Hommage an die Zeitung

Was steht in der Zeitung? Taxifahrer in Miami, USA. Foto: Eddy Posthuma de Boer

Was steht in der Zeitung? Taxifahrer in Miami, USA. Foto: Eddy Posthuma de Boer

Das Museum für Kommunikation Berlin zeigt die Ausstellung „Zeitungsleser:innen. Fotografien von Eddy Posthuma de Boer“ und erinnert an eine Zeit, in der gedruckte Zeitungen im Straßenraum sehr präsent waren – nicht nur, weil sich Menschen auf diese Weise mit Informationen versorgten. Posthuma de Boer gehört zu den bekanntesten holländischen Fotograf*innen der Nachkriegszeit, viele seiner Reportagen entstanden auf weltweiten Reisen.

Ein Mann im Café, vor ihm – gebändigt durch einen hölzernen Zeitungsstock – eine großformatige Zeitung. Eine Frau auf einer Parkbank, mit kritischem Blick in die Lektüre einer Zeitung vertieft. Noch nicht lange ist es her, dass solche Situationen im öffentlichen Raum allgegenwärtig waren. Mittlerweile besitzen sie Seltenheitswert. In der U-Bahn, im Restaurant, auf der Straße, auf der Eingangstreppe: Die Leute starren auf das Display des allgegenwärtigen Smartphones.

Der holländische Fotograf Eddy Posthuma de Boer hat in mehr als fünf Jahrzehnten zeitungslesende Menschen in aller Welt abgelichtet und damit eine analoge und doch mobile Welt der Information und der Nachrichten festgehalten. Rund 80 der entstandenen Arbeiten präsentiert nun das Museum für Kommunikation Berlin (MfK) in der Kabinettausstellung „Zeitungsleser:innen“. Sie wirft einen liebevollen und zugleich nostalgischen Blick zurück auf das sinnlich-haptische Vergnügen des Lesens gedruckter Zeitungen.

Keine inszenierten Bilder

85 Länder hat de Boer bereist. So ist die Ausstellung auch ein buntes Kaleidoskop aus fünf Kontinenten. Die Serie entstand zwischen den 1950er Jahren bis zum Jahr 2000, als Zeitungen im Straßenraum sehr präsent waren. Sie zeigt Menschen in verschiedenen Alltagssituationen, wie sie sich informieren oder Zeitungen auch auf ganz andere Weise nutzen. Das reicht vom Wiener Kaffeehaus über das Taxi in Miami bis zum Vergnügungspark auf einem Dach in Tokio, aber auch bis zum Kind, das mit Zeitungen spielt oder bis zum Obdachlosen, der sich damit bedeckt. „De Boers Bilder sind nie inszeniert, sie sind oft beiläufig im Vorübergehen fotografiert, sie zeigen kurze Augenblicke. Jedes einzelne Foto erzählt eine kleine wunderbare Geschichte. Sie offenbart sich nicht gleich, aber wir denken sie uns“, so Nils Beugeling, Freund de Boers und Kurator der Ausstellung.

Unterwegs auf der Straße

Auf seinen Reisen wurde de Boer oft von seinem Freund und Kollegen Cees Nooteboom begleitet, der eher als Schriftsteller bekannt ist. Noteboom war aber auch lange als Journalist tätig. So entstanden viele gemeinsame Reportagen für Tageszeitungen und Magazine.

Eddy Posthuma de Boer (1931–2021) war einer der bekanntesten niederländischen Fotografen der Nachkriegszeit, der auch für seine Porträts und seine Dokumentationen der Jugend- und Pop-Kultur bekannt ist. „Auf seinen Reisen ging er wie ein Sammler vor und bearbeitete gleichzeitig verschiedene Projekte“, erklärt Beugeling. Beispielsweise habe er auch immer wieder Straßenmusiker oder Obdachlosigkeit dokumentiert.

Für Anja Schaluschke, Direktorin des MfK, war es eine Herzensangelegenheit, die Zeitungsleser*innen auszustellen. „Wie sich Menschen informieren, wie Menschen miteinander kommunizieren, ist Kernthema unseres Hauses. Und auch der Zeitpunkt war perfekt, die Fotos von De Boer bilden den künstlerischen Auftakt für unsere große Sonderausstellung NACHRICHTEN-NEWS ab dem 11. Oktober 2024.“


Ausstellung „Zeitungsleser:innen. Fotografien von Eddy Posthuma de Boer“. Bis 12. Januar 2025 im Museum für Kommunikation Berlin, Leipziger Str. 16, 10117 Berlin
https://www.mfk-berlin.de/

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

ver.di fordert Schlichtung bei ARD

Seit Januar 2024 sind die Tarifverhandlungen für die ARD-Rundfunkanstalten NDR, WDR, BR und SWR ohne Ergebnis geblieben. Organisierte Beschäftigte fordern angesichts des Reallohnverlusts der letzten zwei Jahre einen Inflationsausgleich. Nun hat ver.di zusammen mit den Gewerkschaften DJV und unisono dem SWR den Entwurf einer Schlichtungsvereinbarung zukommen lassen. Damit soll endlich Bewegung in die Tarifauseinandersetzung kommen.
mehr »

Neues Urteil gegen Kieler Nachrichten

Schlappe für den Verlag der Kieler Nachrichten: Das Landgericht Flensburg hat untersagt, dass der Verlag in Verträgen mit hauptberuflich freien Journalist*innen unzulässige Klauseln vereinbart. Erneut geklagt hatten der Deutsche Journalisten-Verband und die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di. Zukünftig darf die Kieler Zeitung Verlags- und Druckerei KG-GmbH & Co. die Klauseln nicht mehr nutzen, da sie unklar und unverständlich sind und die freien Mitarbeiter unangemessen benachteiligen.
mehr »

Ein Drittel weniger Aufträge durch KI

Neue Studie zeigt: Generative Künstliche Intelligenz (KI) sorgt für hohe Einbrüche in der Nachfrage freiberuflicher Tätigkeiten wie Lektorat und Schreibarbeiten. Zugleich wächst das Budget für komplexere Arbeiten. Unternehmen und Bildungseinrichtungen müssen demnach Fort- und Weiterbildung zu KI-Tools ermöglichen, um Chancengleichheit auf dem sich dadurch verändernden Arbeitsmarkt zu gewährleisten.
mehr »

72 Angriffe auf die Pressefreiheit

Die aktuelle Ausgabe des Monitoring-Berichts von Media Freedom Rapid Response (MFRR) dokumentiert und analysiert die Verletzungen der Medienfreiheit, die sich in der ersten Jahreshälfte 2024 in Europa ereignet haben. In Bezug auf Deutschland wurden 72 Vorfälle registriert, von denen 116 Medienschaffende oder -einrichtungen betroffen waren. Der Bericht stellt eine neue Qualität von Protesten fest, in deren Kontext es auch zu Einschränkungen der Medienfreiheit kam.
mehr »