BKA-Daten: Untauglich für Akkreditierung

Die deutschen Sicherheitsbehörden haben ein eklatantes Problem mit Demokratie und Rechtsstaat. Was sich nach den umstrittenen Ereignissen rund um den G20-Gipfel in Hamburg bereits angedeutet hatte, wird nach den jüngst bekannt gewordenen Fakten zur Gewissheit. Es gibt eine Datensammelwut beim Bundeskriminalamt und diese häufig fehlerhaften Daten werden dann vom Bundespresseamt offenbar ungeprüft für den Entzug von Akkreditierungen herangezogen.

Offenkundig speichern das Bundeskriminalamt und andere Polizeibehörden auf äußerst fragwürdiger rechtlicher Basis und in bislang ungeahntem Umfang Daten – nicht nur über Journalistinnen und Journalisten. Über Jahre war es offenbar gängige Praxis, dass mitunter viele Jahre zurückliegende Bagatelldelikte zu politischen Straftaten aufgebauscht wurden und Vergehen Eingang in die behördlichen Datenbanken fanden, die es gar nicht gab. Ein Journalist, der Polizisten fotografiert hat, ein anderer, der von einem Rechtsradikalen wegen Beleidigung angezeigt wurde, ein Fotograf, der bei einer Demonstration zufällig da stand, wo Randalierer einen Böller warfen, ein weiterer Journalist, der in seiner Jugend an gewaltfreien Aktionen von Robin Wood teilgenommen hat – sie alle finden sich, wie wir nun wissen, zusammen mit tatsächlichen Straftätern in den Datenbanken der Sicherheitsbehörden wieder.

Und auf Basis dieser Dateien entschieden Bundeskriminalamt und Bundespresseamt im Juli, zahlreiche Journalistinnen und Journalisten auf eine mehrseitige schwarze Liste zu setzen, ihnen die Akkreditierung zum G20-Gipfel zu entziehen und damit ihr Recht auf freie und ungehinderte Berichterstattung zu beschneiden. Die Pressefreiheit, ein hohes Gut, wurde mit fadenscheinigen Gründen massiv eingeschränkt. Und aus Nichtigkeiten formulierten die Sicherheitsbehörden die ebenso gewagte wie stigmatisierende Prognose, dass von den betroffenen Kolleginnen und Kollegen eine Gefahr für Sicherheit und Ordnung ausgehen könnte. Die schwammigen Formulierungen des BKA und des Bundespresseamtes über „Sicherheitsbedenken“, die man aus Gründen des Datenschutzes nicht näher zu erläutern vermochte, legten schon damals den Verdacht nahe, dass es eher darum ging, missliebige Berichterstattung zu unterbinden. Zu vermuten ist zudem, dass in den Datenbanken weit mehr als die vom Entzug ihrer Akkreditierung betroffenen 32 Journalistinnen und Journalisten zu finden sind.

Bundesregierung und Bundestag sind nun aufgefordert, für Aufklärung zu sorgen. Der rechtswidrige und fragwürdige Umgang mit den Daten muss untersucht und umgehend abgestellt werden. Journalistinnen und Journalisten sollten überlegen, bei den Sicherheitsbehörden Auskunft darüber zu verlangen, welche Daten über sie gespeichert wurden. Offensichtlich wurde, dass die BKA-Datenbanken nicht dazu taugen, dass eine Behörde wie das Bundepresseamt danach über die Berufsausübung von Journalistinnen und Journalisten entscheidet. Als Bundesbehörde muss es rechtsstaatliche Verfahren gewährleisten, damit solche schwerwiegenden Pannen sich nicht wiederholen.

Peter Freitag ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten Union (dju) in ver.di 

 

 

 

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