Der letzte Jahrgang?

Journalisten-Weiterbildung an der FU Berlin nimmt im Herbst keine neuen Studierenden auf

Der Studiengang Journalisten-Weiterbildung (JWB) an der Freien Universität Berlin schreibt in diesem Herbst keine Studienplätze mehr aus. Personalnot hat diese Entscheidung diktiert, erklärt der kommissarische Leiter des Studiengangs am Berliner Journalisten-Kolleg, Professor Hans-Jürgen Weiß.

„Das ist eine lange und schwierige Geschichte. Sie fängt an bei dem Bankrott Berlins, geht weiter über die Hochschulverträge im Kaskadensprung bis in die Budgets der Fachbereiche, die den Mangel bewirtschaften müssen.“ So beschreibt der kommissarische Leiter der JWB die Situation des einzigen universitären Fernstudienangebots für Journalisten, das nicht Abitur, sondern vier Jahre Berufserfahrung zur Voraussetzung hat.

Künftig wegfallend

Schon seit einiger Zeit sind die fünf Stellen der JWB mit dem Vermerk „künftig wegfallend“ versehen gewesen. Nachdem der bisherige Chef der JWB, Professor Stephan Ruß-Mohl, dem Ruf der Universität im schweizerischen Lugano gefolgt ist und jetzt weitere Mitarbeiterinnen der bedrängten JWB den Rücken kehren, sah sich Weiß gezwungen, die Notbremse zu ziehen. Allen 40 Studienanfängerinnen und -anfängern, die sich im vergangenen Herbst für das dreijährige Fernstudium qualifiziert hatten, schrieb der verzweifelte Professor einen Brandbrief, in dem er die Situation der JWB drastisch schilderte: „Im Moment ist noch nicht überschaubar, wie wir unseren Verpflichtungen gegenüber den Studierenden nachkommen können, die derzeit im Studiengang Journalisten-Weiterbildung an der Freien Universität Berlin eingeschrieben sind. Wir arbeiten an einem Notszenarium – ohne Härten für alle Beteiligten wird es nicht abgehen. Auf jeden Fall werden Sie, als zuletzt zugelassener Jahrgang, in besonderer Weise davon betroffen sein.“

Keine zweite Chance

Sachlich sei es eigentlich geboten, die Studierenden noch vor dem ersten Präsenzseminar zu Pfingsten nach Hause zu schicken – aus rechtlichen Gründen sei dies aber nicht möglich, Durch die Einschreibung hätten alle einen Anspruch auf entsprechende Lehrangebote bis hin zur Abschlussprüfung erworben, „unabhängig davon, welche Probleme wir damit haben, diesen Anspruch zu erfüllen“. Er bat die Erstsemester zu prüfen, ob sie sich auf diese Risiken des Studiengangs einlassen wollten, für den die Studierenden rund 314 Euro Studiengebühren und zirka 50 Euro Materialkosten pro Semester aufwenden, von Reise- und Übernachtungskosten für die Präsenzseminare ganz zu schweigen.

Abschrecken lassen hat sich von diesem Brief des Studiengangleiters niemand. „Ganz im Gegenteil“, hat Weiß beobachtet, „es herrscht eher eine Trotzreaktion vor, was ich auch ganz gut finde.“ So beschreibt auch Till Opitz, Redakteur beim WDR und Erstsemester der JWB, die Antwort der Studienanfänger: „Das schweißt uns eher zusammen, zu wissen, dass es keine zweite Chance gibt.“

Wirklich keine zweite Chance? Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union, die im Beirat der JWB vertreten ist, hat scharf gegen die kalte Abwicklung dieses besonderen berufsbegleitenden Studienangebots protestiert, das sich in den vergangenen 15 Jahren bewährt hat, wie dju-Beiratsmitglied Holger Wenk betont: „Etwa 200 JWB-Studenten arbeiten heute verantwortungsbewusst im Journalismus, darunter mehr als ein Dutzend Ressortleiter, Chefredakteure und Leiter für Öffentlichkeitsarbeit.“ Wie notwendig derartige Angebote zur Fortbildung seien, bewiesen auch Analysen zum journalistischen Berufsstand. Damit diese qualitätsvolle Auseinandersetzung mit Fachproblemen der Publizistik und Kommunikation im Fernstudium nicht verloren geht, hat die dju ihre Hilfe bei einer Neukonzeption des Studiengangs angeboten. Doch diese von Ruß-Mohl und Weiß begonnene Neukonzeption liege erst einmal auf Eis, jetzt gehe es nur noch um einen Notplan für den jüngsten Jahrgang, so der kommissarische JWB-Chef.

Sollte die freigewordene Professur von Stephan Ruß-Mohl, der auch im Publizistik-Grundstudium an der FU journalistische Praxis lehrte, nicht schnellstens neu besetzt werden, sieht er keine Chance, den Studiengang in absehbarer Zeit wiederaufzunehmen. „Wenn die Stelle nicht in diesem Semester ausgeschrieben wird, lege ich die Leitung der JWB nieder!“, sagt Weiß.

Folgt man Professor Gernot Wersig, dem Geschäftsführenden Direktor des Instituts für Publizistik und Kommunikationswissenschaften, zu dem die JWB gehört, sind die Aussichten auf eine Neubesetzung gar nicht abzuschätzen. „Das hängt nicht von uns, sondern vom Präsidenten ab.“ Und zur Kontinuität „kann man im Moment überhaupt nichts Positives sagen“.

Hoffnung auf die Jahre

Von Vernichtung spricht Weiß, die Situation zusammenfassend. Die Meinung an der FU Berlin sei zwar, dass Weiterbildungsangebote wunderbar seien, aber die Hochschule nichts kosten dürfe. Da wird mancher neidische Blick zur Berliner Universität der Künste wandern. Dort hat gerade ein zweijähriger Aufbaustudiengang Kulturjournalismus begonnen, für Studiengebühren von 5200 Euro im Jahr.

So bleibt den vorerst letzten Erstsemestern der Journalisten-Weiterbildung nur die Hoffnung auf drei Studienjahre ohne neue Hindernisse und der Blick auf die „Zehn Gebote für JWB-Neulinge“ des Abschlussjahrgangs 1998 auf der JWB-Homepage. Dort steht als zehnter Punkt: „Du sollst nicht mit Kontinuität in den materiellen und personellen Rahmenbedingungen der JWB rechnen!“

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Audiodeskription: Die KI liest vor

Die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet inzwischen auch synthetische oder mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Stimmen, um für Fernsehformate Audiodeskriptionen zu erstellen. Das ergibt sich aus Nachfragen von M bei den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und beim ZDF. Neben professionellen Sprecher*innen setzen der MDR, WDR, NDR, Radio Bremen und das ZDF auch auf synthetische oder KI-Stimmen für die akustische Bildbeschreibung.
mehr »

Gendergerechtigkeit per KI überprüfen

Ein Gender-Analyse-Tool der Technischen Universität München zeigt, wie Frauen medial ausgeklammert werden. Das Ziel vom  Gender Equality Tech Tool – GETT  ist es, die Sichtbarkeit von Frauen in der Berichterstattung bewusst zu fördern. Mit GETT kann über eine Kombination aus klassischen Algorithmen und Open-Source-KI-Modellen nachgeprüft werden, wie oft Frauen im Vergleich zu Männern in den Medien genannt und wie sie dargestellt werden.
mehr »