Die Ergebnisse eines Forschungsprojekts zeigen, dass und wie Soziale Medien den Zusammenhalt in Nachbarschaften fördern können. Zwar sei eine niedrigschwellige Zugänglichkeit und eine auf realen Begegnungen basierende Vertrauensebene unerlässlich, aber die Online-Kommunikation schaffe unter Umständen eine neue Qualität sozialer Nähe, so die Forschenden.
Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien können eine bedeutende Rolle bei der Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Nachbarschaften spielen. Dies ist das zentrale Ergebnis eines durch die Stiftung Mercator geförderten und nun abgeschlossenen Forschungsprojekts, das unter der Leitung von Jan Üblacker von der EBZ Business School und der ILS Research mit dem Wissenschaftler Simon Liebig bearbeitet wurde. Die Forschenden beschreiben, wie die Funktionsweise der Sozialen Medien und die geteilten Inhalte mit dem lokalen Sozialkapital interagieren und dadurch verschiedene Aspekte der sozialen Kohäsion verstärken können.
„Entscheidend ist jedoch, dass diese Katalysatorfunktion nicht universell wirkt, sondern stark vom bereits vorhandenen sozialen Kapital einer Nachbarschaft abhängt“, betont das Forscherteam. In Nachbarschaften, in denen sich die Bewohner*innen bereits kennen und einander vertrauen, können Messenger-Chats oder unter anderem Facebook-Gruppen den Austausch zusätzlich erleichtern und den Zusammenhalt weiter festigen.
Digitale Öffentlichkeiten mit lokalem Bezug
Online-Nachbarschaftsgruppen bilden eine besondere Form digitaler Öffentlichkeit, die um einen lokalen Bezugspunkt – die Nachbarschaft – strukturiert ist. Diese geteilte räumliche Verbindung verändert, wie in den Gruppen kommuniziert und Gemeinschaft erlebt wird: Wer hier schreibt oder liest könnte den Nachbar*innen auch auf der Straße zu begegnen. Diese doppelte Verankerung – im digitalen Raum und in der physischen Umgebung – schafft eine neue Qualität sozialer Nähe, argumentieren Liebig und Üblacker in ihrer qualitativen Studie.
Risiko der verstärkten Ungleichheit und neue Teilhabebarrieren
Die Forschenden weisen jedoch auch auf potenzielle Risiken hin. Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien können sozialräumliche Ungleichheit in Städten verstärken, da Nachbarschaften mit geringem Sozialkapital von den Vorteilen der lokalen digitalen Vernetzung weniger profitieren. Zudem kann die notwendige Preisgabe persönlicher Daten in Online-Nachbarschaftsgruppen, geringe digitale Fähigkeiten und die Leistbarkeit von Geräten und Tarifen eine zusätzliche Barriere darstellen, die eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe verhindern.
Für eine wirksame Förderung des nachbarschaftlichen Zusammenhalts durch digitale Informations- und Kommunikationstechnologien und Soziale Medien empfehlen die Forschenden, den Zugang zu Online-Gruppen in der Hausgemeinschaft und Nachbarschaft möglichst niedrigschwellig zu gestalten, durch „offline“ Begegnungen zu ergänzen und Informationen stärker mit lokalen Besonderheiten des jeweiligen Ortes zu verknüpfen. Eine besondere Rolle kommt dabei den Moderator*innen der Gruppen zu: Sie setzen Regeln, binden Neuzugezogene ein, gestalten den Rahmen für den Austausch und tragen wesentlich dazu bei, dass Diskussionen respektvoll und gemeinschaftlich verlaufen.
Mithilfe von Videos haben die Forschenden ihre Ergebnisse aufbereitet und zur Verfügung gestellt.