Negativrekord der Pressefreiheit

Rangliste der Pressefreiheit 2024. Grafik: RSF

Mehr Übergriffe im Umfeld von Wahlen und eine Rekordzahl von Ländern mit katastrophalen Bedingungen für Medienschaffende. Die Lage der Pressefreiheit hat sich im weltweiten Vergleich weiter deutlich verschlechtert. Dies geht aus der Rangliste der Pressefreiheit 2024 von Reporter ohne Grenzen (RSF) hervor. Der Analyse zufolge befanden sich im vergangenen Jahr 36 Länder in der schlechtesten Wertungskategorie. Das sind so viele wie seit mehr als zehn Jahren nicht.

Eigentlich eine gute Nachricht zum Tag der Pressefreiheit: Deutschland hat sich im vergangenen Jahr auf der Rangliste das Pressefreiheit bis zum 10. Platz hochgearbeitet. Verantwortlich ist ein Rückgang der physischen Übergriffe auf Medienschaffende: RSF verifizierte für das Jahr 2023 insgesamt 41 Übergriffe auf Journalist*innen und Reporter*innen. Im Vorjahr lag die Zahl noch bei 103 – ein Negativrekord –, im Jahr 2021 bei 80.

Der mit der gesunkenen Zahl der Übergriffe verbundene Anstieg auf der Rangliste sollte jedoch nicht täuschen: RSF geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Die Organisation sammelte im Jahr 2023 über die Zahl von 41 Übergriffen hinaus noch viele weitere Fälle von Gewalt gegen Medienschaffende, die jedoch – meist aufgrund fehlender Zeuginnen oder Zeugen – nicht verifiziert werden konnten.

Pressefeindliche Tendenzen haben insgesamt in Deutschland dennoch zugenommen. Besonders im Internet werden Journalist*innen immer wieder diffamiert, manche bekommen gar Morddrohungen. Seit dem Beginn von Israels Krieg gegen die Hamas beobachtet RSF zudem vermehrt Übergriffe auf Medienschaffende bei Pro-Palästina-Demonstrationen. Zudem verzeichnet die Organisation ein neues Phänomen der Pressefeindlichkeit: Landwirtinnen und Landwirte blockierten in mindestens fünf Fällen mit Traktoren die Auslieferung von Zeitungen in mehreren Bundesländern.

Pressefreiheit weltweit unter Druck

Europa ist nach wie vor die Weltregion, in der Journalist*innen am freiesten berichten können – es ist die einzige Region, in der Staaten mit „guter Lage“ der Pressefreiheit vertreten sind. Jedoch hat sich die Lage im Osten und Südosten des Kontinents auch verschlechtert.

In den Palästinensischen Gebieten (157) sterben derzeit weltweit die meisten Journalistinnen und Reporter. Im massiven Krieg der israelischen Streitkräfte gegen die Hamas im Gazastreifen wurden bisher mehr als 100 Medienschaffende getötet. Darunter mindestens 22 bei der Ausübung ihrer Arbeit. Seit Beginn des Krieges versucht Israel (101), die Berichterstattung aus Gaza zu unterdrücken. Im Westjordanland haben die israelischen Behörden seit dem 7. Oktober über 30 Medienschaffende inhaftieren lassen.

Unter furchtbaren Haftbedingungen leiden auch Journalistinnen und Journalisten in China (172). In keinem Land sitzen mehr Medienschaffende im Gefängnis, derzeit sind es mindestens 108.

Mexiko (121) bleibt eines der gefährlichsten Länder der Welt für Medienschaffende – in keinem anderen Land, das sich nicht im Krieg befindet, werden so viele Journalist*innen ermordet. Präsident Andrés Manuel López Obrador hat auch im letzten Jahr seiner Amtszeit keine Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Pressefreiheit umgesetzt.

Ein ebenso rechtsfreier Raum ist Eritrea (180), das neue Schlusslicht auf der Rangliste der Pressefreiheit. Eritrea ist eine Informationswüste, sämtliche existierenden Medien stehen unter direkter Kontrolle des Informationsministeriums. Seit 2001 schottet sich die Diktatur von Isayas Afewerki nach außen hin ab. Die Regierung unterbindet den freien Fluss von Nachrichten und Informationen mit großer Härte und Brutalität.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rechtsstaat lässt Journalist*innen im Stich

Mehr als siebeneinhalb Jahre nach dem schweren Angriff von Neonazis auf zwei Journalisten in Fretterode (Thüringen) im April 2018 beginnt zwei Tage vor Weihnachten am Montag, den 22. Dezember 2025 am Landgericht Mühlhausen das Revisionsverfahren gegen zwei Neonazis aus dem Umfeld von Thorsten Heise in Fretterode (Thüringen).
mehr »

Russland erklärt DW zur «unerwünschten Organisation»

Nach der gestern, am 14. Dezember 2025, bekanntgewordenen Hochstufung des deutschen Auslands-TV durch den russischen Staat von einer Auslandsagenten-Organisation zur unerwünschten Organisation fordert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) den wirksamen Schutz von durch Sanktionen betroffenen Journalistinnen und Journalisten.
mehr »

Freie unter Honorar-Druck

Die prekären Arbeitsverhältnisse im Journalismus sind schon lange bekannt. Besonders trifft es aber freie Journalist*innen, deren Honorare sogar noch weiter sinken. Das hat auch Auswirkungen auf die Art des journalistischen Arbeitens.
mehr »

Anti-SLAPP-Gesetz ungenügend

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di kritisiert das von der Bundesregierung beschlossene Anti-SLAPP-Gesetz. Es beschränke den Schutz vor Einschüchterungsklagen nur auf grenzüberschreitende Fälle. Damit bleibe ein Großteil der realen Bedrohungslagen für Journalist*innen in Deutschland unberücksichtigt.
mehr »