Der Bundesrat hat das Gesetz zum Schutz von Wistleblowern gestoppt, das im Dezember vom Bundestag beschlossen worden war. Darin waren ein umfassenderer Schutz und mehr Anlaufstellen für Hinweisgeber vorgesehen. Mit der Annahme wäre Deutschland einer EU-Richtlinie nachgekommen, die bereits im Dezember 2021 hätte in nationales Recht umgesetzt sein sollen. Einige Regelungen gingen CDU und CSU zu weit.
„CDU/CSU lassen Whistleblower mit ihrer Blockadehaltung im Bundesrat erneut im Stich, wie bei allen früheren Anläufen für ein Hinweisgeberschutzgesetz“, kritisierte die Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk, Annegret Falter. „Den Schaden davon haben nicht nur die Whistleblower, sondern auch Demokratie, Rechtsstaat und die Wirtschaft selber.“ Derzeit würden viele Hinweisgeber durch fehlende Rechtsklarheit und Rechtssicherheit abgeschreckt.
Die Union hatte schon im Bundestag gegen das Gesetz gestimmt. Sie begründete das auch in der Länderkammer am 10. Februar mit einem zu hohen bürokratischen Aufwand und zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft, vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen.
Kritik an dem Umsetzungsgesetz hatte es aber vorher bereits von verschiedenen Seiten gegeben. Vielen gingen die Regelungen nicht weit genug, sie kritisierten höhere Hürden, um Informationen über Korruption und Missstände gegenüber Medien offenzulegen. Wegen der Lücken zweifelte die dju in ver.di an der im Koalitionsvertrag versprochenen „rechtssicheren und praktikablen“ Umsetzung der EU-Richtlinie.
Mit dem Gesetz sollen Missstände leichter aufgedeckt werden. So sollen Behörden und Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern eine Anlaufstelle für die Meldung von Korruption, Betrügereien und weiteren Missständen einrichten. Außerdem soll es eine zusätzliche Stelle beim Bundesamt für Justiz geben. Jetzt muss voraussichtlich der Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag einen Kompromiss aushandeln.
Aktualisierung am 15.2.2023
EGMR stärkt Whistleblower
Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat am 14. Februar ihre lang erwartete Entscheidung im Fall Halet gegen Luxemburg verkündet. Der Antragssteller Raphaël Halet ist einer der beiden Whistleblower im weltweit beachteten LuxLeaks-Skandal. Der EGMR habe Halet auf ganzer Linie recht gegeben, ihn von strafrechtlicher Verantwortung befreit und den Staat Luxemburg zur Zahlung von insgesamt 55.000€ verurteilt, meldete das Wistleblower-Netzwerk. „Ganz besonders unterstreicht das Gericht dabei das erhebliche öffentliche Interesse an der Offenlegung von Informationen über die Steuervermeidungspraktiken internationaler Großkonzerne“, erläuterte Dr. Simon Gerdemann, der die Interventionsschrift von Whistleblower-Netzwerk verfasst hat. Durch die Entscheidung des EGMR sieht das Netzwerk den deutschen Gesetzgeber in der Pflicht, das kürzlich noch im Bundesrat von CDU/CSU blockierte Hinweisgeberschutzgesetz an die vom EGMR festgestellte Menschenrechtslage anzupassen.
Aktualisierung am 16.2.2023
Klage vor dem Europäischen Gerichtshof
Die Europäische Kommission verklagt Deutschland nun vor dem Europäischen Gerichtshof, weil die Regierung die Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern nicht vollständig umgesetzt hat. Neben Deutschland werden auch Tschechien, Estland, Spanien, Italien, Luxemburg, Ungarn und Polen juristisch belangt, wie die EU in Brüssel mitteilte.
Der Europaabgeordnete Rasmus Andresen (Grüne) begrüßte am Mittwoch, dass die Kommission mit der Klage den Druck auf die Bundesrepublik erhöht habe. „Die unionsgeführten Länder im Bundesrat stellen sich mit ihrer Ablehnung der Whistleblower-Richtlinie auf die Seite von betrügerischen Unternehmen und Führungskräften, statt diejenigen zu schützen, die auf Missstände hinweisen“, erklärte er.