Der Journalist Helmut Lölhöffel

Helmut Lölhöffel
Foto: dpa/Karl Mittenzwei

Immer nah an der gesellschaftlichen Realität

Wir hatten uns einige Zeit aus den Augen verloren, bis wir uns vor zwei Jahren wieder begegneten. Während ich in einer Therapie-Praxis wartete, war aus dem Logopädie-Raum, gesungen mit entschlossener Stimme, das Lied „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ zu hören.

Wenig später trat Helmut Lölhöffel heraus, unübersehbar aufrecht, wie wir ihn kannten, doch damals bereits von heimtückischer Krank­heit gezeichnet. Beherrscht, ja mit gelassener Beharrlichkeit kämpfte er gegen die Folgen an, wohl wissend, dass er am Ende unterliegen würde.

Helmut Lölhöffel war Journalist. Als Hauptstadt-Korrespondent berichtete er für die Süddeutsche Zeitung, später für die Frankfurter Rundschau aus Bonn und Berlin; Ende der 1970-er und Anfang der 1980-er Jahre war er Korrespondent der Süddeutschen Zeitung im Berlin der DDR.

Der berufliche Anfang fiel in die Zeit des gesellschaftlichen und politischen Aufbruchs, der viele, auch Helmut Lölhöffel, in seinen Bann gezogen hatte. So verstand es sich beinahe von selbst, Mitglied der Gewerkschaft zu werden. Helmut Lölhöffel gehörte zu den Jour­nalisten, die damals der dju in der IG Druck und Papier beitraten und die berufliche wie die politische Debatte in der Gewerkschaft befeuerten.

Medienpolitische Themen, wie innere Pressefreiheit, Konzentrationskontrolle und die Reform der Journalistenausbildung als Unterpfand publizistischer Unabhängigkeit standen auf der Tagesordnung. Erste Redaktions-Statute wurden vereinbart. Er wurde aktiv, übernahm Funktionen in der dju, u.a. in der Tarifkommission. Später wurde er zum Ortsvereinsvorsitzenden der IG Druck und Papier in Bonn gewählt, ein Vertrauensbeweis besonderer Art; so innig und vorurteilslos war das Verhältnis zwischen den selbstbewussten graphischen Facharbeitern und den „Intellektuellen“-Berufsgruppen noch nicht. Andere Aufgaben blieben nicht aus. 1978 wurde er in den Deutschen Presserat berufen, dem er bis zu seinem beruflichen Wechsel nach Ostberlin angehörte.

Obwohl ein Kind der sozialliberalen Ära, woraus er im privaten Gespräch keinen Hehl machte, wahrte er in seiner journalistischen Arbeit Distanz zu politischen Akteuren und Parteien. Die gesellschaftliche Realität konnte ihm dagegen nicht nahe genug sein. So war er einer der wenigen DDR-Korrespondenten, die Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in Ostberlin wählten. Wer nicht vor Ort lebt, so seine Erklärung, erhält nur ein Oberflächenbild von der Gesellschaft, von der Wirksamkeit mitgebrachter Vorurteile ganz zu schweigen.

In den letzten Jahren seines Berufslebens wechselte Helmut Lölhöffel das Arbeitsfeld; er wurde Pressesprecher, zunächst der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, später des Senats und zuletzt des Unternehmens Veolia. Auch im Ruhestand blieb er aktiv. So engagierte er sich in der Berliner Initiative, durch Verlegung von Stolpersteinen die Erinnerung an verfolgte und ermordete jüdische Bürger wachzuhalten.

Wie jüngst nochmals zu lesen war, entstammte Helmut Lölhöffel einer alten, durch und durch preußischen Adelsfamilie, hatte den Titel freilich schon in jungen Jahren abgelegt. Als er die Arbeit in der Süddeutschen Zeitung antrat, erntete er dafür Unverständnis; die Zeitung hätte ihr Impressum gerne, quer zum mittlerweile liberalen Zeitgeist, durch das Adelsprädikat geschmückt, wie er gelegentlich schmunzelnd erinnerte. Und dennoch, jenseits aller Genealogie – Helmut Lölhöffel verkörperte in Arbeitsethos, Geradlinigkeit und Understatement eine im besten Sinne des Wortes aristokratische Haltung.

 

Helmut Lölhöffel ist am 15. April im Alter von 74 Jahren seiner Krankheit erlegen.

Detlef Hensche <<

 

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