Filmtipp: Hinter den Schlagzeilen

SZ-Reporter Frederik Obermaier im Hotelzimmer Foto: Dok.Fest

Am 5. Mai 2021 startet das 36. DokFest München mit „Hinter den Schlagzeilen“, einem Film über die Arbeit zweier Investigativ-Journalisten der Süddeutschen Zeitung (SZ). Ihnen wurde 2019 das „Ibiza-Video“ zugespielt, das nach seiner Veröffentlichung den österreichischen FPÖ-Vizekanzler zu Fall brachte. Daniel Sagers Dokumentarfilm fängt die aufwändigen Recherchen in der SZ-Redaktion ein und macht so deutlich, wie wichtig seriöser Journalismus in Zeiten von Fake News und Social Media ist.

Auf einem von Blumen umringten Pappschild steht „Daphne we miss you“. Davor stehen die beiden Investigativ-Reporter Frederik Obermaier und Bastian Obermayer. Genau hier war 2017 die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galicia einer Autobombe zum Opfer gefallen. „Wer immer das war, er hat journalistische Recherche mit einem Killerkommando beendet“, sagt Obermayer. Galicia gehörte dem Recherche-Netzwerk „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) an. Darin werteten 400 Reporter aus rund 80 Ländern ein Jahr lang die „Panama-Papers“ aus, welche die internationalen Steuer-und Geldwäschedelikte von Politiker*innen belegten. Ein Whistleblower hatte den beiden renommierten SZ-Reportern zuvor die Dokumente zugespielt.

Daniel Sager begleitet die Reporter auf weitere Reisen, denn sie haben mehrere potentielle Enthüllungsstories in der Pipeline. Es gilt nun, Informanten zu treffen. In Washington verschwinden beide zu einem Gespräch mit einem Geheimdienst-Agenten. Es soll darin um den „gefährlichsten Waffenhändler der Welt“ gehen. Bei Militär und Geheimdienstquellen bestehe für Medien jedoch immer „die Gefahr für gewisse Sichtweisen instrumentalisiert zu werden“, gibt Obermaier zu Bedenken. Die Reporter blicken genauso kritisch auf andere Projekte, eines gibt ihnen besondere Rätsel auf: Ein Insider habe ihnen ein auf Ibiza verdeckt gedrehtes, kurzes Video zugespielt, das eine Regierung zu Fall bringen könnte. Allerdings wolle der Mittelsmann erst am „Tag X“ das vollständige Video zur Verfügung stellen. Was für ein Plan steckt dahinter? Plötzlich trifft das komplette Material in München ein. Die SZ entschließt sich zu einer Kooperation mit dem Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL.

Heute ist allseits bekannt, dass der frühere Vizekanzler HC Strache in diesem Video seine Pläne zur illegalen Parteienfinanzierung sowie zur verdeckten Kontrolle der Kronen-Zeitung kundtat. Doch wie ging die SZ-Redaktion damals bis zur Veröffentlichung des brisanten Videos vor? Daniel Sager ist unmittelbar dabei, als die SZ-Reporter das neue Material sichten. Ist das Video etwa manipuliert? Die vom Direct Cinema inspirierte Kamera beobachtet nun die komplexe Vorgehensweise und die verschiedenen Arbeitsschritte der Journalist*innen: So wird etwa akribisch zu den Urhebern des Videos recherchiert und man lässt es auch durch einen forensischen Gutachter prüfen. Doch welche juristischen Risiken geht die SZ mit der Veröffentlichung des Videos ein?

„Der Film soll die Möglichkeit bieten, einen möglichst authentischen Blick auf die Entstehungsprozesse der Berichterstattung zu erhalten“ sagt Daniel Sager. Dies ist dem Filmemacher gelungen. Und er macht in den heutigen Zeiten des Populismus deutlich, welche Rolle der unabhängige Journalismus als Kontrollinstanz in der Demokratie haben muss und welche Gefahren ihm drohen.


HINTER DEN SCHLAGZEILEN

Regie: Daniel Sager, Deutschland 2021, 90 Min.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Mediengeschehen gibt der neue Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Im Frühjahr nun hat das Internet erstmals das Fernsehen als wichtigste Quelle für „News“ abgelöst. Die gedruckten Auflagen der Pressemedien gehen weiter zurück, die Digitalumsätze legen zu. Fest steht außerdem, Zeitungen erhalten keine Zustellförderung. 
mehr »

Tarifverhandlungen: Unfaire Forderungen

Für die zweite Tarifverhandlungsrunde mit der dju in ver.di hatte der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) ein Angebot zu Tariferhöhungen angekündigt. Doch der Verband legte am 25. Juli in Frankfurt am Main keine konkreten Zahlen vor. Die Tarifverhandlungen hatten am 27. Mai begonnen. Die dju in ver.di fordert zwölf Prozent mehr für Gehälter und Honorare. Damit soll der eingetretene Reallohnverlust ausgeglichen werden.
mehr »

Recherchen für die Demokratie

Die Uhr tickt – politisch und ökologisch. „Der Ton wird rauer, die Angriffe intensiver“, so NDR-Intendant Joachim Knuth im Begrüßungsgespräch mit Daniel Drepper, dem Vorsitzenden der Journalist*innenvereinigung Netzwerk Recherche (NR), die ihre Jahreskonferenz unter das Motto stellte: „Now is the time. Recherchen für die Demokratie“. Etwa 900 Teilnehmende trafen sich beim NDR Fernsehen in Hamburg zu Austausch und Debatte über die Rolle der Medien in Zeiten des politischen Rechtsrucks und der Klimakrise. 
mehr »

Renaissance einer Redaktion in Guatemala

Am 15. Mai 2023 stellte Guatemalas investigative Tageszeitung „elPeriódico“ ihr Erscheinen ein. Rund ein Jahr später sind die Köpfe hinter dem linken Leitmedium mit dem Online-Portal „eP Investiga“ wieder da. Die beiden Buchstaben eP erinnern an den alten Titel des Blattes, das sich dem Kampf gegen die Korruption verschrieben hatte. Offiziell gibt es keine Verbindung zur Familie Zamora und dem nach wie vor in Haft sitzenden Zeitungsgründer José Rubén Zamora. Allerdings tritt das investigative Portal für sein journalistisches Credo ein. 
mehr »