Es sind ja „nur“ Umfragen, wird schon nicht so schlimm kommen. So dachten viele vor den Wahlen am vorletzten Wochenende. Es kam, wir wissen es jetzt alle, noch schlimmer. Es sei ein Schock für die etablierten Parteien, ein Denkzettel, ein Fanal. So die Botschaft der Politik. Ratlosigkeit macht sich breit. Garniert mit wütenden Kommentaren und gelegentlicher Nachdenklichkeit. Was also tun? Diese Frage richtet sich nicht nur an die Politik, sondern auch an uns, die Medien.
Wie umgehen mit einer Partei, deren Funktionäre und auch Wähler oftmals nicht nur die in der Verantwortung stehenden Parteien verachten, sondern auch uns als „Lügenpresse“ beschimpfen. Oder – um es mit Frauke Petry zu sagen – als „Pinocchio-Presse“. Macht es nicht besser. Es bleibt perfide. Umso irritierender, dass ausgerechnet sie sich in festlicher Robe als Gast auf dem Bundespresseball präsentieren darf – umringt von Journalist_innen und im Blitzlichtgewitter der Fotograph_innen. Vielleicht sollten auch einige von uns sich mal überlegen, mit wem man feiert, wem man eine solche Bühne bereitet.
Doch wie sind wir Journalist_innen – abseits dieser peinlichen Einladung und Fotos – eigentlich bisher mit dieser AfD-Klientel umgegangen, wie haben wir auf all diese Attacken und Provokationen reagiert? Haben wir nicht die wenigen „vorzeigbaren“, aber immer gleichen AfD-Funktionäre immer dann zu Wort kommen lassen, wenn es um ihr Lieblingsthema, die Flüchtlingspolitik, ging? Sei es in den vielen Talkshows oder in all den Berichten und Reportagen zu diesem derzeit wichtigsten und wahlentscheidenden Thema.
Und je heftiger sie dort von Politiker_Innen und Journalist_innen attackiert wurden, desto mehr konnten sie sich in ihrer Lieblingsrolle inszenieren: Als Sprachrohr all jener, die Flüchtlinge und/oder Ausländer ohnehin ablehnen, die sich generell benachteiligt fühlen, die all ihren Frust mit dumpfen Parolen auf der Straße oder mit schlimmsten Hasstiraden anonym im Netz austoben. Als Sammelbecken all jener, die ein anderes, reaktionäres Deutschland wollen, die ein vereintes Europa nicht wollen.
Was also tun? Ausgrenzen oder ignorieren ist sicherlich keine Alternative. Aber wir sollten viel mehr als bisher dafür sorgen, dass die Themenpalette erweitert wird, dass wir abseits des Themas Flüchtlingspolitik mehr über sie erfahren, mehr informieren. Machen wir doch einfach die AfD (und ihre Anhänger) zum Gegenstand unserer (gemeinsamen) Recherche.
Themen gibt es viele:
– Was sind das für Menschen, die jetzt als Abgeordnete in die Landtage einziehen? Viel zu wenig haben wir bisher in den Lokal- und Regionalzeitungen über die erfahren, die sich im Wahlkampf auch in ihrem Wahlkreis verborgen hielten, keine Fragen beantworten wollten, sich hinter den sattsam bekannten Spitzenkandidaten versteckten.
– Wer sind die Finanziers dieser Partei, die über Nacht dafür sorgen, dass überall Plakate hingen oder große Anzeigen in Zeitungen geschaltet wurden?
– Wie genau funktioniert das Netzwerk zwischen AfD, Pegida, radikalen Christen und rechtsradikalen Kameradschaften?
– Wer finanziert eigentlich all die Plattformen und „Mediendienste“ im Netz, die mit ihren Verschwörungstheorien und Lügengeschichten Stimmung machen und den AfD-Funktionär_innen immer wieder eine Bühne bieten?
– Wie arbeiten eigentlich die Abgeordneten in den Landtagen und Kommunalorganen, die schon vor Jahren gewählt wurden? Gab es neben dem innerparteilichen Zoff nennenswerte Aktivitäten für ihre Wählerschaft?
– Was soll eigentlich im Programm dieser Partei stehen, die bislang überhaupt noch kein Programm hat? Abschaffung der Mindestlöhne, der Bundesagentur für Arbeit, des Euro? Sollen Sozialleistungen gekürzt und Steuern für Reiche gesenkt werden?
All das wird kolportiert. Wäre doch verdienstvoll, wenn noch mehr Journalisten da dran bleiben und für Aufklärung sorgen. Wäre sicher nicht nur für die Anhänger dieser Partei spannend – und irritierend.
Natürlich kann und soll in Kommentaren weiterhin all das benannt werden, was diese Partei kennzeichnet, was sie für Demokraten eigentlich unwählbar macht. Aber das reicht nicht.
Wichtiger sind noch mehr Recherchen und Informationen. Wir müssen noch viel mehr Fragen stellen, die AfD zu konkreten Antworten zwingen. Wir müssen nicht agitieren, sondern – im besten Sinne – aufklären, also unseren Job machen.
Sicher: Vieles von dem wird eine bestimmtes Protestklientel nicht erreichen, sie vielleicht auch nicht interessieren. Aber zumindest kann niemand mehr behaupten, er habe das alles nicht wissen können.
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