Brutaler Angriff auf Gewerkschafter

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Trotz Verbots: «Querdenken»-Aufmarsch in Berlin Foto: picture alliance/dpa | Fabian Sommer

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ist entsetzt über den brutalen Angriff auf einen Gewerkschafter am Rande einer nicht genehmigten „Querdenken“-Demonstration am 1. August 2021 in Berlin-Kreuzberg. „Diese brutale Gewalttat zeigt überdeutlich, dass es bei den sogenannten ‚Querdenker‘-Demos nicht um Kritik und Meinungsfreiheit geht, sondern um eine Ansammlung von Feinden der Demokratie“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz am Montag in Berlin.

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di verurteilte die brutale Attacke auf ihren Landesgeschäftsführer in Berlin-Brandenburg, Jörg Reichel, durch Teilnehmer einer nicht genehmigten „Querdenken“-Demonstration in Berlin noch am selben abend. „Wir stehen solidarisch an der Seite unseres Kollegen, der seit dem vergangenen Jahr unter großem persönlichen Einsatz die Kundgebungen der sogenannten Querdenker beobachtet und dort für die Medienschaffenden und die Pressefreiheit eintritt“, erklärte die Bundesgeschäftsführerin der dju in ver.di, Monique Hofmann.

Inzwischen, so Hofmann, konnte Kontakt zu dem Kollegen aufgenommen werden, der im Krankenhaus behandelt werden musste, aber den Umständen entsprechend körperlich wieder hergestellt sei.

Reichel sei, an der Spitze eines ungenehmigten Demonstrationszuges, bei dem Versuch, mit dem Handy eine 360-Grad-Aufnahme zu machen, brutal angegriffen worden. Zwei Personen, einer Frau und einem Mann, habe er zunächst noch entkommen können. Doch im Verlauf mischte sich ein weiterer Angreifer ein. Reichel wurde vom Fahrrad gestoßen, geschlagen, getreten und unter seinem Rad eingeklemmt. Erst als Passanten eingriffen, konnten die Schläger zurückgedrängt werden.

Noch in der Notaufnahme hat Reichel Anzeige wegen Körperverletzung erstattet. „Da die Straftat politisch einzuordnen ist, wird sie vermutlich an das Landeskriminalamt abgegeben“, so die dju-Bundesgeschäftsführerin.

Jörg Reichel sei bereits seit Monaten von Personen aus der Querdenken-Szene diffamiert und bedroht worden. Sein Name und sein Foto kursierten in einschlägigen Telegram-Kanälen. „Jörg hat sich davon nicht einschüchtern lassen und weitergemacht. Er hat zahllose Journalistinnen und Journalisten, die von diesen Demos berichten, unterstützt und sich dafür eingesetzt, dass sie sicher arbeiten können.“ Für dieses Engagement als Gewerkschafter sei er nun selbst offenbar gezielt angegriffen worden, so dju-Bundesgeschäftsführerin Hofmann.

„Wir verurteilen den Angriff auf unseren Kollegen, der während der gestrigen Demonstration wie seit langem bei Protesten in Berlin Journalistinnen und Journalisten begleitet hat. Wir erwarten, dass diese Gewalttat mit Nachdruck aufgeklärt und die Täter vor Gericht gestellt werden“, sagte auch Frank Wolf, ver.di-Landesbezirksleiter Berlin-Brandenburg. Derartige Taten seien besonders schwerwiegend, wenn sie gezielt gegen einzelne Personen begangen werden. Damit sind sie zugleich auch Angriffe auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Von einer „verabscheuungswürdigen Tat“ sprach Renate Gensch, Vorsitzende der Deutschen Journalisten Union (dju) im ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg. „Die körperliche Unversehrtheit und auch die Pressefreiheit sind höchstes Gut.“

„Es ist höchste Zeit, dass Sicherheitsorgane und Behörden die selbsternannten ‚Querdenker‘ nicht länger als Impfkritiker verharmlosen, sondern die demokratiefeindlichen Bestrebungen, die sich immer wieder in Angriffen auf Polizei und Journalist*innen zeigen, ernst nehmen und mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpfen“, bekräftigte ver.di-Vorstand Schmitz. „Wir wünschen Jörg Reichel gute Besserung und werden uns gemeinsam, als ver.di und dju, weiterhin entschieden für eine freie und gute journalistische Berichterstattung einsetzen.“

Aktualisierung am 2. August: Laut epd hat auch die Bundesregierung die Gewalttat scharf verurteilt. Demnach sprach die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer von einem „Missbrauch des Demonstrationsrechts“.

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