Nachrichtenvermeidung nimmt zu

Museum für Kommunikation Berlin / Vincent Villwock

Retten innovative Formate das sinkende Vertrauen in Nachrichten? Bild: Museum für Kommunikation Berlin/Vincent Villwock

Der „Reuters Digital News Report“ stellt fest:  Zwei Drittel der Deutschen vermeiden es inzwischen mindestens gelegentlich, sich mit aktuellen Nachrichten zu beschäftigen. Gleichzeitig wollen viele wissen, was los ist. Was da scheinbar nicht zusammenpasst, stellt sich angesichts der Nachrichteninhalte in Teilen nachvollziehbar dar – ein genauerer Blick auf den Bericht.

71 Prozent der gut 2000 für den Reuters Digital News Report 2025 vom Hamburger Leibniz-Institut für Medienforschung befragten deutschen Internet-User stimmten der Aussage zu, dass sie es glegentlich aktiv vermeiden würden, sich mit Nachrichten zu beschäftigen. Im vergangenen Jahr waren es 69 Prozent, 2019 war es noch knapp mehr als die Hälfte. Insgesamt basiert die Studie auf den Antworten von fast 100.000 Befragten aus 48 Ländern auf sechs Kontinenten. Die Befragung in Deutschland wurde im Januar 2025 durchgeführt.

Trotz des hohen Vermeidungsanteils der in Deutschland Befragten betont das Leibniz-Institut, dass das Vertrauen in Nachrichten in Deutschland allein dadurch auf einem hohen Niveau bleibe, dass 45 Prozent der erwachsenen Online-Bevölkerung der Ansicht seien, man könne dem Großteil der Nachrichten in der Regel vertrauen. 91 Prozent konsumieren demnach allgemein mehr als einmal pro Woche Nachrichten. 66 Prozent der erwachsenen Online-Bevölkerung in Deutschland konsumieren mindestens einmal pro Woche Nachrichten im Internet. Die meistgenutzte Quelle im Internet sind soziale Medien wie Facebook, X oder YouTube (33 Prozent). In der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen konsumiert jede zweite Person regelmäßig Nachrichten auf derartigen Plattformen.

Soziale Medien als einzige Quelle

Für rund ein Drittel der 18- bis 24-Jährigen stellen soziale Medien die wichtigste Nachrichtenquelle dar. Etwa jede sechste Person (17 Prozent) in dieser Altersgruppe kommt ausschließlich in sozialen Medien mit Nachrichteninhalten in Kontakt. Darüber hinaus schauen 61 Prozent der erwachsenen Internetnutzer*innen in Deutschland mindestens einmal pro Woche eine Nachrichtensendung im linearen Fernsehen. In der jüngsten Altersgruppe sind es knapp ein Drittel. Für die Mehrheit der erwachsenen Online-Bevölkerung (43 Prozent) ist das lineare Fernsehen zugleich auch die wichtigste Quelle für Nachrichten, dicht gefolgt von Nachrichtenquellen im Internet (42 Prozent).

Nachrichten drücken die Stimmung

Zu den Gründen von zeitweiliger Vermeidung gaben die in Deutschland Befragten vorrangig an, dass die Nachrichten sich negativ auf ihre Stimmung auswirken würden und ihrer Ansicht nach zuviel über Kriege und Konflikte berichtet werde. Zugleich fühlten sich viele von der Menge der Nachrichten überfordert. Bis zu 28 Prozent geben an, die Nachrichten als nicht vertrauenswürdig oder voreingenommen einzuschätzen.

ARD führt Ranking an

Neben den genutzten Nachrichtenquellen interessiert die Studie, auf welche konkreten Nachrichtenanbieter die erwachsene Online-Bevölkerung in Deutschland regelmäßig zugreift, wobei zwischen Online- und Offline-Nutzung unterschieden wird.

Spitzenreiter unter den regelmäßig genutzten Offline-Marken im Jahr 2025 sind lineare Nachrichten der ARD. 39 Prozent der Befragten schalten Das Erste innerhalb einer gewöhnlichen Woche ein (2024: 40 Prozent), gefolgt von Nachrichtensendungen des ZDF mit 32 Prozent (2024: 31 Prozent). Danach kommen die Offline-Nachrichtenangebote des privaten Anbieters RTL auf eine wöchentliche Reichweite von 23 Prozent (2024: 25 Prozent).

Radio, Fernsehen, Zeitungen

Insgesamt 76 Prozent der Befragten schauen oder hören Nachrichten über mindestens eine der abgefragten Marken im linearen Fernsehen oder Radio und 56 Prozent im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ebenfalls bei sinkender Tendenz. Zu gedruckten Zeitungen oder Nachrichtenmagazinen greifen 43 Prozent der Befragten mindestens einmal wöchentlich (2024: 37 Prozent), allen voran zu regionalen oder lokalen Tageszeitungen mit 21 Prozent (2024: 20 Prozent).

Der meistgenutzte Nachrichtenanbieter im Internet, also auf Websites, Apps, in sozialen Medien oder auf anderen digitalen Kanälen, ist gleichbleibend die Tagesschau mit 17 Prozent wöchentlicher Reichweite. Die Online-Nachrichteninhalte von t-online und Bild erreichen jeweils 14 Prozent (2024: 16 bzw. 13 Prozent).

Zusammengenommen werden Online-Nachrichten von Medienmarken, die ihren Ursprung im Printbereich haben, von 43 Prozent der Befragten mindestens einmal wöchentlich genutzt. Zu den reichweitenstärksten Angeboten in dieser Kategorie zählen neben Bild insbesondere Der Spiegel, Focus sowie Regional- oder Lokalzeitungen. Auf Online-Nachrichten von Rundfunk-Anbietern greifen 40 Prozent der Befragten in einer gewöhnlichen Woche zu und ein Viertel konsumiert regelmäßig Online-Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (2024: 27 Prozent). Nachrichten von reinen Online-Anbietern wie zum Beispiel t-online, web.de oder gmx.net kommen auf eine wöchentliche Reichweite von 34 Prozent (2024: 39 Prozent).

Skepsis gegenüber KI

Dem Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Journalismus wird überwiegend mit Skepsis begegnet. 54 Prozent der Befragten fühlen sich bei der Nutzung von Nachrichten, die hauptsächlich durch KI produziert wurden, eher oder sehr unwohl. Etwas größer ist die Akzeptanz, wenn Nachrichten lediglich mit etwas Hilfe von KI, aber hauptsächlich von menschlichen Journalist*innen produziert wurden (34 Prozent).

 

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