Dokfilminitiative diskutiert über dokumentarisches Porträt

„Wesentlich ist der Zuschnitt, der Eingriff, die Konstruktion“ – so das Resumee des Schriftstellers Burkhard Spinnen über sein literarisches Porträt eines schwäbischen Unternehmers, „Der schwarze Grat“. Hatte mit Dokumentarfilm nichts zu tun, war aber eine produktive Anregung auch für Filmemacher, darüber nachzudenken, was das eigentlich ist, ein Porträt. Nämlich immer eine Konstruktion und eine Projektion.

Spinnens Intervention war einer der spannenden Momente des zweitägigen Symposiums über das dokumentarische Porträt, das die Dokumentarfilminitiative (DFI) mit dem Untertitel versah: „Annäherungen, Widersprüche, state of the art“. Ein Hinweis, dass es mit dem Porträt so einfach nicht ist. Das Genre ist sehr populär. Die DFI hatte sich für ihre Tagung auch noch ein eigenes Untergenre gewählt, die Künstlerbiographie. Da sind in den letzten Jahren interessante Arbeiten erschienen. Etwa Corinna Beltz Film über den Maler Gerhard Richter. Und es sind interessante Projekte in Arbeit, Andres Veiel etwa über Joseph Beuys und Corinna Beltz über Peter Handke.

Am Beispiel des Künstlerporträts lassen sich wichtige Fragen des Genres gut diskutieren. Das eine ist der Trend zur Prominenz. Prominenz verkauft sich, Prominenz interessiert. Das gilt nicht nur für Beckenbauer und Nowitzki, sondern eben auch für Richter und Beuys. Zudem sind Künstler medialisierte Menschen, die sich in der Regel vor einer Kamera zu bewegen wissen, wenngleich berühmte Maler wie Gerhard Richter die öffentliche mediale Begutachtung eher scheuen. Schwer im Rückzug dagegen ist die Idee, das Leben unbekannter Menschen nachzuzeichnen. Kaum noch sind Porträts von unbekannten Normalos zu sehen. Und prominente Manager etwa entziehen sich selbst jeglicher dokumentarischen Beobachtung.

Auf der Suche nach dem Gedächtnis
Auf der Suche nach dem Gedächtnis

Am Künstlerporträt zeigt sich auch eine Tendenz, die das dokumentarische Arbeiten insgesamt bedroht: der Kampf um die Kontrolle über die Bilder ist härter geworden. In der Deutschen Bank sind 300 Menschen damit beschäftigt, das Bild des Unternehmens in der Öffentlichkeit herzustellen. Auch Prominente wollen das Bild von sich unter Kontrolle haben. So hat etwa der Wissenschaftler Eric Kandel aus dem Film „Auf der Suche nach dem Gedächtnis“ sich das letzte Wort über den Film vorbehalten, der Filmemacherin bliebt nichts anders als Zustimmung. Am Ende kam es zum Konflikt, was glücklicherweise den Film nicht verhindert hat. Auch beim Film über Gerhard Richter gingen den Dreharbeiten lange Verhandlungen mit Rechtsanwälten und ausführliche Vereinbarungen voraus. Und Andres Veiel ist bei seinem Beuys-Projekt zunächst vor allem damit befasst, sein Projekt vor den Ansprüchen der Nachlassverwalter zu schützen. „Wir müssen unseren Blick als eigenständige Kunstform verteidigen“, sagte der Regisseur, „wir müssen unser eigenes Urheberrecht in Anspruch stellen.“

Eines der Schlüsselthemen des Porträts ist die Haltung der Filmemacher zu ihren Protagonisten: wie viel Nähe darf sein, wie viel Distanz muss sein? In dieser Frage wird gegenwärtig unter Dokumentaristen weitgehend psychologisch gedacht, bis hin zum Film als therapeutisches Instrument. Einen ganz anderen Ansatz vertritt da Lutz Dammbeck, der aus der Bildenden Kunst kommt und dessen dokumentarische Arbeiten immer aufs Ganze zielen, aufs System, nicht aufs Individuelle und aufs Psychologische. Das Porträt eines Systems. Sein neuer Film „Overgames“ befasst sich mit dem nach psychiatrischen Kriterien geprägten US-Konzept der Re-Education, der Umerziehung der Deutschen nach dem Faschismus. Kein einfacher Film, keiner, bei dem man mit Einfühlung über die Runden kommt. Und dazu noch eine freie künstlerische Arbeit, die sich um die Komplexität des Stoffes kümmert, nicht um Zielgruppen und Sendeformate. Ob er damit einen Sendetermin im öffentlich-rechtlichen Fernsehen findet, dürfte durchaus fraglich sein.

 

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