Die Medien und die AfD

Ernsthafte Debatte statt Stöckchenspiel!

Auf der Jahreskonferenz des Netzwerks Recherche gab es außer einem reflektierenden Panel eine Diskussion mit AfD-Vize Alexander Gauland, in der die Journalist_innen – im Ton zurückhaltend – dem aalglatten Politiker Entlarvendes entlockten. Bleibt die Frage: Darf man der AfD eine Bühne bieten?

Die AfD provoziert und die Medien holen die „Nazi-Keule“ raus. Das rechtspopulistische Weltbild der Partei bleibt schemenhaft. Sowohl AfD als auch Medien neigen zu Personalisierung, Emotionalisierung und Vereinfachung, analysierte Medienwissenschaftler Bernd Gäbler. Die „extrem nationalistische Partei“, in der „überraschend viele Journalisten sind“ nutze das aus. Medien ließen sich z.B. zum „Stöckchenspiel“ verführen, wenn sie über jede Provokation der Partei berichteten, zu der stets die anschließende Relativierung gehöre. Zudem tappten Journalist_innen in die Psychofalle, wenn sie das Bild von den ausgegrenzten AfD-Mitgliedern übernehmen, anstatt sich mit dem politischen Konzept der Partei auseinanderzusetzen.

Einen Praxistest für den Umgang mit der AfD lieferte die von Stefan Weigel (Rheinische Post) moderierte Diskussionsrunde, in der ARD-Aktuell-Chef Kai Gniffke und Spiegel-Redakteurin Melanie Amann dem AfD-Vize Alexander Gauland auf den Zahn fühlten. Einige Beispiele:

Gauland versuchte, als glühender Anhänger der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufzutreten und parierte den Vorwurf, dass Journalist_innen bei AfD-Veranstaltungen rausgeworfen würden, mit dem Hinweis auf Brandenburg, wo so etwas nicht geschehe. Eine Verantwortung als Parteivize für andere Landesverbände wie Baden-Württemberg oder NRW, die keine Pressevertreter_innen zuließen, wies er zurück, denn innerhalb der AfD werde eine Vielfalt politischer Standpunkte toleriert. Damit gab er indirekt zu, dass Teile seiner Partei außerhalb des Grundgesetzes stehen, denn der Ausschluss von Journalist_innen verletzt die dort verankerte Pressefreiheit.

Als Moderator Weigel nach der AfD-Strategie „provozieren und hinterher abräumen“ fragte, bestritt Gauland dies, aber Amann konterte mit Verweis auf die Tweets von Beatrix von Storch. Dass Gauland selbst das  „Stöckchenspiel“ mitmacht, zeigte sich in seinen Äußerungen zur Rede von Björn Höcke, in der dieser das Berliner Holocaust-Mahnmal als ein „Denkmal der Schande“ bezeichnete. Gauland nannte Höckes Rede „politisch verbesserungswürdig“, doch relativierte dies zugleich mit dem Hinweis auf ein wortgleiches Zitat von Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein aus dem Jahr 1998. „Das ist eine Verharmlosung“, kritisierte Amann, denn problematisch sei das dahinterstehende Weltbild Höckes, Gauland hingegen habe nur die „Verpackung“ zurückgenommen. Gniffke plädierte angesichts dieser AfD-Medienstrategie für „die gute alte Recherche: die Dinge zeigen, wie sie sind“. Höckes „Rede mit dem Sportpalast-Tremolo“ entlarve sich selbst. Mit seinen Äußerungen zu Jérôme Boateng, so Gauland, habe auch er einen „politischen Fehler“ gemacht: „Ich wusste nicht, wer das ist, ich interessiere mich nicht für Fußball.“ Ein schwarzer Nachbar ist also nur akzeptabel, wenn er prominent ist? Wenn einzelne Menschen ausgegrenzt werden, widerspricht das dem demokratischem Pluralismus.

Gauland präsentierte die AfD in der Opferrolle, berichtete, dass ein Zahnarzt in Berlin-Weißensee, der AfD- Mitglied sei, bedroht wurde: „Das ist das gleiche, was die Nazis mit den Juden gemacht haben.“ Obwohl er selbst diesen „unerträglichen Vergleich“ (Amann) machte, beschwerte Gauland sich später, dass immer wieder „die Nazi-Keule“ gegen seine Partei herausgeholt würde. Mit dem „Gefühl, in die braune Ecke geschoben“ zu werden, versuchte er zu erklären, dass die Presse von vielen AfD-Veranstaltungen ausgeschlossen wird. Kritik an der Berichterstattung sei okay, sagte Amann, aber “Angriffe auf Journalisten können so nicht gerechtfertigt werden.“ Die Parteiführung lasse „den Volkszorn an der Basis köcheln.“ Fazit: Da bleibt nur, die Bühne, auf der die AfD-Protagonist_innen stehen, richtig auszuleuchten und die Scheinwerfer auf ihr antidemokratisches Weltbild zu richten!

 

 

Weitere aktuelle Beiträge

Hartes Brot: Freie im Journalismus

Freie Journalist*innen oder Redakteur*innen haben es häufig nicht leicht: Sie werden oft schlecht bezahlt, nicht auf Augenhöhe behandelt, Mails und Anrufe werden zuweilen ignoriert, sie warten auf Rückmeldungen zu Themenangeboten, Redaktionen sind in manchen Fällen für sie nicht zu erreichen. So geht es vielen Freien, egal, welches Medium.
mehr »

Smart-Genossenschaft für Selbstständige

Smart klingt nicht nur schlau, sondern ist es auch. Die solidarökonomische Genossenschaft mit Sitz in Berlin hat seit ihrer Gründung im Jahr 2015 vielen selbstständig Tätigen eine bessere und stärkere soziale Absicherung verschafft – genau der Bereich, der bei aller Flexibilität und Selbstbestimmtheit, die das selbstständige Arbeiten mit sich bringt, viel zu oft hinten runterfällt.
mehr »

Beim Tatort selbst ermitteln

Ein Zocker sei er nicht. So sagte es Kai Gniffke, Intendant des Südwestrundfunks (SWR), als er im August vorigen Jahres auf der Gamescom in Köln zu Gast war. Am ARD-Stand hat sich der damalige Vorsitzende des Senderverbunds dennoch zum Zocken eingefunden, zu sehen auch im Stream auf der Gaming-Plattform Twitch. Erstmals hatte die ARD einen eigenen Auftritt auf der weltweit größten Messe für Computer- und Videospiele – ein deutliches Signal, dass die ARD auch auf Games setzt. Und das hat maßgeblich mit dem SWR zu tun.
mehr »

Europäische Serien werden erfolgreicher

Das Festival Series Mania bietet alljährlich einen internationalen Überblick der kommenden TV-Serienhighlights, wenn rund 5000 Branchenprofis aus 75 Ländern zusammenkommen. Auch in diesem Jahr feierten zahlreiche Produktionen mit ungewöhnliche Themen Premiere. US-Amerikanische Serien waren diesmal kaum vertreten. Das hat politische Gründe.
mehr »