Filmtipp: Feuer und Flamme für die Fabrik

Proteste und Straßenblockaden in "Feuer und Flammen für unsere Fabrik"
Foto: ARTE

An dem großen Gastank auf dem Firmengelände haben Arbeiter kleine Gasbehälter angebracht, die wie Sprengladungen aussehen. Auf den Tank hat jemand geschrieben: „On va tout péter“, übersetzt: Wir werden alles in die Luft sprengen. So heißt auch der Film von Lech Kowalski. Der deutsche Titel „Feuer und Flamme für unsere Fabrik“ ertränkt leider die Dramatik in unfreiwilliger Ironie.

Der Gastank steht auf dem Gelände des Autozulieferers GM&S in der französischen Kleinstadt La Souterraine und die Aktion ist der Höhepunkt eines Arbeitskampfes, der 2017 über sieben Monate lang ausgetragen wird. Die Fabrik liefert Autoteile für Renault und PSA, also Peugeot und Citroen. Die Firmenleitung droht mit Schließung, 277 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Die meisten Arbeiter arbeiten dort schon seit Jahrzehnten, meist Männer zwischen 40 und 50, sie würden in der Kleinstadt sonst keine Arbeit mehr finden. Der ganze Ort hängt an diesen Arbeitsplätzen, Familien, Infrastruktur, Kleingewerbetreibende.

Und es ist ein militanter Arbeitskampf. Die Arbeiter blockieren Straßen, demonstrieren, zünden Barrikaden an, besetzen die Fabrik. Gewerkschafter der CGT organisieren Zusammenkünfte und Aktionen. Da die Firmenleitung sich weigert, die Entlassungen zurückzunehmen, greift auch schnell, wie in Frankreich üblich, der Staat ein. Ständig sind Polizei und Gendarmerie im Spiel.

Im Film des Regisseurs Lech Kowalski streift die Handkamera wie beiläufig über das Fabrikgelände, befasst sich mal mit dieser Gruppe, dann mit jener. Sie bewegt sich mitten unter den Streikenden, ist ihnen nah und an ihnen interessiert. So können wir ein Stück teilhaben an den Diskussionen, wir erfahren etwas über die Stimmungen, über Kampfbereitschaft, aber auch Verzweiflung und Resignation. Es geht nicht nur um die Arbeitsplätze allein, es geht auch um die Würde der Fabrikarbeiter. Auch Macron kommt, übrigens unter großem Medieninteresse, vorbei und lässt wissen, er sei auch nicht der Weihnachtsmann. Als es zur massiven Konfrontation zwischen den Streikenden und der Polizei kommt, wird auch die Kamera Teil dieses Streits.

Der polnischstämmige US-amerikanische Regisseur Lech Kowalski hat sich in seinen Filmen immer für Außenseiter interessiert, für Punks, Obdachlose, Junkies. Bekannt geworden ist er mit Musikfilmen etwa über die Sex Pistols (D.O.A., A Rite of Passage). Er hat, das zeigen seine Filme, eine Aversion gegen Autoritäten und eine Affinität mit den Rechtlosen. Ihn interessiert das Moment des Ungehorsams.

„On va tout péter“ war in diesem Jahr auf dem Filmfestival in Cannes vorgestellt worden. Nun läuft der Film auf Arte im Rahmen des alljährlichen Dokumentarfilmfestivals (24.06.2019, 22.15 Uhr). Arte zeigt vom 23. -27.6. internationale Dokumentarfilme, viele Erstaufführungen, darunter der letzte Film der kürzlich verstorbenen Agnes Varda, und einer der besten Dokumentarfilme der letzten Jahre, „I am Not Your Negro“ von Raoul Peck.

 

 

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