Meinung
Es war die 2. Folge von „Klar“, einem gemeinsam mit dem BR produzierten Format, die die Bauernproteste zum Anlass nahm, dem norddeutschen Bauern Thomas Schneekloth unwidersprochen vom Leder ziehen zu lassen. Die Sendung, so der Taz-Autor, könne „als Werbung für die AfD interpretiert werden“.
Man kann der Journalistin nicht vorwerfen, dass sie sich meinungsstark mit komplexen Themen beschäftigt, darin das Mittel der vereinfachenden Zuspitzungen wählt und auch nicht, dass sie dabei auch noch gängige gesellschaftspolitische Positionen vertritt. Im Grunde ist das am Ende sogar langweilig. Viel entscheidender ist die Frage nach der Botschaft, die der NDR selbst aussendet – wenn er einen Beitrag bringt, in dem ein Landwirt interviewt wird, der die rechtsextreme AfD wählt und auch deren politische Ansichten vertritt. Angesprochen auf die verbriefte Verfassungsfeindlichkeit der Partei, darf er in die Kamera sagen: „Nee, glaube ich nicht. Ich glaub’ tatsächlich, dass die Regierung damit die Opposition bloß kleinhalten will.“ Ein Beitrag, der keine Gegenrecherche bemüht und in der es keine einzige andere Stimme zum Thema Bauernproteste gibt als die von Schneekloth.
Falscher Eindruck erzeugt
Die Milchbäuerin Kirsten Wosnitza findet dazu auf ihrem Blog „Diskuhsion“ klare Worte: „Die ARD-Sendung unterzieht seine (Schneekloths, Anm.) Entscheidung keiner kritischen Betrachtung. Es entsteht der fatale Eindruck, die AfD sei eine legitime Antwort auf agrarpolitische Missstände.“ Ottmar Ilchmann, der niedersächsische Landesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, bezeichnet die „Klar“-Episode in der taz als „unterirdisch“. Es sei „krass, wie sehr der NDR jetzt auf Bauernverbandslinie eingeschwenkt ist.“ Es habe eine deutliche Abkehr von einer einstmals kritischen Berichterstattung gegeben.
Blickt man auf das Beispiel der Klimaforscherin Claudia Kemfert, drängt sich der Eindruck auf, dass nicht nur beim NDR eine zweifelhafte Tendenz zu bemerken ist. „Kemferts Klima-Podcast“ im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) lief seit vier Jahren. „Bis zu 40.000 Menschen hörten sich manche der Folgen an“, heißt es in einer Anfang Juli veröffentlichten Correctiv-Recherche. Ein progressives Format und eine hohe Zahl von Zuhörenden – der Podcast hatte laut Recherche im internen Vergleich konstant unter den „Top 15-Angeboten des Senders“ gelegen.
Klimaforschung abgesetzt
Trotzdem wurde der reichweitenstarke Podcast jetzt abgesägt. Mit sofortiger Wirkung, laut Correctiv. Die schmallippige Begründung beim MDR lautet „Kompetenzbündelung“, was angesichts von Kemferts Sachverstand nicht ganz glaubhaft wirkt. Bei Correctiv geht man weiter und sieht in der Aktion den Auftakt für eine neue Klimaberichterstattung, die „nicht aktivistisch!“ zu sein habe, wie es in einer neuen Ausschreibung heißt.
Während die rechtsextreme AfD den ÖRR sowieso komplett schleifen will, biedert sich die CDU (vor allem in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt) inzwischen soweit der rechten Tonlage an, zu fordern, die hier dominierenden grünen und linken Positionen müssten mindestens zurückgedrängt werden. Der ÖRR solle gefälligst gesellschaftliche Stimmungen abbilden – gemeint ist: wie in der Reportage „Klar“. Aber wenn sich der ÖRR jetzt bereits derart dem Druck von rechts beugt, der die Anstalten mit Programmbeschwerden und Hetze belästigt und bedroht, dann ist das erst der Anfang. Denn das Ziel rechtsextremer Klimawandelleugner ist klar: Langfristig geht es darum unabhängige und kritische Berichterstattung loszuwerden.