Wegen einer aktuellen Gefährdungslage beantragte der iranische Dokumentarfilmregisseur Jafar Najafi Asyl in Deutschland. Nach der Ablehnung seines Antrags fordern mehrere Verbände und Filmschaffende in Hessen nun mit einem offenen Brief ein Bleiberecht für Najafi – in der aktuellen politischen Stimmung auch ein allgemeiner Appell.
„Ich hatte nie zuvor darüber nachgedacht, mein Land zu verlassen“, sagte Najafi bei der Pressekonferenz von AG DOK Hessen und Film- und Kinobüro Hessen. Während Najafi im März dieses Jahres seinen Film „Alone“ beim Iranische Filmfestival im Filmforum Höchst zeigte, durchsuchten iranische Behörden seine Wohnung in Teheran. Dabei beschlagnahmten sie eine Festplatte mit von ihm erstellten dokumentarischen Aufnahmen, die u.a. brutale Polizeigewalt während der Frau-Leben-Freiheit-Proteste in Iran zeigen. Eine Rückkehr in den Iran wäre zu gefährlich und Najafi stellte daher einen Asylantrag in Deutschland.
Seine Anwältin Venous Sander berichtete von den Ablehnungsgründen im Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Das BAMF habe nicht an den „Zufall“ geglaubt, dass Najafis Wohnung genau dann durchsucht wurde, als er sich in Deutschland aufhielt. „Dabei ist der Zugriff für die iranischen Behörden einfach leichter, wenn prominente Personen im Ausland sind“, sagte Sander. Und da Najafi bereits mehrere Filme drehen konnte, sei die Bedrohungslage vom BAMF nicht als akut eingestuft worden. Najafi hatte sich zuvor bewusst auf ländliche Regionen konzentriert, die nicht so sehr im Fokus der Revolutionsgarden stünden. Eine Aufführungserlaubnis im Iran erhielten Najafis Filme trotzdem nie, berichtete der Regisseur bei der Pressekonferenz.
Kinder- und Frauenrechte im Fokus
Kinder- und Frauenrechte nahm Najafi schon immer in den Blick. Die Kritik ist subtil, wie Melanie Gärtner, von der AG DOK Hessen, beschreibt. Wenn man bedenkt, wie man in totalitären Regimen Filme machen kannst, wirkt sie dennoch sehr deutlich. In seinem Film „Alone“, den Najafi im Filmforum Höchst präsentierte, weigert sich der 14-jährige Amir als junges Familienoberhaupt, eine seiner 12-jährigen Schwestern zu verheiraten. Das DOK Fest München beschreibt dies treffend: „Wir begleiten Amir in seinem einsamen Kampf gegen patriarchale Strukturen.“
Mit der Hausdurchsuchung in Teheran wurde nun „erheblich gefahrenbringendes Material gefunden“, sagte Anwältin Sander. Bei den „Jin, Jiyan, Azadi“-Protesten (Frau, Leben, Freiheit) filmte Najafi heimlich. „Das Regime möchte nicht, dass derartige Aufnahmen an die Öffentlichkeit gelangen“, sagt Najafi. Der Regisseur geht davon aus, dass ihn das iranische Regime zur Rückkehr zwingen wolle, auch, um seinen geplanten Film über die Proteste zu verhindern. Die Liste von Najafis Festivalteilnahmen und Preisen ist lang, u.a. IDFA in Amsterdam, DOK Leipzig, London BFI… „Wenn Jafar Najafi einen Film macht, dann sind die Chancen sehr hoch, dass er internationale Aufmerksamkeit bekommt“, sagte Gärtner von der AG DOK Hessen.
Nach der Ablehnung des Asylantrags im Mai beantragte Sander mit Najafi Rechtsschutz. Nun warten sie auf Anhörung und Gerichtsverfahren. Das kann in Kürze stattfinden, oder erst in ein, zwei Jahren, so die Anwältin. „Das politische Klima in Deutschland hat sich verändert“, betont Sander: „Wir brauchen jetzt Öffentlichkeit. Kurz vor der Abschiebung ist es zu spät.“ Erwin Heberling, Geschäftsführer Film- und Kinobüro Hessen, sieht das Engagement für Najafis Bleiberecht auch in einem größeren Zusammenhang und als Appell an die deutsche Politik: „Derzeit tönen überall Abschiebungsforderungen, aber wir müssen uns wieder mit dem Recht auf Asyl befassen.“
Gegenüber Najafi gibt es Drohungen, aber das Regime hält diese bewusst wage, beschreibt Anwältin Sander: „Aufgrund dieses okkulten und subtilen Verfahrens des Regimes ist die Glaubhaftmachung im Asylverfahren bewusst erschwert. Das bedeutet aber nicht, dass keine Gefährdung gibt.“ Auf die Frage, dass es durchaus ein etabliertes Vorgehen von totalitären Regimen sei indirekte Drohungen auszusprechen, und wie diesem Umstand Rechnung getragen werde, ging die Pressestelle des BAMF nicht ein und verwies auf die individuelle Entscheidung jeden Antrags.
Die Ablehnung des Asylantrags behindert aktuell Najafis Arbeit als Regisseur. Mehrere Einladungen zu internationalen Festivals und zu Pitchings, um laufende Projekte zu finanzieren, konnte Najafi nicht wahrnehmen, weil er Deutschland nicht verlassen darf. Die Residenzpflicht hält ihn bis auf die Fahrten zu seinem Deutschkurs in Darmstadt fest, wo er in einer Geflüchtetenunterkunft lebt. Najafi betont: „Mein größter Wunsch ist es weiter in Iran Filme zu machen. Die Umstände lassen es derzeit leider nicht zu.“
Der offene Brief für Najafis kann HIER unterschrieben werden

