Jörg Tuschhoff, jahrzehntelang „Manager“ für Arbeitnehmerinteressen
Wenn er zurück blickt auf die vergangenen Jahrzehnte, dann findet er: „Da gab es schon einiges“. Mal bekam er ein politisches Schreibverbot, weil seinen Chefs seine Texte wohl doch etwas zu links waren. Mal verklagt er – auch zur Freude seiner Gewerkschaft – seinen Verlag auf die Bezahlung von Überstunden. „Aber eigentlich habe ich Glück gehabt“, meint der langjährige Redakteur und Betriebsrat der Westfälischen Rundschau, Jörg Tuschhoff (63), der im Juni in den verdienten Ruhestand geht.
„Befördert worden bin ich zwar nie, aber den enormen Druck, den Betriebsräte etwa bei Lidl oder Schlecker aushalten mussten, den hatte ich auch nie“.
Über eine Schriftsetzerlehre findet der gebürtige Gevelsberger zum Journalismus. Nachdem er eine zeitlang die Texte der Redakteure gesetzt hat, denkt er sich: „Was die können, das kann ich auch“ und macht ein Volontariat bei der Gevelsberger Zeitung. 1973 folgt dann die Festanstellung als Redakteur der Westfälischen Rundschau, wo er als Lokalredakteur lange Jahre in Hagen arbeitet. Seine politische Heimat findet der Sohn eines Justitiars eines Energieversorgungsunternehmens im linken Spektrum. Mit 18 verweigert er den Kriegsdienst, 1966 wird er Mitglied in der SPD, 1966 wird er auch Gewerkschaftsmitglied, erst bei der IG Druck+Papier, später bei der dju. Seiner Partei und seiner Gewerkschaft hat er in guten wie in schlechten Tagen die Treue gehalten. „Ich bin ein sehr treuer Mensch“, sagt Tuschhoff. Mitte der siebziger Jahre spricht ihn der damalige Betriebsratsvorsitzende Dr. Fritz Michael an, ob er nicht in dem Gremium mitarbeiten wolle. Er will, er war ja auch schon stellvertretender Schulsprecher in der Berufsschule. Er kandidiert, wird gewählt, ist zunächst einfaches Mitglied, und ist dann nach dem Rücktritt von Michael von 1980 bis 1985 Vorsitzender. Danach gibt er das Amt für 23 Jahre an den späteren dju-Bundesvorsitzenden Malte Hinz ab. Erst als dieser Ende 2008 zum Chefredakteur ernannt wird, lässt sich Tuschhoff wieder als erster Vorsitzender in die Pflicht nehmen. Er muss zusammen mit den anderen Betriebsräten der vier Zeitungstitel der WAZ-Mediengruppe den radikalen Personalabbau im Konzern managen. „Geschockt“ war er, als er im September 2008 die Nachricht bekam, dass 300 der 870 Redakteursstellen eingespart werden sollen. Vielen gilt Tuschhoff als der geschickte Manager im Hintergrund, der die Betriebsratsaktivitäten in diesen Monaten koordiniert, und der diesen vertrackten Job sogar noch ohne Handy erledigt hat. Gut anderthalb Jahre später ist er mit dem Ergebnis selbstkritisch nur zum Teil zufrieden: „Wir haben zwar Entlassungen verhindern können, ja. Und die, die jetzt noch einen Job haben, die können sich auch nicht beschweren. Aber Verlierer sind die Volontäre, die alle nicht übernommen werden, und die Lokalredaktionen, die gegenüber dem Contentdesk in Essen zu stark verloren haben. „Es mag zwar stimmen, dass wir da jetzt eine der personell best besetzten Mantelredaktionen der Republik haben, aber eine Lokalredaktion der Neue Ruhr/ Neue Rhein Zeitung in Düsseldorf und Hilden mit fünf Leuten – das kann auf Dauer nicht funktionieren.“
Nur noch eine Informationsquelle
Da habe sich die Geschäftsführung zu sehr an den Zahlen der Unternehmensberatung Schickler orientiert und zu wenig an den Plänen der Betriebsräte, was er für einen schweren Fehler hält. „Das Lokale ist doch das Pfund, mit dem wir wuchern können!“, deshalb müsse es gestärkt werden, argumentierten die Betriebsräte. Gelitten habe durch die Schließung zahlreicher Lokalredaktionen auch die Informationsvielfalt. „In vielen Städten gibt es jetzt nur noch eine Informationsquelle.“ Er hofft und wünscht sich zwar, dass das, was es an Titeln noch gibt, gehalten werden kann. Aber! Die Auflagenverluste seien nur schwer zu stoppen, da die junge Generation kaum Interesse am lokalen Geschehen hat. „Die jungen Leute sind viel mobiler, ich seh das an meinen beiden Töchtern, die auch nur überregionale Blätter wie Frankfurter Allgemeine Zeitung oder Süddeutsche Zeitung lesen“.
Als Redakteur hat sich Tuschhoff immer sozial und kulturell engagiert, insbesondere die Bildende Kunst zog ihn an. Schon während seiner Schriftsetzerlehre hatte er abends auf der Folkwangschule in Essen Kurse besucht.
Ein objektiver neutraler Beobachter des politischen Lebens wollte er nie sein. „Ich habe mein politisches Engagement mit meiner journalistischen Tätigkeit verknüpft. Das hat Spaß gemacht“, sagt er und schmunzelt dabei. „Ich befürchte rückblickend, ich habe ein stärkeres politisches Sendungsbewußtsein gehabt, als ich es als Journalist hätte haben dürfen.“ Wo er helfen konnte, half er, die Macht der Presse im Rücken. Er sieht sich da auf einer Linie mit dem NDR-Journalisten Gert von Paczensky, der sich zum einen der Esskultur verschrieben hatte, zugleich aber soziale und politische Mißstände anprangerte. Für den journalistischen Nachwuchs wünscht sich Tuschhoff, der die dju auch im Deutschen Presserat vertritt, eine gute und bessere Ausbildung. „Die jungen Leute werden zu wenig auf ihre Verantwortung vorbereitet, sie müssen begreifen, welche gesellschaftliche Aufgabe sie haben.“
Dem engagierten Journalistengewerkschafter Tuschhoff, der mit seinen Kollegen manches Mal die Fahne herausholte und vor die Tür ging, weil die Gewerkschaft zum Arbeitskampf aufgerufen hatte, fällt es schwer, am Ende seines Berufslebens damit zu leben, dass sich jüngere Kollegen schwer tun mit der gewerkschaftlichen Organisation. „Ich begreife nicht, warum junge Leute, die in den Beruf einsteigen, nicht mehr bereit sind, sich gemeinschaftlich zu organisieren, um effektiv für ihre Lebensinteressen streiten und handeln zu können. Sie sehen doch jeden Tag, dass sie allein nichts ausrichten können“.