Smart-Genossenschaft für Selbstständige

Foto: Tanja Barthel

Smart klingt nicht nur schlau, sondern ist es auch. Die solidarökonomische Genossenschaft mit Sitz in Berlin hat seit ihrer Gründung im Jahr 2015 vielen selbstständig Tätigen eine bessere und stärkere soziale Absicherung verschafft – genau der Bereich, der bei aller Flexibilität und Selbstbestimmtheit, die das selbstständige Arbeiten mit sich bringt, viel zu oft hinten runterfällt.

Zumindest machen sich sehr viele Menschen, die nicht fest angestellt sind, dazu besonders viele Sorgen, weiß Magdalena Ziomek, Mitgründerin und Co-Geschäftsführerin von Smart. Die hohen Kosten der Krankenversicherung, Unsicherheiten im Hinblick auf das Statusfestellungsverfahren und der Scheinselbstständigkeit – „viele leiden unter diesen Begleiterscheinungen“. Smart schafft hier Abhilfe und bietet Selbstständigen die Möglichkeit als Angestellte der Genossenschaft von der Sicherheit der Anstellung zu profitieren.

Mit inzwischen über 1.000 Mitgliedern ist die deutsche SmartDe eG Teil eines Netzwerkes von Genossenschaften in europäischen Ländern wie Spanien, Italien, Österreich oder Schweden: Allein in die belgische Smart-Genossenschaft sind seit ihrer Gründung 1998 inzwischen über 70.000 Mitglieder eingetreten.

Das Pendant zur Künstlersozialkasse

In Deutschland ist die Genossenschaft organisch gewachsen und bietet ihren Service Selbstständigen aus dem Dienstleistungsbereich deutschlandweit an. Ursprünglich gestartet im Kultur- und Kreativsektor vereint die Genossenschaft heute über 30 Berufsgruppen aus den Bereichen IT & Softwareentwicklung, Unternehmensberatung, Bildung und vielen anderen. Im Kreativbereich richtet sich die Genossenschaft hauptsächlich an Berufstätige die nicht über die Künstlersozialkasse (KSK) abgesichert sind. Diese übernimmt einen relativ hohen Anteil der Krankenkassenkosten.

Wer aber zum Beispiel im technischen Bereich oder in der Bildung selbstständig tätig ist, wird in der Regel nicht in die KSK aufgenommen. Oder Kreative wollen sich weiterbilden oder ganz den Beruf wechseln – auch sie fallen sehr wahrscheinlich aus der KSK heraus. Und sind dann gut in der Smart eG aufgehoben. Zugleich gibt es Kreative, die zu viele Aufträge aus nicht-künstlerischen Einkommen erhalten, auch etliche Journalist*innen seien darunter, so Ziomek. „Man glaubt immer, Kreativität ist eine unerschöpfliche Quelle, aber viele brauchen dazu etwas ruhiges, einen Ruhepol in den klassischen Strukturen des ständig Innovativsein-Müssens. Die Genossenschaft ist in dieser Hinsicht auch ein Gegenpol zum mitunter sehr herausfordernden Arbeitsumfeld von Menschen aus der Kreativbranche“, findet die Geschäftsführerin. Auch Zugezogene – die bei Smart 60 Prozent der Mitglieder ausmachen – können hier umfassende Hilfe beim Ankommen in Anspruch nehmen. Menschen aus über 50 Nationen sind in der Genossenschaft versammelt.

Genossenschaft wird zur Arbeitgeberin

Wer in die Genossenschaft eintritt, wird von ihr angestellt und gibt einen geringen Teil seines Verdienstes ab, damit die laufenden Verwaltungskosten getragen werden können. Die Genossenschaft wird zur Arbeitgeberin. Das Spektrum ist breit: Von Reinigungsbetrieben über Anti-Bias-Trainer*innen, von Tänzer*innen bis Veranstaltungstechniker*innen. „Wir übernehmen die Verwaltung, beraten bei der Rechnungsstellung, übernehmen einen Teil der Kommunikation mit Auftraggeber*innen, bieten rechtlichen Schutz und führen auch Gerichtsverfahren“, berichtet Magdalena Ziomek. Dazu gehöre natürlich eine gewisse Sensibilität: „Das Verhältnis unserer Genoss*innen zu ihren Kund*innen ist uns heilig“, lacht Ziomek. Insofern ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Mit offensichtlichem Erfolg, denn Zahlungsverzug durch Kund*innen gebe es zum Beispiel kaum, so die Smart-Mitgründerin. Auch steigen tatsächlich nur sehr wenige Menschen wieder aus der Genossenschaft aus,– vier waren es im Jahr 2024. Dafür wachsen die Herausforderungen an anderer Stelle. Nicht nur ändern sich die Auftragslagen in einigen Branchen mitunter rasant – auch die psychischen Anforderungen wachsen. „Was wir da an Veränderungen bei manchen Berufsgruppen erleben, wie beispielsweise bei den Übersetzer*innen seit dem Einsatz von KI, ist enorm“, beschreibt die Kunsthistorikerin. Noch vor der Pandemie hätten diese Bereiche, genauso wie Coaching und Unternehmensberatungen, geboomt.

Die Corona-Pandemie war eine Bewährungsprobe für die Genossenschaft und veritable Rettung für ihre Mitglieder. Dann waren plötzlich 70 Prozent der Genoss*innen auf Kurzarbeit, was ihnen eine stabile finanzielle Situation ermöglicht und ihnen bis heute währende Probleme und Unsicherheiten – Stichwort Rückzahlung von Soforthilfen für Soloselbstständige – erspart hat.

Flexibel für soziale Gerechtigkeit

Gewinne fließen laut Satzung in die Erweiterung der Dienstleistungen, verspricht die Geschäftsführung. Wie zum Beispiel – zusammen mit Fördermitteln – in den Übergang von der rein analogen Beratung hin zu einer digitalen Plattform, wodurch ungleich mehr Menschen beraten und unterstützt werden können. Gerade diese Entwicklung habe Smart enorm vorangebracht, sagt Ziomek. Das innovative Arbeitsmodell hat der Genossenschaft 2022 unter anderem den ersten Preis in der Kategorie Transformation bei der Auszeichnung für Berlins soziale Unternehmen beschert. Seit Januar 2025 gibt den WorkCoopHub: eine Möglichkeit für Genoss*innen, sich auch untereinander zu vernetzen und weiterzubilden.

Allgemeine Informationsveranstaltungen zu Smart finden wöchentlich online statt, anschließend geht es in die Erstberatung: Passt es überhaupt zusammen? Wer einsteigt, hat nicht immer gleich die Vision einer sozial gerechteren Arbeit, sondern sucht manchmal auch nur die Dienstleistung der administrativen Unterstützung in der Genossenschaft. Das ist okay, findet die Geschäftsführerin. „Uns ist es vor allem wichtig die Arbeitsbedingungen von einzelnen Selbstständigen zu verbessern und dadurch einen positiven Effekt auf das Gemeinwohl zu haben. Mitglieder verbessern durch die Anstellung in der Genossenschaft ihre wirtschaftliche, finanzielle und soziale Lage – das erleichtert nicht nur den Zugang zu Krediten oder dem Wohnungsmarkt, sondern stärkt auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt – insbesondere für Newcomer*innen aus dem Ausland“, beschreibt Mit-Geschäftsführerin Alicja Möltner.

Auch das Kernteam selbst musste und muss durch Prozesse gehen: „Das Geschäftsmodell auf die Beine zu stellen war eine Reise mit vielen Unwägbarkeiten in den letzten Jahren. Wir sind als Team gewachsen, haben unbekannte Wege genommen und doch immer wieder daran geglaubt, mit der Genossenschaft einen echten Unterschied für Selbstständige zu machen“, erklärt Möltner. Und Magdalena Ziomek ist sich sicher: „Die Mitgliedschaft bei Smart ist für viele Mitglieder eine lebensverändernde Entscheidung“.

 

 

 

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