Das sehenswerte Drama behandelt die zwei Leben von Hans Rosenthal: Im November 1978 soll der beliebte jüdische Showmaster, der sich einst vor den Nazis verstecken musste, ausgerechnet an jenem Tag, an dem die Bundesrepublik erstmals an die Pogrome vom 9. November 1938 erinnert, mit der Jubiläumsausgabe von „Dalli Dalli“ Frohsinn verbreiten. Wie sich Florian Lukas den Showmaster angeeignet hat, ist preiswürdig.
Als die meisten westdeutschen Haushalte nur drei Fernsehprogramme empfangen konnten, hatten TV-Shows wie „Dalli Dalli“ donnerstags regelmäßig bis zu 20 Millionen Zuschauer. Hans Rosenthal war einer der größten Stars jener Jahre. Dass er Jude war, wussten die meisten Menschen nicht. In seiner 1980 erschienenen Autobiografie „Zwei Leben in Deutschland“ beschreibt er, wie er nach der Deportation seines kleinen Bruders ins Konzentrationslager die letzten Kriegsjahre allein dank der Unterstützung durch drei nichtjüdische Berlinerinnen in einer Kleingartenanlage überlebte.
Zum Geburtstag von Hans Rosenthal
Am 2. April wäre Rosenthal hundert Jahre alt geworden. Dass das „Zweite“ den Anlass nutzt, um einen seiner beliebtesten Moderatoren zu würdigen, ist respektabel, zumal die Handlung dem ZDF nicht gerade zur Ehre gereicht, aber der Mehrwert des schlicht „Rosenthal“ betitelten Films ist ungleich bedeutender. Autor Gernot Krää, der bei seinem Drehbuch von Rosenthals Kindern unterstützt wurde, sowie Regisseur Oliver Haffner, der die Idee zu diesem Projekt hatte, stellen ein konkretes Datum in den Mittelpunkt.
Am 9. November 1978 möchte das ZDF ein Jubiläum feiern: An diesem Tag wird die 75. Ausgabe von „Dalli Dalli“ übertragen. Ausgerechnet in jenem Jahr will die Bundesregierung erstmals öffentlich an die Pogrome vom 9. November 1938 erinnern. Bundeskanzler Helmut Schmidt wird in einer Feierstunde in der Kölner Synagoge auftreten, Rosenthal soll als Ehrengast teilnehmen. Shows waren damals Live-Sendungen, die Termine lange im Voraus geplant, und Vertrag ist Vertrag; aber der Moderator will nicht so tun, als ob dies ein Tag wie jeder andere wäre.
Autobiografie als Mahnung
In dramaturgisch klug integrierten Rückblenden lassen Krää und Haffner Rosenthals Jugenderinnerungen einfließen, aber davon abgesehen konzentriert sich der Film auf das Jahr 1978, und natürlich steht und fällt so ein Projekt mit dem Hauptdarsteller. Wie sich Florian Lukas die Persönlichkeit des Moderators einverleibt hat, ist bemerkenswert und preiswürdig. Sprechweise und Habitus wirken verblüffend authentisch. Trotzdem ist sein Rosenthal weit mehr als eine Imitation: Der mit Anfang fünfzig immer noch jugendlich wirkende und vielfach ausgezeichnete Schauspieler lässt bei allem Frohsinn, den der Moderator auch bei den Begegnungen mit seinen Fans ausstrahlt, stets eine gewisse Melancholie und Tiefgründigkeit durchschimmern.
Auf diese Weise entspricht das Drama geradezu vorbildlich Rosenthals Vermächtnis. Seine Autobiografie ist eine Mahnung zur Versöhnung. Im Film formuliert seine langjährige Show-Assistentin Monika Sundermann (Teresa Rizos) das Credo ihres Chefs, und es wird kein Zufall sein, dass diese Schlüsselsätze exakt zur Hälfte des Films fallen. Vor vierzig Jahren, hat er ihr anvertraut, hätten ihn die „Dalli-Dalli-Freunde“, die ihn heute bejubeln, ohne zu zögern denunziert. Seine Gegenstrategie bestehe darin, die Leute „durch Höflichkeit, durch Respekt und Menschlichkeit auf einen anderen Kurs zu bringen“; sie liebten ihn, weil er ihnen Freude am Leben schenke. Der von Hans-Jochen Wagner als bräsiger Lerchenbergfürst verkörperte Show-Chef des ZDF, der Rosenthal für seine tolle Arbeit „an der Unterhaltungsfront“ lobt, steht für die Haltung jener Jahre: „Die Menschen wollen Spaß haben und nach vorn schauen, nicht mehr zurück.“
Angst haben heute auch die Enkel
Geschickt gibt Krää jedoch auch jenen eine Stimme, die das anders sahen: Eine engagierte junge Mitarbeiterin (Maya Sara Unger) der Jüdischen Allgemeinen hält die Gedenkfeier für eine Alibi-Veranstaltung, sie fordert vom sichtlich beeindruckten Rosenthal, die wenigen prominenten Juden müssten endlich „ihren Mund aufmachen“. Ihre Großmutter hat stets einen gepackten Koffer griffbereit. Die alte Frau hat das KZ überlebt, „aber die Angst ist geblieben.“
Dass diese Angst heute auch die Enkelgeneration erfasst, verleiht dem Film eine bedrückende Aktualität. Aber selbst ohne den Bezug zur Gegenwart wäre „Rosenthal“ ein herausragender Film, und das nicht nur wegen des Dilemmas der Hauptfigur: Der Blick hinter die sehr überzeugend gestalteten Kulissen ist faszinierend, das Ensemble, darunter Silke Bodenbender als Gattin und Claude Albert Heinrich als junger Hans, ist ausnahmslos vorzüglich. Darüber hinaus verdeutlichen Haffner und Krää, die bereits beim sehenswerten Protestdrama „Wackersdorf“ (2020) kooperiert haben, wie viel harte Arbeit nötig ist, damit eine Unterhaltungsshow unbeschwerte Leichtigkeit vermitteln kann.
Das ZDF zeigt „Rosenthal“ am 7. April um 20.15 Uhr, der Film steht seit dem 22. März in der ZDF-Mediathek, ebenso wie die „Dalli Dalli“-Jubiläumsausgabe vom 7. November 1978 und die Dokumentation „Hans Rosenthal – zwei Leben in Deutschland“, in der unter anderem die beiden Kinder des Moderators zu Wort kommen. Am 2. April wäre der 1987 an Krebs gestorbene Rosenthal 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass veröffentlicht die Bastei-Lübbe-Tochter Quadriga seine Autobiografie in neuer Ausstattung.