Beschwerden unbegründet

Foto des toten Flüchtlingskindes am Strand – ein Dokument der Zeitgeschichte

Der Presserat hat auf der Sitzung des Beschwerdeausschusses 1 am 2. Dezember wegen schwerer Verstöße gegen den Pressekodex neun öffentliche Rügen ausgesprochen. Als Dokument der Zeitgeschichte bewertete der Ausschuss die Fotos des ertrunkenen Jungen, dessen Leichnam an einem Strand in Bodrum gefunden worden war.

Es lagen 19 Beschwerden gegen diverse Zeitungen/Zeitschriften vor, die den Jungen in ihren Print- und Onlineausgaben gezeigt hatten. Alle Beschwerden erachtete der Ausschuss als unbegründet. Die Aufnahmen des Kindes sind nicht unangemessen sensationell und nicht entwürdigend. Der vierjährige Junge war auf der Flucht mit seiner Familie über das Mittelmeer ertrunken. Das Bild löste vielfältige Emotionen aus und hatte weltweit Diskussionen über Flüchtlingspolitik angestoßen. Aus Sicht des Beschwerdeausschusses steht das Foto symbolisch für das Leid und die Gefahren, denen sich die Flüchtlinge auf ihrem beschwerlichen Weg nach Europa aussetzen. Die Dokumentation der schrecklichen Folgen von Kriegen, der Gefahren des Schlepperwesens und der Überfahrt nach Europa begründet ein öffentliches Interesse. Das Gesicht des Kindes ist nicht direkt zu erkennen. Seine Persönlichkeitsrechte werden nicht verletzt.
Als unbegründet zurückgewiesen wurden auch Beschwerden zum Foto der toten Flüchtlinge in einem Lastwagen, das verschiedene Boulevardzeitungen veröffentlicht hatten. 71 Menschen waren in einem von Schleppern gefahrenen Lastwagen erstickt. Aus Sicht des Presserats handelt es sich hier um die Berichterstattung über ein schweres Verbrechen. Hieran bestehe ein öffentliches Interesse. „Die Redaktion dokumentiert mit dem Foto die schreckliche Realität, ohne die abgebildeten Menschen zu entwürdigen. Diese sind auch nicht identifizierbar”, heißt es in der Begründung. Das Foto sei furchtbar. Dennoch dürfe die Realität gezeigt werden, „solange die Darstellung nicht unangemessen sensationell ist in dem Sinne, dass die Opfer erneut zu Opfern werden”. Das sei hier nicht der Fall. Die Berichterstattung lenke den Fokus auf die Gefahren und Probleme, mit denen Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa konfrontiert seien, so der Presserat, dem dazu 20 Beschwerden vorlagen. www.presserat.de

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Pokerspiele der Süddeutschen Zeitung

Bei einer Betriebsversammlung des Süddeutschen Verlags am vergangenen Dienstag ruderte Geschäftsführer Dr. Christian Wegner etwas zurück. Er deutete an, dass der Stellenabbau in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung (SZ) nicht ganz so dramatisch ausfallen könnte wie bislang befürchtet. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Verlag in München für das laufende Jahr mit einem Abbau von 30 Vollzeitstellen plant. Die dju in ver.di kritisiert das Vorhaben scharf.
mehr »

Leipzig: Rechtswidrige Durchsuchung

Ein 19-jähriger Journalist hatte im Juni vergangenen Jahres Fotos einer Antifa-Demonstration im Internet veröffentlicht. Die Staatsanwaltschaft Leipzig durchsuchte daraufhin seine Wohnräume und beschlagnahmte mehrere Datenträger. Seine nachgewiesene journalistische Tätigkeit wurde dabei ignoriert. Das Landgericht Leipzig bezeichnet das Vorgehen nun als rechtswidrig.
mehr »

Fake oder Fiktion: Wer darf was?

Bei Fake News dreht es sich meist um Falschaussagen, Lügen, die als Journalismus getarnt sind oder Angriffe auf die Pressefreiheit. In der Literatur hat Wahrheit und Authentizität einen ganz anderen Stellenwert. Bei der Gesprächsrunde „Fake News oder Fiktion?“ auf der diesjährigen Buchmesse im Leipzig loteten die Teilnehmer*innen die Grenzen zwischen journalistischen und belletristischen Formaten aus.
mehr »

Die Stimmung ist pressefeindlich

In Deutschland hat sich in den letzten Jahren eine immer pressefeindlichere Stimmung ausgebreitet, das zeigt die jetzt veröffentlichte Nahaufnahme Deutschland von Reporter ohne Grenzen (RSF). Während der Pandemie schnellte die Zahl der Übergriffe auf Berichterstattende in die Höhe. Auch der Rückblick auf das vergangene Jahr zeigt: Diese Tendenz ist noch nicht vollständig zurückgegangen. Für 2023 konnte RSF 41 Übergriffe auf Medienschaffende verifizieren. Im Jahr 2022 waren es 103.
mehr »