu mehr Schutz.
Höchste Risiken auf lokaler Ebene
„Es ist kein Zufall, dass fast alle der 15 Journalist:innen, die in den letzten 24 Monaten ins Exil gegangen sind, in Lokalmedien gearbeitet haben“, erklärt Dagmar Flores. Die Schließung von Lokalmedien wie zum Beispiel der Tageszeitung „El Ferrodiario“ aus Durán sei für die Medienvielfalt in Ecuador ein herber Verlust – gerade weil das Blatt in einer von den Kartellen weitgehend kontrollierten Stadt für Gegenöffentlichkeit gesorgt habe. Diese fehle nun und dafür macht „Fundamedios“ die Regierung mitverantwortlich.
Ohne Schutz laufen Journalist*innen Gefahr, dass es ihnen so geht wie der Redaktion des in Guayaquil ansässigen Fernsehkanals TC Televisión. Dort war am 9. Januar 2024 ein Kommando Vermummter, mutmaßlich vom Drogenkartell Los Tiguerones eingedrungen, bedrohte Redaktionsmitglieder und entführte mehrere von ihnen. Sie konnten später zum Teil leicht verletzt, gerettet werden.
Liste mit unbequemen Medienleuten
Trotzdem zögert die Regierung Noboa, die im April in einer Stichwahl die Chance hat, das Mandat für eine weitere Legislaturperiode zu bekommen, den Schutz für Medienleute zu finanzieren. Obendrein wisse man, dass innerhalb von Regierungskreisen eine schwarze Liste unbequemer Journalist:innen kursiere, heißt es bei Fundamedios. Ein klarer Verstoß gegen die Pressefreiheit.
Das gleiche gilt für die Praxis, auf regionaler Ebene Journalist*innen immer wieder unter Druck zu setzen. „Sie sollen für lokale Präfekten und Politiker arbeiten, für lausige Löhne de facto Marketing für sie machen“, kritisiert Ricaurte. „Wir kennen Fälle, wo 20 US-Dollar für ein Gefälligkeits-Interview geboten wurden“, sagt er kopfschüttelnd. Ein Zeichen, dass kaum mehr zwischen Journalismus und Kommunikation beziehungsweise Marketing unterschieden wird.
Das spiegelt sich auch an den Universitäten des Landes wider, wo kritischer Journalismus deutlich weniger als Kommunikation gelehrt wird, so Ricaurte. Das Mediensystem Ecuadors steckt in seinen Augen in einer mehrdimensionalen Krise.