Nach dem Überfall russischer Truppen auf das Nachbarland Ukraine reagieren nicht nur die EU und die NATO mit Sanktionen und Waffenlieferungen. Gewerkschaften und die Zivilbevölkerung in vielen Ländern äußerten Entsetzen, protestieren und zeigen sich solidarisch mit der Ukraine. Am 27. Februar gingen in Berlin Hunderttausende auf die Straße, um „Nein zu Putins Krieg. Frieden jetzt“ zu fordern. In Russland selbst regt sich ebenfalls Widerstand.
„Unsere Solidarität und unser Respekt gehört den mutigen Menschen in der Ukraine. Präsident Putin, beenden Sie diesen Angriffskrieg!“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke auf der gemeinsamen Großkundgebung von Gewerkschaften, Friedens-, Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen, an der nach Angaben der Veranstalter rund 500.000 Menschen auf der Straße des 17. Juni teilgenommen haben.
Deutschland stehe in einer besonderen historischen Verantwortung gegenüber Russland und der Ukraine. Deshalb sei es richtig gewesen, dass die Bundesregierung bis zur letzten Minute versucht habe, durch Vermittlungen den Frieden zu bewahren. „Auch jetzt ist es die Aufgabe Deutschlands, Gesprächskanäle offen zu halten und die Rückkehr zum Frieden möglich zu machen“, sagte Werneke weiter. Gleichzeitig forderte Werneke die EU-Kommission und die Bundesregierung auf, umfassende humanitäre Unterstützung zu leisten: „Die Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, brauchen unsere Solidarität: Lasst die Grenzen offen“, appellierte der ver.di-Vorsitzende. Respekt und Anerkennung gebühre auch den mutigen Friedensaktivistinnen und -aktivisten, die in Russland gegen den Krieg auf die Straße gehen. Werneke: „Präsident Putin – stoppen Sie die Verhaftungen, lassen Sie unsere Freunde frei!“
Laut Angaben des russischen Bürgerrechtsprojekts OWD-Info waren bereits am Tag des Überfalls bis in die Nacht hinein in 52 russischen Städten mehr als 1742 Menschen bei Protestaktionen gegen den Krieg festgenommen worden. Inwischen sei die Zahl der Verhafteten auf fast 2000 in 67 Städten gestiegen. Genaue Aufstellungen gibt es aus Moskau, St. Petersburg, Krasnodar, Jekaterinburg, Saratow und weiteren Orten.
Auch in sozialen Netzwerken und in wenigen unabhängigen Medien artikulierte sich Protest. So veröffentlichte die „Novaja Gazeta“ am 24. Februar zahlreiche Stimmen von Künstlern, Musikern und Schauspielern gegen den Krieg. „Nichts ist schrecklicher als Bruderkriege, sie sind blutig. Sie sind hoffnungslos“ wird etwa der Regisseur Pavel Lungin zitiert. „Wir sind Bürger Russlands und kategorisch nicht einverstanden mit aggressiven Angriffen auf unsere Nachbarn!“, heißt es von der Pop-Gruppe „Pornofilme“.
Bekanntlich hatten sich auch russische Wissenschaftler und Akademiker mit einem offenen Brief an den Präsidenten gewandt, der binnen kurzem von 700 Personen unterzeichnet wurde: „Wir erklären unseren entschlossenen Protest gegen die Militäraktionen der Streitkräfte unseres Landes auf dem Territorium der Ukraine.“ Putin habe einen fatalen Schritt getan, der nicht nur enorme Verluste an Menschenleben fordere, sondern auch die Grundlagen des bestehenden internationalen Sicherheitssystems untergrabe.
Protest kommt auch von europäischen Gewerkschaften und gewerkschaftlichen Dachorganisationen. So fordert der Europäische Gewerkschaftsbund, dass die russischen Truppen die Ukraine sofort verlassen und die EU sowie die nationalen Regierungen den Druck auf Putin erhöhen müssen. Sanktionen gegen Russland werden im Namen von 92 Mitgliedsgewerkschaften aus 39 europäischen Statten und von zehn assoziierten Gewerkschaftsföderationen ausdrücklich unterstützt. Die Konföderation stehe in engem Kontakt zu ihren Mitgliedsgewerkschaften in der Ukraine, unterstütze auf diesem Wege finanzielle und humanitäre Hilfe für die ukrainische Bevölkerung und setze sich für die Schaffung möglichst sicherer Fluchtkorridore ein.
Auch die Europäische Journalisten Föderation EJF und darin die dju in ver.di haben sich dieser Initiative angeschlossen. EJF-Generalsekretär Ricardo Gutiérrez bekräftigte zudem die Solidarität mit den ukrainischen Journalistengewerkschaften NUJU und IMTUU, die weiter unterstützt werden sollen.
Der PEN hat sich mit einem Offenen Brief besonders an die Kolleg*innen in der Ukraine gewandt. Mehr als 1000 Schriftsteller*innen und Autor*innen weltweit verurteilen darin Russlands Einmarsch in die Ukraine. Betont wird: „Alle Menschen haben ein Recht auf Frieden, freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit. Putins Krieg ist ein Angriff auf Demokratie und Freiheit, nicht nur in der Ukraine, sondern auf der ganzen Welt. Wir rufen gemeinsam zum Frieden auf und fordern ein Ende der Propaganda, die die Gewalt schürt. Es kann kein freies und sicheres Europa ohne eine freie und unabhängige Ukraine geben.“
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat inzwischen angekündigt, in der Europäischen Union gegen Kriegspropaganda durch die russischen Staatsmedien vorgehen zu wollen. „Sputnik“ und „Russia Today“ sowie ihre Tochtergesellschaften „werden nicht mehr in der Lage sein, ihre Lügen zur Rechtfertigung von Putins Krieg zu verbreiten“, erklärte sie. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell unterstützt das Vorhaben.
Ergänzung d. Red.: Reporter ohne Grenzen sieht dagegen ein solches Vorgehen kritisch. Man befürchtet, „dass die negativen Auswirkungen eines solchen Verbots auf die Berichterstattung aus Russland schwerer wiegen als die kurzfristig beabsichtigten Effekte“.
Spendenaktion für ukrainische Kolleg*innen
Journalist*innen in der Ukraine sind in großer Gefahr. Sie brauchen dringend Schutz- und Notfallausrüstung. Auch die Exiljournalist*innen, die das Land bereits verlassen mussten, benötigen finanzielle Unterstützung. Netzwerk Recherche ruft gemeinsam mit den Partnern n-ost, FragDenStaat, Reporter ohne Grenzen und der taz Panter Stiftung zu einer Spendenaktion auf. (1. März 2022)
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