Diener zweier Herren

Kameraleute geben freiwillig Filmmaterial an die Polizei

Was nützt das beste Zeugnisverweigerungsrecht, wenn Pressevertreter freiwillig für die Polizei arbeiten? – Eine Bremer „taz“-Fotografin machte am Rande einer Demonstration eine erstaunliche Beobachtung.

Ein freier Fernsehkameramann, der für die Bremer Produktionsfirma TVA arbeitet, diente sich dem Einsatzleiter der Polizei an: „Wenn Sie mal Archivmaterial brauchen…“. So jedenfalls will die Fotografin es gehört haben. Als sie ihrem schreibenden Kollegen Jan Kahlcke davon erzählte, hakte der bei dem Kameramann nach – und zitierte ihn anschließend in der „taz“ mit der freimütigen Aussage: „Ich mache denen immer Prints fertig“, also Computerausdrucke von Filmszenen. Im Gegenzug bekomme er dann „mal ’n Tipp“: Hinweise auf interessante Polizei- oder Feuerwehreinsätze, nach dem Prinzip: „Eine Hand wäscht die andere“.

Auch bei einem weiteren Kameramann fand Kahlcke diesen schon oft geäußerten, aber selten erhärteten Verdacht bestätigt. „Wir machen das öfter mal – gerade bei Demos“, zitierte die „taz“ den freien Mitarbeiter der Hamburger Fernseh-Nachrichtenagentur RTC. Auf Nachfrage von „M“ lehnt der Filmer allerdings jeden Kommentar ab. Und eine RTC-Sprecherin bestreitet, dass ihre Firma mit der Polizei kooperiere. Eine andere Frage sei, was die freien Mitarbeiter mit ihrem Filmmaterial anstellten.

Der eingangs zitierte TVA-Filmer bestreitet inzwischen, sich gegenüber der „taz“ so offenherzig geäußert zu haben. Gegenüber „M“ bestätigt er zwar, dass er gelegentlich Hinweise von Polizisten bekomme, etwa auf Autobahnunfälle. Manchmal fragten auch die Beamten nach seinen Aufnahmen – vor allem bei schweren Unfällen. Zuletzt habe die Polizei ihn bei der von der „taz“ beobachteten Demonstration angesprochen: „Kann man von Euch Material bekommen?“. Er verweise dann aber immer auf seine Auftraggeber. Was die dann damit machten, sei deren Sache.

TVA-Chef Jörg Wohlgemuth versichert, die Firma gebe keine Bilder an die Polizei weiter. Allenfalls bei Verbrechen habe er keine Probleme damit, Filmmaterial „gemeinsam anzugucken“.

So schiebt einer die Verantwortung auf den anderen. „taz“-Reporter Kahlcke bleibt jedoch dabei, dass der TVA-Mitarbeiter zugegeben habe, selber Bilder an die Polizei zu liefern. „Er hatte null Problembewusstsein und völlig frei von der Leber weg erzählt.“ Inzwischen habe er wohl kalte Füße bekommen – aus Sorge um künftige Aufträge.

Die Bremer Polizei nahm die Enthüllungen so ernst, dass sie sofort hausintern nachforschte. Polizeisprecher Frank Kunze nennt erste Ergebnisse: Nach gewalttätigen Demonstrationen fragten die Ermittler gelegentlich bei Redaktionen nach Filmmaterial. Manche Journalisten hätten keine Bedenken; bei den anderen „wird ein Gerichtsbeschluss erwirkt“. Kunze bestätigt auch, dass einzelne Beamte heimlich mit Journalisten kooperieren und ihnen interne Unterlagen zuspielen. „Wenn sie erwischt werden, sind sie dran“ – disziplinar- oder sogar strafrechtlich wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen. Für einen direkten Tauschhandel „Einsatz-Tipps gegen Bilder“ sieht Kunze aber keinen Beweis.

Besorgnis erregend sind die Vorwürfe für Manfred Protze. Der Sprecher des Presserats und kommissarische dju-Bundesvorsitzende fordert: „Es darf keine Rollenverquickung geben.“ Er beruft sich dabei auf die Presseratsrichtlinien, die formell zwar nicht für Fernsehjournalisten gelten, aber auch für sie ethische Standards setzen. Protze: „Journalisten dürfen nie für zwei Seiten arbeiten. Die Trennung von Staat und Medien muss konsequent auf allen Ebenen durchgesetzt werden.“

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