Die Nazis und ihre Medien

Gewerkschaftsveranstaltung in Hessen traf auf große Resonanz

Das Café Wiesengrund in Frankfurt am Main war rappelvoll, als es am 7. Februar um „Die Nazis und ihre Medien”. ging. Die dju Hessen hatte gemeinsam mit dem DGB Frankfurt zu dem Informationsabend eingeladen. Das große Interesse überraschte die Veranstalter: rund 80 Leute kamen.

Hanning Voigts (l.) und Sascha Schmidt beobachten die Naziseiten im Web Foto: Jan Jacob Hofmann

Jeden morgen schaut sich Hanning Voigts Nazi-Auftritte im Internet an. Der Journalist der Frankfurter Rundschau ist Spezialist für die extreme Rechte. Was die neuen Braunen auf Facebook und Twitter oder in ihren Blogs verbreiten, ist für ihn eine wichtige Informationsquelle. Das Internet ist für die Nazis inzwischen so sehr Alltag geworden, dass sie sich hier recht sorglos geben. „Sie sagen mehr über sich, als ihnen gut tut”, stellt Voigts fest. Er berichtete gemeinsam mit dem DGB-Jugendbildungsreferenten Sascha Schmidt auf der Gewerkschaftsveranstaltung von seinen Erfahrungen mit den Nazis und ihren Medien.
Das Internet hat traditionellen Medien der Nazis wie der Nationalzeitung längst den Rang abgelaufen (Korr. Red. 24.03.14). Die Braunen tummeln sich nun in den Sozialen Netzwerken, auf Facebook und Twitter vor allem, sowie in Blogs. Die neuen Nazis versuchen sich ein Image weg von „Braunhemden und Knickebockern” zu verpassen, so Sascha Schmidt. Sie treten auf wie ihre ärgsten Feinde, die autonome Antifa. „Schwarze Blöcke gehören inzwischen zu Nazi-Demos”, sagt Schmidt.
Anglizismen seien nicht mehr verpönt. Er spricht von einem „moderneren und rebellischem Image”, das sich die Neubraunen verpassen. Es sei ihnen egal, wie jemand aussehe, Hauptsache die Ideologie sei richtig. Frauen würden als „Teil der kämpfenden Front” gesehen. Mit Feminismus wolle man aber nichts zu tun haben. Die Neonazis versuchten sich „auf der Höhe der Zeit” zu präsentieren, würden dabei aber die alten Inhalte und NS-Bezüge transportieren, erläuterte der Referent.

Selten kluge Köpfe.

Die neuen Anhänger alten faschistischen Gedankengutes stellen sich recht unbefangen im weltweiten Datennetz dar. Sie fühlen sich hier so zu Hause, dass sie sich geben wie in ihren eigenen vier Wänden. Wie jener Neonazi aus dem Lumdatal bei Gießen beispielsweise, der ein Foto ins Netz stellte, auf dem er vor Hakenkreuzen posiert. Gegen den jungen Mann läuft nun ein Strafverfahren. Solche Dokumente sollten rasch gesichert werden, denn sie könnten bald wieder verschwunden sein, „weil einem auffällt, dass das nicht so gut ist”, sagte Voigts. Kluge Köpfe sind unter den Nazis aber eher selten. Mit der deutschen Rechtschreibung haben die Braunen oft Probleme, stellte Voigts fest.
Zu den Klügeren gehören die Anhänger der sogenannten „identitären Bewegung”, die sich scheinbar von rassistischen Ideologien distanzieren, aber gegen „Multikulti” und „Islamisierung” hetzen. Wie groß diese Gruppe in Hessen ist, lässt sich laut Schmidt nicht sagen. Es lasse sich nicht feststellen, wie viele reale Personen hinter den diversen Internetauftritten stehen.
Anzeige erstatten und bei Facebook oder Twitter auf ein Sperren des Auftritts hinwirken, schlug Sascha Schmidt als Weg gegen rechte Hetze im Netz vor. Sich auf Diskussionen mit den Nazis in deren Foren einzulassen, sei nicht sinnvoll: „Das bringt nichts.”
Voigts findet es nicht so gut, die rechten Auftritte im Internet zu unterbinden. Seine journalistische Neugier steht dagegen. Die Naziseiten im Netz sind für ihn eine wichtige Informationsquelle, „eine journalistische Goldgrube”, wie er sagt. „Ich habe an Löschungen kein Interesse”, betont er. Morgens schaut er sich regelmäßig die einschlägigen Internetauftritte an. So erfährt er zum Beispiel, dass es nachts Hausdurchsuchungen bei Neonazis gegeben hat, von denen empört selbst ins Netz gestellt. Sein Anruf bei der Staatsanwaltschaft stößt dann auf Verwunderung: „Woher wissen Sie davon?” Oder die Antifa macht auf Wohnungen von Neonazis aufmerksam. Die Angeprangerten belegen durch ihre empörte Reaktion im Internet, dass die Informationen der Antifa zutreffen.

Mehr Schein als Sein.

Die Neonazis im Lumdatal unweit von Gießen hatten durch dreiste Aktionen Aufsehen erregt. Schmidt: „Die treten die Tür der Bürgermeisterin ein und sind dabei noch nicht einmal maskiert.” Um die 50 Straftaten werden der Gruppe inzwischen angelastet. Auch im Internet präsentierten sich die Lumdataler Neonazis eifrig auf ihrem „Infoportal Lumdatal”. Mit einer CD mit Rechtsrock wollten sie in einer Schule Anhänger werben. Einer engagierten Lehrerin sei es zu verdanken, dass ihnen das nicht gelungen ist, berichtet Voigts. Die Lumdataler Neonazis seien vor allem Leute mit Problemen wie Alkoholismus und Arbeitslosigkeit.
Die Selbstdarstellung der Nazis im Internet ist mit Vorsicht zu nutzen, warnt Voigts. Oft sei es „mehr Schein als Sein”, was die Neubraunen dort von sich geben. Wie etwa das manipulierte Foto der Lumdataler, das ihre Gruppe größer erscheinen lassen solle, als sie tatsächlich ist. In das Bild waren mehrere Personen mehrfach hineinkopiert worden. Auch würden sie in ihren Internetauftritten zur Mythenbildung neigen, sagt Voigts.
Die traditionelle Nazi-Partei NPD hat in Hessen laut Schmidt kräftig Mitglieder verloren, ist von rund 400 auf 280 geschrumpft. Ihre Demonstrationen hätten – selbst wenn Bundesprominenz aufgefahren werde – nur wenig Zugkraft. Dennoch habe die NPD bei der jüngsten Landtagswahl in Hessen (Korr. Red. 24.03.14)  11 000 Stimmen hinzugewonnen und habe mit 1,1 Prozent der Stimmen es immerhin zur Wahlkampfkostenerstattung geschafft. Rund 20 autonome oder freie Nazigruppen sind laut Schmidt in den vergangen Jahren in Hessen aufgetreten. Bei Demonstrationen seien es höchstens zwischen 40 und 50 Leute gewesen. Schmidt: „Das ist etwa das, was die Kameradschaftsszene in Hessen mobilisieren kann.”

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