Bundesrat stoppt Whistleblowergesetz

Whistleblower umfassend schützen! Foto: 123rf

Der Bundesrat hat das Gesetz zum Schutz von Wistleblowern gestoppt, das im Dezember vom Bundestag beschlossen worden war. Darin waren ein umfassenderer Schutz und mehr Anlaufstellen für Hinweisgeber vorgesehen. Mit der Annahme wäre Deutschland einer EU-Richtlinie nachgekommen, die bereits im Dezember 2021 hätte in nationales Recht umgesetzt sein sollen. Einige Regelungen gingen CDU und CSU zu weit.

„CDU/CSU lassen Whistleblower mit ihrer Blockadehaltung im Bundesrat erneut im Stich, wie bei allen früheren Anläufen für ein Hinweisgeberschutzgesetz“, kritisierte die Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk, Annegret Falter. „Den Schaden davon haben nicht nur die Whistleblower, sondern auch Demokratie, Rechtsstaat und die Wirtschaft selber.“ Derzeit würden viele Hinweisgeber durch fehlende Rechtsklarheit und Rechtssicherheit abgeschreckt.

Die Union hatte schon im Bundestag gegen das Gesetz gestimmt. Sie begründete das auch in der Länderkammer am 10. Februar  mit einem zu hohen bürokratischen Aufwand und zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft, vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen. 

Kritik an dem Umsetzungsgesetz hatte es aber vorher bereits von verschiedenen Seiten gegeben. Vielen gingen die Regelungen nicht weit genug, sie kritisierten höhere Hürden, um Informationen über Korruption und Missstände gegenüber Medien offenzulegen. Wegen der Lücken zweifelte die dju in ver.di an der im Koalitionsvertrag versprochenen „rechtssicheren und praktikablen“ Umsetzung der EU-Richtlinie. 

Mit dem Gesetz sollen Missstände leichter aufgedeckt werden. So sollen Behörden und Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern eine Anlaufstelle für die Meldung von Korruption, Betrügereien und weiteren Missständen einrichten. Außerdem soll es eine zusätzliche Stelle beim Bundesamt für Justiz geben. Jetzt muss voraussichtlich der Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag einen Kompromiss aushandeln.

 


Aktualisierung am 15.2.2023

EGMR stärkt Whistleblower

Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat am 14. Februar ihre lang erwartete Entscheidung im Fall Halet gegen Luxemburg verkündet. Der Antragssteller Raphaël Halet ist einer der beiden Whistleblower im weltweit beachteten LuxLeaks-Skandal. Der EGMR habe Halet auf ganzer Linie recht gegeben, ihn von strafrechtlicher Verantwortung befreit und den Staat Luxemburg zur Zahlung von insgesamt 55.000€ verurteilt, meldete das Wistleblower-Netzwerk. „Ganz besonders unterstreicht das Gericht dabei das erhebliche öffentliche Interesse an der Offenlegung von Informationen über die Steuervermeidungspraktiken internationaler Großkonzerne“, erläuterte Dr. Simon Gerdemann, der die Interventionsschrift von Whistleblower-Netzwerk verfasst hat. Durch die Entscheidung des EGMR sieht das Netzwerk  den deutschen Gesetzgeber in der Pflicht, das kürzlich noch im Bundesrat von CDU/CSU blockierte Hinweisgeberschutzgesetz an die vom EGMR festgestellte Menschenrechtslage anzupassen.


Aktualisierung am 16.2.2023

Klage vor dem Europäischen Gerichtshof

Die Europäische Kommission verklagt Deutschland nun vor dem Europäischen Gerichtshof, weil die Regierung die Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern nicht vollständig umgesetzt hat. Neben Deutschland werden auch Tschechien, Estland, Spanien, Italien, Luxemburg, Ungarn und Polen juristisch belangt, wie die EU in Brüssel mitteilte.

Der Europaabgeordnete Rasmus Andresen (Grüne) begrüßte am Mittwoch, dass die Kommission mit der Klage den Druck auf die Bundesrepublik erhöht habe. „Die unionsgeführten Länder im Bundesrat stellen sich mit ihrer Ablehnung der Whistleblower-Richtlinie auf die Seite von betrügerischen Unternehmen und Führungskräften, statt diejenigen zu schützen, die auf Missstände hinweisen“, erklärte er.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Buchtipp: Das Prinzip Trotzdem

Wie könnte ein selbstbewusster Journalismus aussehen, der sich gegen die aktuelle Medienkrise zu behaupten weiß und sich auf seine zentrale Rolle für funktionierende demokratischen Gesellschaften besinnt? Roger de Weck war Zeit-Chefredakteur, Generaldirektor des Schweizer Radios und Fernsehens sowie Mitglied des Zukunftsrats für Reformen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks in Deutschland. In seinem jüngst erschienenen Essay „Das Prinzip Trotzdem. Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen“ beschäftigt er sich mit genau diesen Fragen.
mehr »

„PR-Puppen“ proben den Aufstand 

Kreative, die der Tech-Konzern OpenAI (ChatGPT, DALL-E) zu einem geschlossenen Produkttest eingeladen hatte, leakten den Testzugang kürzlich und griffen OpenAI in einem Protestschreiben öffentlich an. Sie warfen dem Unternehmen u.a. vor, sie für Marketing und PR zu missbrauchen und Art Washing zu betreiben.Eine teilnehmende Person schildert M , wie es zu dem Leak kam und was Techkonzerne künftig bei der Zusammenarbeit mit Kreativen besser machen können.
mehr »

Studienergebnisse: Worlds of Journalism

Was bedeutet es heute, Journalist*in zu sein? Welche Dynamiken und Entwicklungen lassen sich im Berufsfeld wahrnehmen? Was brauchen wir, um gute und professionelle Arbeit machen zu können? Zu diesen Fragen führt das Langzeitforschungsprojekt „Worlds of Journalism“ seit 2007 weltweit Befragungen durch. Von 2021 bis 2023 ging die Studie in die dritte Runde. Unterstützt von UNESCO und der International Federation of Journalists, fokussiert die aktuelle Umfrage auf den Themenkomplex Risiken und Ungewissheiten. Ein Blick in die Schweiz.
mehr »

Presseversorgung: Bestens versichert

Die Vertreterversammlung der Versicherten der Presseversorgung hat beschlossen, die aktuelle Gesamtverzinsung im kommenden Jahr beizubehalten. In 2025 erhalten Kunden für das Vorsorgekonzept Perspektive eine Gesamtverzinsung von 4,3 Prozent. Diese ergibt sich aus einer laufenden Verzinsung von 3,0 Prozent und einer Schlusszahlung von 1,3 Prozent. Beim Produktkonzept InvestFlex wird der sichere Teil ebenfalls mit 4,3 Prozent verzinst.
mehr »