Wie bereits vor über 100 Jahren Autokraten Einfluss über eine von ihnen kontrollierte Presselandschaft nahmen, hat Peter Heller in seinem neu aufgelegten Film „Der vergessene Führer“ von 1982 über den Medienzar Alfred Hugenberg aufgearbeitet. Dieser erscheint zusammen mit einem Buch über den Rüstungs- und Medienunternehmer.
Im Zuge der Trump-Musk-Connection fiel im deutschen Feuilleton in den letzten Monaten immer wieder ein Name, der in hierzulande kaum noch bekannt sein dürfte: Alfred Hugenberg. Sie haben sich mit diesem Mann näher beschäftigt. Wer war das, Alfred Hugenberg?
Eigentlich war er ein Mann der Wirtschaft. Er kam aus der Montanindustrie, leitete dann als Vorsitzender des Direktoriums das Finanzwesen beim Krupp-Konzern und hat sich später mit der Medienwirtschaft verheiratet. Hugenberg übernahm 1916 den Scherl-Verlag, einen der drei bedeutendsten Verlage im Reich. Daraus entwickelte Hugenberg ein konservatives Medienimperium, inklusive dem damals neuen Massen-Medium Film.
Hugenbergs politische Ansichten waren völkisch und reaktionär, und später agierte er auch als völkischer Politiker. Seine Medien hingegen waren formal revolutionär, etwa durch den Einsatz von Boulevard-Schlagzeilen, ihre markante Gestaltung im Layout oder die neuartige Illustration mit Fotos. Zudem übernahm Hugenbergs Verlag sehr viele Lokalzeitungen und konnte auch darüber die Reichweite seiner deutschnationalen Presse massiv ausbauen.
Mit Pressekontrolle die Republik zerschlagen
Der Hugenberg-Konzern kontrollierte damals etwa die Hälfte der deutschen Presse und trug mit nationalistischer und antidemokratischer Propaganda maßgeblich zur Zerstörung der Weimarer Republik bei. Über Hugenberg und sein Medienimperium haben Sie bereits 1982 einen Dokumentarfilm produziert und dazu zusammen mit dem Historiker Klaus Warnecke ein Buch veröffentlicht. Beides wurde kürzlich wieder aufgelegt. Was hat Sie damals dazu gebracht, dieses Filmprojekt zu machen?
In einigen meiner Dokumentarfilme hatte ich mich in den Siebzigern mit deutscher Kolonialzeit beschäftigt. Im Zuge dessen begegnete mir selbstverständlich auch der Alldeutsche Verband, einer der wichtigsten und größten völkischen Organisationen im Kaiserreich – und irgendwann auch Alfred Hugenberg, der einer seiner Gründungsmitglieder war. Dass Hugenberg bei Krupp – dem „Kanonenkönig“ dann in den Medien anfing, fand ich besonders interessant.
Das hat auch ein bisschen mit meiner politischen Biographie zu tun: In den 68ern wurde ich während des Studiums an der Filmhochschule in München politisch und war dort auch an Demonstrationen gegen Springer und die Bild-Zeitung beteiligt. Als ich von Hugenbergs Medienimperium erfuhr, zog ich sofort Parallelen zur Gegenwart. Und als ich jetzt vor wenigen Jahren die ersten gemeinsamen Fotos von Elon Musk und Verlagsboss Matthias Döpfner sah, packte mich der Impuls, mahnend meinen Film-Essay wieder zu zeigen.
Wie haben Sie für Ihren Film recherchiert? Mit welchen Quellen haben Sie gearbeitet?
Bei der Zusammenarbeit mit dem Historiker Klaus Wernecke war ich für die erste Film-Archivrecherche zuständig, etwa im Bundearchiv oder im Archiv der Süddeutschen Zeitung, wohin gegen Ende des Zweiten Weltkrieges das gesamte Bildarchiv des Scherl-Verlags ausgelagert worden war. Zudem haben ich Gespräche mit ehemaligen Verlagsmitarbeitern geführt, die in unseren Film als Interviewsequenzen Eingang gefunden haben. So zum Beispiel die Gespräche mit den Journalisten Hans Georg von Studnitz und Fritz Lucke, die beide bei Medien des Scherl-Verlags angefangen und dann unter den Nazis, und sogar nach 1945 Karriere gemacht hatten. Darüber hinaus konnte ich vor der Kamera auch ehemalige Drucker und Setzer des Scherl-Verlags interviewen.
Influencer für die Diktatur
In welchem Verhältnis stand der völkische Politiker und Medienunterzar Hugenberg zu Hitler und zur NSDAP?
Hugenberg hatte die Hälfte der Presse kontrolliert und trug mit antidemokratischer Propagandaentscheidend zur Zerstörung der Weimarer Republik bei. Er wurde 1933 im ersten Kabinett von Adolf Hitler Reichswirtschafts- und Landwirtschaftsminister. Seine Karriere als Minister war aber nur sehr kurz. Er hatte nicht erwartet, vom politischen Konkurrenten Hitler kalt gestellt zu werden. Hitler hatte in seinem Koalitionspartner ein reines Fossil des Kaiserreiches gesehen. Bereits 1937 ging Hugenbergs Ufa auf die NS-kontrollierte Cautio GmbH über und sein restliches Pressereich blieb bis Ende 1943 unangetastet. Der Scherl-Verlag wurde erst 1944 von den Nazis unmittelbar übernommen. Doch lange schon waren Hugenbergs Mitarbeiter alle zur NSDAP übergelaufen.
Darüber erzählen ja auch die beiden Zeitzeugen im Film.
Fritz Lucke wurde „Reichsschriftleiter“. Hans Georg von Studnitz versuchte mir im Interview zu erklären, dass er und andere junge Deutsche um die dreißig die Nazis gerade in Kontrast zu „den Kaisertreuen“ der Deutschnationalen Volkspartei von Hugenberg als mutig, dynamisch und erfrischend fanden – ähnlich wie das heute manche Rechtslastige bei Trump sehen. Von Studnitz wurde unter den Nazis Korrespondent für den Berliner Lokalanzeiger unter anderem in Rom, wo er sich in Artikeln begeistert von Mussolini zeigte.
Von Studnitz wirkte als NS-Propagandist und verfasste zahlreiche markant antisemitische Artikel. Nach Kriegsende wurde er fester Mitarbeiter der Wochenzeitungen Christ und Welt und von Axel Springers Welt am Sonntag sowie beim Bayernkurier, dem Parteiblatt der CSU, und beim erzkonservativen Deutschland Magazin. Auch Fritz Lucke hat nach 1945 bei Lokalzeitungen Karriere gemacht. Hugenberg selbst war „entnazifiziert“ worden und starb 1951 zurückgezogen auf seinem Landgut. Von vielen wurde er vergessen – bis heute.
Wie genau hat die Propaganda in den Medien des Hugenberg-Konzerns funktioniert? Welche Themen waren da zentral?
Das, was man später an der Bild-Zeitung fand, das hat alles im Berlin der 20er Jahre angefangen, in der politischen Boulevardpresse des Scherlverlages. Das war dieses Schreihalsmäßige, wenn auch noch nicht ganz so krass und vulgär wie bei den Nazis. Als Thema war dabei die „Dolchstoßlegende“ zentral. Sie wurde nicht allein in Hugenbergs Printmedien, sondern auch in Kinos und den zu seinem Medienimperium gehörenden Wochenschauen verbreitet. Damals gab es ja noch kein Fernsehen und das Radio war noch im Kommen. Im Prinzip war in den Medien des Hugenberg-Konzerns alles Reaktionäre aus der Vorzeit des Ersten Weltkrieges drin. Die Nazis haben darauf aufgebaut und es weiter gesteigert.
Aus Angst arrangiert
In ihrem Film wird ebenfalls deutlich: obwohl der Hugenberg-Konzern so reaktionäre Positionen verbreitete, arbeiteten für den Scherl-Verlag auch viele sozialdemokratische oder sogar kommunistische orientierte Menschen etwa als Drucker und als Setzer. Wie ordnen Sie das ein?
Die wirklich ganz Kritischen wurden gefeuert oder gar ins KZ gesteckt. Jemand wie der in unserem Film portraitierte alte Setzer war ein kleines Licht, der hatte sich zurückgehalten und einfach seien Job gemacht. So wie wahrscheinlich die meisten das tun in einer Diktatur. Und wenn dazu noch eine Wirtschaftskrise kommt, haben die Leute besonders starke Angst davor, ihren Job zu verlieren, so dass sie sich arrangieren und von nichts mehr wissen wollten. So war das auch beim Hugenberg-Konzern.
Was lässt sich aus Ihrer Sicht aus der Geschichte von Alfred Hugenberg und seinem Verlag für die Gegenwart lernen?
Wie problematisch es ist, wenn die Industrie sich den Medien annähert oder sie sogar übernimmt. So etwa wie wir das aktuell und als Extrembeispiel mit Elon Musk in den USA sehen. In Deutschland gehören für mich da zum Beispiel die
Wernecke, Klaus/Heller, Peter (2023): Medienmacht und Demokratie in der Weimarer Republik: Das Beispiel des Medienzaren und vergessenen Führers Alfred Hugenberg, Frankfurt/M.2023
Absprachen zwischen Springer und der Montanindustrie schon in den 50er Jahren dazu. Auch die Spenden der Industriellen an Verlage. Dass die AfD aktuell immer erfolgreicher wird, ist für mich eigentlich noch viel extremer als die Situation damals in der Weimarer Republik.
Hitler und die NSDAP hatten ihre großen Erfolge Ende der 20er Jahre. 1932 sind sie bei einer Wahl plötzlich recht abgestürzt, wurden aber von der Deutschnationale Volkspartei und anderen konservativen Kreisen gerettet, indem mit den Nazis zusammengearbeitet und später auch koaliert wurde. Heute haben wir mit bundesweit um die25 Prozent für die AfD – und dazu noch aus USA und Russland gefördert – eine andere, noch extremere Situation als zu Beginn der 1930er Jahre – erst recht, wenn Stimmen der AfD bei Abstimmungen im Parlament nötig werden und „Brandmauern“ der bürgerlich-konservativen Parteien geschichtsvergessen wackeln.
Zum Film:
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